Mehr als zehn Jahre nach dem Start stand im November 2014 der Höhepunkt der „Rosetta“ Mission der ESA zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko bevor. Nach mehreren swing-by Manövern an Erde und Mars in den Jahren 2005 bis 2009 war Rosetta im Juni 2011 für zweieinhalb Jahre in den Deep Space Hibernation Modus versetzt worden. Das war unumgänglich, da die ESA zur Energieversorgung der Sonde auf (wenn auch sehr große) Solarzellenflächen anstelle von RTGs gesetzt hatte. Auf einer Bahn, die bis zu 790 Mio. km von der Sonne weg führte, lieferten diese aber zeitweise nicht genug Energie für einen regulären Betrieb aller Systeme. Im „Winterschlaf“ Modus speisten sie daher lediglich den Bordcomputer, den Kommandoempfänger/-decoder und einige lebenswichtige Heizelemente. Groß war also die Erleichterung, als am 20.01.2014, mit einigen Minuten Verspätung, im Kontrollzentrum das erste Signal von Rosetta nach der Reaktivierung der Systeme eintraf. Am 28.03.2014 wurden auch die Systeme des Landers „Philae“ wieder hochgefahren. Ein erstes kleineres Bremsmanöver leitete am 07.05.2014 die finale Annäherung an den Kometen ein. Mit einer Geschwindigkeitsänderung von 20 ms–1 diente es primär der Überprüfung der Systeme und Abläufe. Anders sah das schon bei dem ersten von drei geplanten Near Comet Drift (NCD) Manövern alias „Big Burns“ aus, das am 21.05.2014 unternommen wurde. Die vier kleinen 10 N Triebwerke von „Rosetta“ mußten rund siebeneinviertel Stunden feuern, um die zu diesem Zeitpunkt „vor“ dem Kometen fliegende Sonde um gut 290 ms–1 abzubremsen. Ähnlich groß fiel das nächste Manöver am 04.06.2014 aus. Die ohnehin schon langen Brennzeiten der schubschwachen Triebwerke hatten sich dabei nochmal deutlich verlängert, da man wegen eines kleinen Lecks im Heliumsystem die Tanks nur mit zwei Dritteln des Nominaldrucks beaufschlagen konnte. Alle Parameter, insbesondere die Temperatur, blieben aber auch unter diesen Umständen im grünen Bereich. Ein dritter „Big Burn“ mit einer Geschwindigkeitsänderung von lediglich noch knapp 90 ms–1 schloß die Serie am 18.06.2014 erfolgreich ab. Unterdessen übertrug auch die Kamera von „Rosetta“ erste Bilder an die Wissenschaftler. Zu diesem Zeitpunkt wurde jedoch auch zunehmende Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der ESA laut, die sich insbesondere mit der Veröffentlichung von Bildmaterial auffallend zurückhielt. Bis zum Rendezvous mit dem Kometen war nun noch eine Serie kleinerer Manöver erforderlich. Die nächsten vier Triebwerkszündungen trugen die technische Bezeichnung Far Approach Trajectory (FAT) Manöver, Spitzname „Fatties“. Ihr erstes (und größtes) erfolgte am 02.07.2014 und ergab ein delta-v von knapp 58 ms–1 . Die nächsten Triebwerkszündungen fanden am 09., 16. und 23.07.2014 statt. Zwei Close Approach Trajectory (CAT) Manöver schlossen am 03. und 06.08.2014 die Annäherung an den Kometen ab. Bei einem Abstand von etwa 100 km war von einem echten Orbit zu diesem Zeitpunkt aber noch immer nicht zu sprechen, zu gering wirkte die Gravitation des Kometen. Unter Einsatz der Triebwerke manövrierte „Rosetta“ daher nun auf einer Dreiecksbahn um den Kometen herum und übertrug Meßdaten und Bilder. Letztere zeigten einen unregelmäßig geformten Körper, der unwillkürlich an eine „Badeente“ erinnerte. Mitte September 2014 näherte sich „Rosetta“ dem Ziel bis auf etwa 30 km, während Wissenschaftler und Techniker die erste Vorauswahl möglicher Landeplätze immer weiter verfeinerten. Ende September waren 20 km Abstand erreicht und am 08.10.2014 näherte sich „Rosetta“ dem Kometen auf einer elliptischen Bahn bis auf maximal 10 km. Bis Ende Oktober 2014 schloß sich die Close Observation Phase (COP) an, bei der 67P/Tschurjumow-Gerassimenko zeitweise auf einer Kreisbahn in nur 9,8 km Höhe umkreist wurde. Anfang November gestaltete man die Bahn dann in Vorbereitung des Abwurfs der Landeeinheit „Philae“ wieder etwas exzentrischer. Am 12.11.2014 um 08:35 UTC erfolgte in gut 22 km Entfernung zur Kometenoberfläche das Absetzmanöver. „Philae“ fiel nun frei herab zu seiner Landezone, einem gut von der Sonne beschienenen Ort auf dem kleineren der beiden Kometenköpfe. Landeplatz J trug nach einer Nilinsel den Namen „Agilkia“. Sieben Stunden nach dem Abwurf, um 15:34:06 UTC, meldeten die Sensoren des Landers Bodenkontakt. Doch an diesem Punkt geriet „Philae“ in ernste Schwierigkeiten. Das Kaltgastriebwerk, das den Lander an den Kometen anpressen sollte, ließ sich nicht aktivieren, Harpunen und Eisschrauben lösten nicht aus. Der Aufprall mit unter 1 ms–1 war angesichts der minimalen Gravitation des Kometen immer noch stark genug, „Philae“ wieder abprallen zu lassen. Der Lander unternahm einen langgezogenen „Hopser“ bis in 1 km Höhe und kam erst nach fast zwei Stunden um 17:25 UTC wieder auf, bevor er um 17:32 UTC endgültig zum Stillstand kam. Es dauerte geraume Zeit, bis man im Kontrollzentrum die Vorgänge verstand. Immerhin gingen bald die ersten Meßdaten von der Kometenoberfläche ein. Doch zeigte sich auch zunehmend, in welch kritischer Situation sich „Philae“ befand. Der Lander ruhte lediglich auf zwei von drei Beinen, offenbar schräg an einen Vorsprung angelehnt. Klar außerhalb der vergleichsweise ebenen und sonnenbeschienenen Landezone war „Philae“ wohl in einer zerklüfteten und schattigen Region zum Stillstand gekommen. Pro zwölf Stunden beschien die Sonne hier nur für etwa 1,5 Stunden die Solarzellen des Landers. Damit zogen die Instrumente ihren Strom aus der (nicht nachladbaren) Primärbatterie, während ein Nachladen der Sekundärbatterie kaum möglich war. Bevor der Kontakt wegen des Zusammenbruchs der Energieversorgung abbrach, leitete man im Kontrollzentrum daher noch ein Manöver ein, von dem man sich eine Verbesserung der Situation erhoffte. Zunächst wurde der Arm des MUPUS (Multi-Purpose Sensors for Surface and Sub-Surface Science) Instruments zu etwa zwei Drittel ausgefahren, um einige Sensoren auf die Kometenoberfläche zu bringen bzw. einen Temperatur– und Wärmeleitfähigkeitssensor (PEN) in den Boden zu treiben. Dann riskierte man es, die Mechanik der Landebeine zu aktivieren und konnte „Philae“ so um etwa 35° drehen, womit eine der größeren Solarzellenflächen besser zur Sonne orientiert wurde. Kurzfristig brachte das allerdings keine Verbesserung, war eher als Maßnahme für den Fall gedacht, daß der Lander solange durchhalten sollte, bis ein günstigerer Sonnenstand einen Reboot zuließ. Tatsächlich aber unterschritt am 15.11.2014, also nach gut zwei Tagen auf dem Kometen, auch die Spannung der Sekundärbatterie das kritische Niveau, woraufhin die Systeme in einen stand-by Betrieb gingen.
Unzweifelhaft war die kombinierte Rosetta/Philae Mission ein enormer Erfolg für die ESA und die beteiligten Wissenschaftler. Trotz der ungünstigen Umstände war eine Fülle an wissenschaftlichen Daten von der kleinen Landeeinheit übertragen worden, fast alle Instrumente hatten aktiviert werden können. Die mißglückte Landung trotz des Einsatzes mehrfach redundanter Systeme warf aber schon Fragen auf. Und auch die Entscheidung auf RTGs zur Energieversorgung zu verzichten, mußte kritisch hinterfragt werden. Immerhin war die Mission der Muttersonde „Rosetta“ noch längst nicht beendet. Und bei aller berechtigten Kritik war der Erfolg für eine Mission, deren Design mehr als zwanzig Jahre zuvor begonnen worden war, doch überwältigend. Und dem breiten Interesse an der Mission entsprechend, veröffentlichte die ESA schließlich doch noch einen Teil des Bildmaterials der Sonden unter der Creative Commons-Lizenz…