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Start der Proton-M am 09.10.2019
MEV 1 und Eutelsat 5 West B auf der Bris-M Bugsierstufe
Startvorbereitung des Mission Extension Vehicle 1 im Gebäude 103 in Baikonur
Startvorbereitung von Eutelsat 5 West B im Gebäude 103A in Baikonur

Letztmalig unter Ägide des Startdienstleisters International Launch Services hob am 09.10.2019 eine Proton-M 8K82KM mit Bris-M 14S43 Bugsierstufe von Baikonur ab. Zu ihren besten Zeiten hatte sich die Proton einen engen Wettbewerb mit der europäischen Ariane-​5  geliefert. Vor allem beim Start schwerer Kommunikationssatelliten hatten beide praktisch keine Konkurrenz zu fürchten. Nach der Jahrtausendwende gerieten beide Trägersysteme aber unter zunehmenden Druck neuer Wettbewerber. Die Proton erlebte zudem einige spektakuläre Fehlstarts, die das Vertrauen der Kunden erschütterten. Und Arianespace hatte damit zu kämpfen, daß einerseits die großen Telekommunikationssatelliten immer schwerer wurden, andererseits es aber immer schwieriger wurde, passende kleinere Satelliten für das charakteristische Doppelstartverfahren der Ariane zu finden. Denn für diese unterboten Newcomer wie SpaceX klar die Startpreise. Solostarts der wenigen schweren Satelliten waren aber ein Zuschußgeschäft. In Rußland hingegen war die Ablösung der Proton seit vielen Jahren beschlossen. Ihr offizieller Nachfolger, die Angara, entwickelte sich beim Hersteller GKNPZ Chrunitschew jedoch zunehmend zu einem Desaster. Längst war abzusehen, daß ihre Fertigungs– und Startkosten signifikant höher als bei der Proton liegen würden. Mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrer Konzeption war die Rakete zudem noch immer weit von der Serienreife entfernt. In dieser Situation wurde vor dem Hintergrund des Auslaufens der Proton-​Fertigung beschlossen, die letzten Raketen zum Start von militärischen Satelliten und weiteren national bedeutsamen Nutzlasten zu reservieren.
Als die Rakete nach einigen Verschiebungen des Termins seit dem Sommer endlich in Baikonur abhob (zuletzt war noch ein Problem mit dem Kontrollsystem der Bris-​M entdeckt worden), verbargen sich zwei Satelliten unter der Nutzlastverkleidung. Diese selten genutzte Doppelstartfähigkeit der Proton erforderte allerdings, daß zwei aufeinander abgestimmte Satelliten miteinander gepaart wurden. Und so stammten diesmal beide von Northrop Grumman Innovation Systems (vormals Orbital ATK). Beim größeren der beiden, Eutelsat 5 West B, handelte es sich um einen Kommunikationssatelliten mit 35 Ku-​Band Transpondern. Er sollte über 5° West den bereits 2002 gestarteten Eutelsat 5 West A (vormals Stellat 5) ablösen — jedenfalls hinsichtlich seiner Ku-​Band Kapazitäten. Zusätzlich hatte der Satellit eine EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay Service) Nutzlast zur Steigerung der Präzision von GNSS Signalen an Bord. Direkt unter diesem GEOStar 2e Satelliten saß der etwas kleinere MEV 1. Dieser basierte auf dem GEOStar 3 Bus. Doch war der diesmal nicht mit einer Transpondernutzlast ausgerüstet worden. Denn das Mission Extension Vehicle sollte erstmals die Fähigkeit demonstrieren, an einem ausgedienten Kommunikationssatelliten anzudocken und für diesen die Bahnmanöver und Lagekontrolle zu übernehmen. Als Zielobjekt hatten die Missionsplaner den bereits außer Dienst gestellten Intelsat 901 (2001 gestartet) ausgewählt.
Nach dem Start von Baikonur steuerte die Bris-​M Bugsierstufe mit ihren Nutzlasten einen supersynchronen Transferorbit mit einem Apogäum um 65.000 km an. Mit einer Flugdauer von fast sechzehn Stunden bis zum Aussetzen des letzten Satelliten war es zudem eine der längsten Missionen für diese Oberstufe. Aus dieser Bahn manövrierte Eutelsat 5 West B zügig auf seinen geosynchronen Arbeitsorbit. Allerdings meldete seine Betreiber wenige Tage später ein Problem mit einem der beiden Solarzellenausleger. Die Versicherer befürchteten einen Komplettverlust und erwarteten Forderungen von mindestens 192 Mio. $. Schließlich wurde klar, daß der Antrieb des südlichen Auslegers ausgefallen war und so nur etwa 45% der Nutzlast in Betrieb gehen konnten. Der mit einem elektrischen Antrieb ausgerüstete MEV 1 baut sein Apogäum dagegen deutlich langsamer ab. Er wurde erst nach etwa dreieinhalb Monaten auf einer annähernd geosynchronen Bahn erwartet. Am 25.02.2020 unternahm der Satellit ein Rendezvous mit Intelsat 901. Per 02.04.2020 konnte der Satellit so wieder in den Regelbetrieb gehen.