China, das ein langfristiges Programm zur Erkundung des Mondes aufgelegt hatte, studierte nach der Jahrtausendwende auch verschiedene Optionen für planetare Missionen und zur Erkundung kleiner Himmelskörper. Aufnahme ins offizielle Raumfahrtprogramm fand neben anderen auch eine Mission zum Mars. In der Projektphase trug die erste Mission den Namen Huoxing 1. Sie sollte 2012 mit dem kleinen Orbiter Yinghuo 1 vorbereitet werden, der huckepack auf der russischen Fobos-Grunt Sonde zum Mars fliegen sollte. Tatsächlich fand die Doppel-Mission aber ein unrühmliches Ende und verließ nie der Erdorbit. Damit mußten die chinesischen Missionsplaner auch auf die erhofften Aufnahmen aus dem Marsorbit verzichten, die die Suche nach einem Landeplatz hätten unterstützen können. Bei der neu konzipiertem Huoxing 1 Mission sollte nun der Orbiter letzte Informationen sammeln, bevor der Lander seinen Abstieg zur Planetenoberfläche begann. Dort sollte ein Rover abgesetzt werden, der neben hochauflösenden und multispektralen Bildern von der Oberfläche atmosphärische Informationen, Daten zur Bodenstruktur und –zusammensetzung sowie Informationen zum Magnetfeld sammeln sollte. Unterdessen war geplant, daß auch der Orbiter weiter die Marsoberfläche, die Atmosphäre und das Umfeld des Planeten erforschte. Typisch für die chinesische Raumfahrt blieben aber viele Aussagen zu den Missionszielen und der Ausrüstung der Raumfahrzeuge vage. Ebenso bestand wohl wenig Interesse daran, die Forschungsergebnisse mit ausländischen Forschern zu teilen. Dennoch sahen die Planetologen in aller Welt auch diesem Unternehmen mit großer Spannung entgegen. Auf dem Weg zum Start mußte das Projekt aber einige Hürden nehmen. Obwohl man eine Kooperation mit der europäischen Raumfahrt eingegangen war und mittlerweile über eine beachtliche Flotte an Bahnverfolgungsschiffen verfügte, waren die Möglichkeiten zur Bahnverfolgung und Kommunikation bei einer solchen interplanetaren Mission weit von denen der NASA mit ihrem DSN (Deep Space Network) entfernt. Man suchte und fand daher Länder, die der Errichtung von Tiefraumstationen auf ihrem Territorium zustimmten. Auch die ESA kooperierte. Von entscheidender Bedeutung war aber vor allem die Verfügbarkeit einer ausreichend leistungsfähigen Trägerrakete. Die Mondsonden der Chang’e Reihe hatte man noch mit Raketen der CZ-3 Familie starten können. Doch für eine Marsmission reichte deren Kapazität nicht annähernd. Und die Entwicklung der neuen Schwerlastrakete CZ-5 geriet schon bald in Verzug und mußte einige Rückschläge hinnehmen. Zuletzt, als 2017 der Start des zweiten Exemplars scheiterte. Als nun am 23.07.2020 um 04:41 UTC die erst fünfte CZ-5 von Wenchang abhob, war das ein beträchtliches Wagnis. Doch diesmal verlief alles nach Plan. Nach wenig mehr als einer halben Stunde befand sich Tianwen 1, wie die Sonde getauft war, auf einer Hohmann-Bahn zum Mars. Obwohl diese so präzise getroffen worden war, daß die erste von vier bis fünf geplanten Kurskorrekturen hätte entfallen können, wurden am 01.08.2020 die Triebwerke der Sonde für einige Sekunden gezündet. Dabei wurden wichtige Daten zu den Charakteristika des Antriebs unter Realbedingungen gesammelt. Und beim Vorbeiflug am Mond wurde die Gelegenheit genutzt, mit der Navigationskamera einige Aufnahmen anzufertigen. Weitere Systemtests fanden in den folgenden Wochen statt. Sie bereiteten den Weg für die Ankunft am Mars im Februar 2021. Am 10.02.2021 zündete die Sonde um 11:52 UTC ihr Haupttriebwerk für 15 Minutenund schwenkte daraufhin in einen sehr hochelliptischen Marsorbit ein. Bei einer Umlaufzeit von zehn Tagen lag die minimale Entfernung zum Planeten bei 400 km, die maximale bei etwa 180.000 km. Später wurden bisher einmalige Videoaufnahmen des Bremsmanövers veröffentlich. Zusammen mit den Bildern, die eine während des interplanetaren Fluges abgeworfene autonome Miniaturkamera übermittelt hatte, waren diese die ersten Highlights des Unternehmens. Im Laufe des Februars 2021 wurde der marsnächste Punkt der Bahn auf 280 km abgesenkt und die Inklination zu einer fast äquatorialen Bahn verringert. Nun wurden die beiden bereits vorausgewählten Landezonen nochmals intensiv erkundet. Anfang Mai 2021 fiel die Entscheidung zugunsten der Primärlandezone im Süden der Utopia Planitia, wo zwei Landeellipsen mit moderater Krater– und Felsbrockendichte als mögliche Landegebiete ausgewählt wurden. Am 14.05.2021 senkte die Sonde ihren Orbit dann weiter ab. Etwa drei Stunden später, gegen 20:00 UTC, trennte sich der Lander. Während der Orbiter kurz darauf wieder auf die Höhe der Parkbahn aufstieg, trat der Lander aerodynamisch gebremst in die Marsatmosphäre ein, verzögerte nach dem Auswurf eines Überschallfallschirms weiter und bremste schließlich unter dem Schub seiner Triebwerke zu einer kurzen Standschwebe ab, aus der ein Laserscanner ein 3D-Bild der unmittelbaren Landezone anfertigte. Auf dessen Grundlage steuerte der Bordcomputer den Lander zu einer nahezu ebenen hindernisfreien Fläche. Hier setzte der Tianwen 1 Lander am 14.05.2021 um 23:18 UTC sanft auf. Am 22.05.2021 rollte der Zhurong Rover die Rampe hinab auf die Marsoberfläche und begann bald darauf sein wissenschaftliches Programm. Konzipiert war er für eine wissenschaftliche Mission über 90 Sol, etwa 92 Erdentage. Da der Rover diese Zeitspanne ohne Ausfälle überdauerte, wurde die Mission verlängert. Damit überschnitt sich die aktive Phase der Mission aber mit einer Konjunktion von Erde, Sonne und Mars, während der die elektromagnetische Strahlung der Sonne eine Funkverbindung zur Erde praktisch unmöglich machte. Orbiter und Rover wurden in einen Sicherheitsmodus geschickt — und konnten Mitte Oktober 2021 auch wieder reaktiviert werden. Am 18.05.2022 wurde Zhurong nach 1.921 m Fahrstrecke angesichts des unmittelbar bevorstehenden Marswinters und des zunehmenden Staubgehalts in der Luft in einen „Winterschlaf“ versetzt. Obwohl nicht explizit dafür ausgelegt, hofften die Techniker und Wissenschaftler auf sein Wiedererwachen etwa sieben Monate darauf. Doch auch bei optimalem Sonnenstand Mitte Juli 2023 konnten keine Signale von Zhurong empfangen werden. Auch wenn die chinesische Raumfahrtbehörde noch nicht das Ende der Mission verkünden wollte, hatte sich wohl soviel Staub auf den Solarzellenflächen des Rovers abgelagert, daß die Energiemenge nicht für einen Restart ausreichte. Noch problematischer war aber wohl der Temperaturhaushalt. Denn Zhurong verfügte über keine Radionuklid-Heizelemente. Stattdessen hatten die Konstrukteure auf eine eigentlich geniale Lösung gesetzt. Zwei teiltransparente Fenster sollten das Innere des Rovers bei Bedarf aufheizen, indem die einfallenden Sonnenstrahlen den Vorrat an Undecan in einem Speicher aufschmolzen, der beim Erstarren die Energie als Wärme wieder abgab (Prinzip des Latentwärmespeichers). Im Gegensatz zu den Solarzellenflächen waren diese Fenster aber nicht mit einer speziellen Antihaft-Beschichtung versehen worden, so daß das System rasch an Wirksamkeit verloren hatte. Doch wenigstens der Orbiter lieferte weiter wissenschaftliche Informationen.