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Start der ersten Ariane Rakete

Hintergrundartikel (Archiv)


Ariane 1 L01Spätestens mit dem Fehlstart der ersten Europa II Rakete am 05.11.1971 befand sich das (west-)europäische Programm zur Entwicklung eines eigenen Satellitenträgers in einer existenziellen Krise. Ursprüngliches Ziel der 1962 gegründeten ELDO (European Launcher Development Organisation) war die Schaffung einer Trägerrakete zum Start eigener Forschungssatelliten. Initiiert worden war das Projekt von Großbritannien, wo man nach einem neuen Einsatzzweck für die als Mittelstreckenrakete entwickelte „Blue Streak“ suchte. Die damals noch sehr bedeutsame britische Luftfahrtindustrie befürwortete die Entwicklung eines Satellitenträgers. Doch war die Regierung, die eben aus Kostengründen das „Blue Streak“ Programm beendet hatte, nicht bereit, eine solche Entwicklung allein zu finanzieren. Schließlich konnte Frankreich als Partner gewonnen werden, nachdem man sich auf den Einsatz einer dort gebauten Zweitstufe verständigt hatte. Auch andere europäische Staaten zeigten Interesse an einer Beteiligung. Deutschland stand dem Projekt zunächst recht skeptisch gegenüber. Einflußreiche Kreise befürworteten hier eher die Lizenzfertigung eines US Trägers. Doch schließlich konnte auch die Bundesrepublik für das Projekt gewonnen werden und beteiligte sich mit der dritten Stufe, einer kompletten Neuentwicklung, an der Europa I. Während die ersten Prüfstandläufe und Erprobungsflüge der Erst– und Zweitstufe weitgehend erfolgreich verliefen, geriet das Projekt ab 1967 zunehmend in Schwierigkeiten, als es bei allen Flügen mit mehr als einer aktiven Stufe zu gravierenden Ausfällen kam. Gleichzeitig wurde deutlich, daß die Kapazität der Europa I in keinem Verhältnis zu den Kosten des Programms stand. Und als reines Technologieprogramm war die Entwicklung ebenfalls nicht tragbar. Daher wurden die Studien für den Nachfolger Europa II forciert, der auch in der Lage sein sollte, eine angemessene Nutzlast auf eine geostationäre Transferbahn zu transportieren. Denn im Gegensatz zum Start wissenschaftlicher Nutzlasten, bei denen die NASA ihren europäischen Partnern weit entgegenkam, wahrten die USA energisch ihr Monopol zum Start kommerzieller Nutzlasten. Als dann mit dem Fehlstart der ersten Europa II auch das Ziel in weite Ferne zu rücken schien, sich hier von den USA unabhängig zu machen, brachen die Streitigkeiten innerhalb der ELDO offen aus. Obwohl die Raketen F12 bis F18 sich bereits im Bau befanden und auch Nutzlasten für sie gebucht waren, konnte kein Konsens über die Fortführung des Programms erreicht werden. Andererseits hatte Großbritannien schon früher seinen ELDO IIIB StudieAusstieg aus dem Programm erklärt, so daß die ELDO 1969 Studien für eine komplett neue ELDO III in Auftrag gegeben hatte. Ausgewählt wurde der ELDO IIIB Entwurf (hypergole Erststufe, kryogene Zweitstufe, durchgängiger Stufendurchmesser von 3,8 m). Dieser sehr moderne und zukunftsträchtige Entwurf hätte durchaus, eine solide Finanzierung und ein straffes Management vorausgesetzt, den Durchbruch bedeuten können. Zumal auch erste Prüfstandläufe mit den Entwicklungstriebwerken vielversprechend aussahen. Am 20.12.1972 faßte die Europäische Ministerkonferenz jedoch den Beschluß, das ELDO Programm zum 01.05.1973 definitiv einzustellen. Frankreich, das sich massiv für die ELDO IIIB Entwicklung eingesetzt hatte, hatte seine bisherigen Partner nicht von einer Fortführung überzeugen können. Doch hatte man die Zeit genutzt, eine Rückfalloption auszuarbeiten. Schlimmstenfalls war man gewillt, einen nationalen Alleingang zu unternehmen, um den uneingeschränkten Zugang zum Weltraum sicherzustellen. Die im Februar 1972 von der französischen Regierung eingesetzte Kommission aus Experten von CNES und DMA (Délégation Ministérielle pour l’Armement) hatte innerhalb eines Monats einen Vorschlag erarbeitet. Im Vergleich zum ELDO IIIB Entwurf mit seiner Hochleistungszweitstufe H20 erschien das vorgestellte L III S Design sehr konservativ. Die Erststufe wurde praktisch von der ELDO IIIB übernommen, aber zur Aufnahme von 140 Tonnen Treibstoff gestreckt. Beim Triebwerk konnte man auf das „Viking“ zurückgreifen, das schon erfolgreiche Prüfstandläufe L3S Entwurfhinter sich hatte. Als Endstufe setzte man auf ein kleineres kryogenes Triebwerk, das man aus einem existierenden Entwicklungsprogramm ableiten konnte. Da die Prüfstände bei Air Liquide nur für Stufen bis 2,6 m Durchmesser ausgelegt waren, mußte man jedoch den Oberstufendurchmesser entsprechend verringern. Bei dieser Auslegung wurde allerdings noch zusätzlich eine neu zu entwickelnde Zweitstufe benötigt. Hierfür setzte man auf eine vakuumoptimierte Version des „Viking“ Triebwerks. Der L III S Entwurf (Lanceur 3ème Génération Substitution, dt. svw. Ersatzträger der 3. Generation) bot also einen guten Kompromiß aus bereits erprobter Technik und innovativen Lösungen mit Potential zur Leistungssteigerung. Vor allem versprach er aber eine rasche Umsetzbarkeit und geringe Entwicklungskosten. Auch wenn zu diesen beiden Punkten berechtigte Zweifel vorgebracht wurden. Bereits Anfang September 1973 unterzeichneten eine Reihe von Länderparlamenten eine Vereinbarung mit der ESRO zur Finanzierung einer neuen europäischen Trägerrakete. Dabei war zu jener Zeit durchaus strittig, welche Zukunft eine konventionelle Rakete überhaupt noch hatte. Die NASA propagierte gerade die Ablösung aller „Wegwerfraketen“ durch das Space Shuttle. Nur noch 12 Mio. $ sollte zukünftig der Start eines Kommunikationssatelliten mit dem Shuttle kosten. Der damalige Standardträger für schwere Kommunikationssatelliten, die Atlas-​Centaur, verursachte hingegen Kosten von 16 Mio. $. Finanzierungsanteile des „Ariane“ Programms
(Stand September 1973)

Frankreich: 62,50%
Deutschland: 20,12%
Italien: 9,74%
Schweiz: 9,20%
Schweden: 9,10%
Belgien: 5,00%
Großbritannien: 2,74%
Niederlande: 2,00%
Spanien: 2,00%
Dänemark: 0,50%
andere Länder: 9,73%
Die französischen Berechnungen führten zu der (sehr optimistischen) Annahme von 10 Mio. $ für einen Start der neuen europäischen Rakete. Ungewollt hatten aber vor allem die USA zu der neuen europäischen „Begeisterung“ für eine eigenständige Raketenentwicklung beigetragen. Ende 1972 hatte die NASA unmißverständlich klargestellt, daß man zum Start der deutsch-​französischen „Symphonie“ Kommunikationssatelliten nur unter der Voraussetzung bereit war, daß sie ausschließlich nichtkommerziell genutzt werden würden. In dieser Abhängigkeit wollten die meisten europäischen Staaten nicht länger gefangen bleiben. Nach einigen Optimierungen am Design trug der angenommene Entwurf inzwischen den Namen „Ariane“. Aus den Fehlern des ELDO Programms hatte man seine Lehren gezogen. Statt des einstigen Kompetenzwirrwarrs herrschte nun eine klare Struktur. Die Federführung lag beim französischen CNES. Die Firma Aérospatiale (SNIAS) übernahm die industrielle Systemführerschaft und war für die Qualifikation des Gesamtsystems zuständig. SEP (Société Européenne de Propulsion) zeichnete für die Entwicklung der Triebwerke aller drei Stufen verantwortlich. Dabei lag ein Schwerpunkt auf der kryogenen Drittstufe. Beim L III S Entwurf war noch die HM-​4 Stufe mit vier kleinen Brennkammern vorgesehen gewesen, nun war das Ziel die Substitution durch ein größeres Einkammertriebwerk HM-​7  (später HM-​8). Weitere wichtige Unterauftragnehmer waren Air Liquide (Kryotanks der Drittstufe), Matra (Gerätesektion mit Steuerungssystem), ETCA (diverse Bodensysteme) und Aeritalia (Testnutzlast). Die Entwicklung der Zweitstufe zur Serienreife und ihre Fertigung wurde an die deutsche ERNO GmbH übertragen. Die Fertigung der Nutzlastverkleidung ging später an die schweizer Firma Contraves. Ende 1974 wurden die Aufträge an die beteiligten Unternehmen vergeben. Gleichzeitig konnte ein Bauarbeiten am ELA-1 Startkomplex 1975 grundlegendes Problem gelöst werden. Europa verfügte über keine eigene Produktionskapazität für den Raketentreibstoff UDMH. Bisher war dieser aus den USA bezogen worden. Neue Richtlinien zum Gesundheitsschutz hatten dort aber die Produktionsquote drastisch sinken lassen und gleichzeitig den Preis enorm in die Höhe getrieben. Schließlich wurde ein Export grundsätzlich in Frage gestellt, da die geringen Vorräte in den USA selbst inzwischen als nationale Reserve angesehen wurden. 1974 konnte Frankreich, das zu jener Zeit recht gute bilaterale Beziehungen zur Sowjetunion pflegte, dort die verbindliche Lieferung der benötigten Mengen für das Test– und Erprobungsprogramm vereinbaren. Mit dem CSG (Centre Spatial Guyanais) in Kourou brachte Frankreich ein bereits gut ausgebautes Startgelände in das „Ariane“ Programm ein. Der Startkomplex der ELDO II war bis Anfang 1978 für die Belange der neuen Rakete umgebaut. Bald darauf konnten die ersten Funktionstests beginnen. Ende des Jahres begann die Qualifizierung der Bodenanlagen und der Mannschaften mit dem Betankungsmodell Ariane MR (Maquette de Remplissage) der Rakete. Das Programm war mühselig und zeitraubend, doch von grundlegender Bedeutung für den Erfolg des Projekts. Denn im Gegensatz zur Qualifizierung der ELDO Rakete verzichtete man diesmal auf die schrittweise Flugerprobung der einzelnen Stufen. Diese wurden zwar gründlichen Prüfstandläufen unterzogen, doch sollte die Rakete schon beim ersten Flug eine (Test-)Nutzlast in die Umlaufbahn befördern. Da das ELDO Programm die Probleme bei der Integration der Kommerzialisierung des „Ariane“ Programms
Mit dem Fortschreiten der Arbeiten am „Ariane“ Projekt wagte man sich 1975 auch an erste Marktprognosen. Dabei hatte die NASA zu jener Zeit noch ein praktisch uneingeschränktes Monopol auf kommerzielle Startdienstleistungen. Der Bedarf an geostationären Kommunikationssatelliten wuchs spürbar, wurde aber noch klar von der INTELSAT dominiert. Dennoch kam man zu dem Ergebnis, durchschnittlich vier Starts pro Jahr verkaufen zu können. Bis in die 90er Jahre rechnete man mit insgesamt 50 bis 60 Starts der „Ariane“.
1977 veränderten sich die Mehrheitsverältnisse im INTELSAT Board of Governors zugunsten der ESA Mitgliedsstaaten. Damit bestand die reelle Chance, einen oder mehrere der geplanten Intelsat V Satelliten im Rahmen der Promotion Starts auf eine „Ariane“ zu buchen. Für 21,35 Mio. $, was annähernd den Selbstkosten der Europäer entsprach, buchte die INTELSAT im Dezember 1978 zunächst einen Start. Angesichts dieser Entscheidung, die den Einstieg in das kommerzielle Startgeschäft bedeutete, arbeitete das CNES im Januar 1979 eine Studie zur Schaffung kommerzieller Strukturen zur Produktion und Vermarktung der „Ariane“ aus. Bereits am 12.06.1979 unterzeichneten auf der Luftfahrtschau von Le Bourget Firmenvertreter von am „Ariane“ Programm beteiligten Unternehmen einen Beschluß zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit Namen „Transpace“. Im März 1980 nahm das neue Unternehmen als „Arianespace“ in Evry bei Paris tatsächlich seine Tätigkeit auf. Zu den Gesellschaftern zählten da schon nicht mehr nur die Hauptauftragnehmer des „Ariane“ Programms, sondern auch weitere Unternehmen der Luft– und Raumfahrtbranche sowie mehrere Banken. Seither ist „Arianespace“ nicht nur für die Vermarktung der Startdienstleistungen verantwortlich sondern auch maßgeblich an der Weiterentwicklung der Rakete und der Vergabe der Bauaufträge beteiligt.
Stufen verschiedener Hersteller gezeigt hatte, legte man diesmal großen Wert auf umfassende Systemtests des Gesamtsystems. Trotz der Komplexität, die sich hinter der Neuentwicklung einer Trägerrakete verbarg, konnte die Aufgabe erstaunlich reibungslos gelöst werden. Lediglich die Flugqualifikation der kryogenen Drittstufe konnte nicht rechtzeitig abgeschlossen werden. Ihre Testkampagne war erst im April 1980, nach dem Erstflug der Ariane 1, beendet.
Mit nur wenigen Monaten Verzögerung verließen die Komponenten der ersten flugfähigen Rakete im September 1979 per Schiff Le Havre in Frankreich. Von Cayenne in Französisch Guyana ging es auf dem Landweg zum Startgelände in Kourou. Hier begann die auf 52 Tage angesetzte Startkampagne zum Jungfernflug der Ariane 1. Jetzt sollte sich das harte Training der Mannschaften bewähren. Relativ reibungslos liefen die Vorbereitungen. Am 15.12.1979 ging der Countdown dann in die entscheidende Phase. Doch obwohl alle Erststufentriebwerke planmäßig zündeten, gab der Computer den Start nicht frei und stellte sie nach 8 s wieder ab. Zur Erleichterung aller Beteiligten gab es kein Feuer oder gar eine Explosion. Alle Sicherungssysteme hatten planmäig gearbeitet. Der für den Abbruch verantwortliche Sensorfehler war auch rasch gefunden. Die Rakete aber mußte komplett enttankt und gründlich überprüft werden. Doch am 23.12.1979 konnte ein neuer Versuch unternommen werden. Diesmal erzwangen eine Reihe kleinerer technischer Probleme und aufziehendes schlechtes Wetter aber einen Abbruch. Und so kam es, daß sich die europäischen Raumfahrttechniker ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk machen konnten. Entgegen der üblichen Praxis in westlichen Ländern, nicht unbedingt an Sonn– und Feiertagen Raketen zu starten, nahm Ariane 1 L01 Aufnahme einer Bahnverfolgungskameraman am Heiligabend 1979 den Countdown wieder auf. Nach Überwindung diverser kleiner technischer Probleme mit der Rakete und der Bodenausrüstung hob die Rakete endlich ab. Was kaum jemand zu hoffen wagte, wurde wenig später Gewißheit. Alle drei Stufen hatten nahezu perfekt gearbeitet und die Testnutzlast war mit äußerster Präzision auf ihrer geostationären Transferbahn ausgesetzt worden. Dieser unverhoffte Erfolg war der Auftakt zu einer nun schon drei Jahrzehnte andauernden Erfolgsgeschichte. Zwar schlug bereits der zweite Ariane 1 Start fehl und weitere Mißerfolge warfen das Programm immer wieder zurück. Auch wird die Ablösung der Ariane 4 durch die komplette Neuentwicklung Ariane 5 noch immer kontrovers diskutiert. Doch unstrittig ist, daß „Arianespace“ heute einer der beiden großen Startanbieter auf dem Weltmarkt ist. Von einem solchen Erfolg hatte nach dem Ende des glücklosen ELDO Programms niemand zu träumen gewagt.