Die Vanguard-Rakete entstand speziell nach den Anforderungen für eine Trägerrakete zum Start kleiner Forschungssatelliten innerhalb des IGJ. Den Start eines solchen Satelliten hatte US-Präsident Dwight D. Eisenhower 1955 angekündigt. Um den friedlichen Aspekt des Projektes zu unterstreichen, forderte er den Einsatz einer Rakete, die nicht aus den Beständen des Militärs stammte. Dennoch übernahm das NRL Forschungslabor der US Navy die Entwicklungsleitung des Vanguard-Programms. Hauptauftragnehmer wurde die damalige Glenn L. Martin Company, die bei der Erststufe auf ihre Erfahrungen mit der Höhenforschungsrakete Viking zurückgreifen konnte. Diese wiederum war eine zivile Weiterentwicklung des deutschen Aggregat-4 bzw. der Hermes A-3 B, mit der General Electric begonnen hatte, ausgehend von der deutschen Beutetechnologie eigene Wege zu beschreiten. Mangels Alternativen fiel die Wahl auf das GE X-400 Triebwerk aus dem Hermes Programm, das bei Testzündungen eine signifikante Leistungssteigerung durch den Einsatz von „Gasoline“ (Benzin) anstelle von Alkohol gezeigt hatte. Mit dem schließlich ausgewählten X-405 Triebwerk ging man noch einen Schritt weiter, es verbrannte Kerosin, das sich wegen seiner höheren Dichte anbot. Als Zweitstufe fand praktisch eine angepaßte Forschungsrakete vom Typ Aerobee-Hi Verwendung. Lediglich die Drittstufe und ihr Triebwerk der Firma Grand Central Rocket Company waren eine komplette Neuentwicklung. So vielfältig wie die Hersteller waren auch die Treibstoffe und technischen Lösungen. Das General Electric X-405 Triebwerk der Erststufe arbeitete mit Kerosin und Flüssigsauerstoff, die von je einer Turbopumpe gefördert wurden, die wiederum mit katalytisch zersetztem H2 O2 angetrieben wurde. Die Kühlung der Brennkammer erfolgte regenerativ. Zur Steuerung um Nick– und Gierachse war das Triebwerk schwenkbar aufgehängt. Die Turbinenabgase wurden über zwei Düsen abgelassen und so für die Rollkontrolle genutzt. Um das angestrebte Massenverhältnis der Rakete zu erreichen, setzte die Glenn L. Martin Company auf einen umfassenden Einsatz von Aluminium (6061-T6). Die Triebwerks-, und die Zwischentank-Sektion sowie der Stufenadapter wurden sogar aus einer Aluminium-Magnesium-Legierung (AZ31-H24) gefertigt. Beim Aerojet General Triebwerk der Zweitstufe diente mittels eines Feststoff-Gasgenerators erhitztes Helium-Druckgas der Förderung der Treibstoffkomponenten UDMH und weißrauchende Salpetersäure. Wie bei der Erststufe waren erhebliche Änderungen erforderlich, um das Design der Aerobee für die Vanguard anzupassen. So mußten u.a. ein Radar-Transponder, ein mit Propangas arbeitendes System zur Spin-Stabilisierung (vor Abtrennung der Drittstufe) und zum Abwurf des Nasenkonus nachgerüstet werden. Außerdem beherbergte sie den Autopiloten für die Erst– und Zweitstufe. Die Strukturen bestanden wieder aus AZ31-H24 oder sogar HK31XA-H24 , einer Magnesium-Thorium Legierung. Wegen des stark korrosiven Oxidators wurden die Integraltanks aus Edelstahl 410 gefertigt. Wie das Triebwerk der Erststufe konnte auch das der Zweitstufe elektro-hydraulisch um zwei Achsen geschwenkt werden. Die Drittstufe schließlich war ein Feststofftriebwerk. Für die damaligen Verhältnisse mußte dieses relativ leistungsfähig ausfallen bei sehr restriktiven Vorgaben zu Abmessungen und Masse. Die Thiokol Chemical Company sah sich außerstande, ein Triebwerk mit den gewünschten Spezifikationen zu entwickeln. Daher wurden gleich zwei Entwicklungsaufträge an andere Anbieter vergeben. Die Grand Central Rocket Company aus Redlands, Kalifornien hatte einen vergleichsweise konservativen Entwurf eingereicht, der die gestellten Anforderungen aber erfüllte. Das Allegany Ballistics Laboratory hingegen ging mit einem in mehrfacher Hinsicht wegweisenden Entwurf in den Wettbewerb. Das Triebwerksgehäuse bestand aus glasfaserverstärktem Kunststoff (ein Novum bei einem so „großen“ Triebwerk) und als Treibstoff kam ein erst jüngst entwickelter doppel-basischer zum Einsatz. Das ABL Design benötigte bis zur Einsatzreife dann auch mehr Zeit und kam daher im Vanguard Programm nur noch beim letzten Start zum Einsatz. Montiert war das Drittstufentriebwerk auf einem Dralltisch an der Spitze der Zweitstufe. Die Nutzlastverkleidung war als Kegel aus zwei Halbschalen ausgeführt. Diese bestanden aus einem Phenolharz mit eingelassen Asbestfasern („Pyrotex“). Die Nasenspitze bildete ein kleiner Kegel aus Titan.
Verliefen die beiden ersten Testflüge innerhalb des Vanguard-Programms mit modifizierten Viking-Raketen noch erfolgreich, gab es bei der nachfolgenden Erprobung der Vanguard-Rakete erhebliche Probleme bei der Abstimmung des Gesamtsystems. Dennoch waren die Techniker noch optimistisch, den Zeitplan einzuhalten, als mitten in die Vorbereitungen zum ersten Testflug der Vanguard-Grundstufe die Meldung vom Start des ersten Sputnik platzte. Damit stand das Programm unter ungeheurem Druck, was zu einer Reihe von Fehlstarts mit der noch nicht ausgereiften Rakete führte. Bei Einstellung des Programms 1959 standen neun Fehlstarts ganze drei erfolgreiche Missionen gegenüber. Hochfliegende Pläne, wie sie noch 1957 für eine „Improved Vanguard“ angestellt worden waren, kamen somit nicht über die Papierform hinaus — bzw. wurden nur in ihrer einfachsten Form beim letzten Start des Vanguard-Programms realisiert. Dabei hatten die Studien gezeigt, daß allein mit der neuen leistungsfähigeren ABL Drittstufe sich schon neue Möglichkeiten für die Vanguard auftaten. Selbst Starts von der US Westküste auf polare Bahnen schienen vorstellbar. Allerdings hatte sich auch abgezeichnet, daß die zu leistungsschwache Erststufe weiterreichenden Plänen im Wege stand. Doch mit der Thor IRBM kombiniert, ergaben die beiden Oberstufen der Vanguard eine vielversprechende Kombination. Der Thor-Vanguard Entwurf wurde als Thor-Able realisiert. Dazu mit der Atlas-Able eine noch leistungsfähigere Rakete. Zudem wurden die beiden Vanguard-Oberstufen getrennt als Oberstufen bei der Delta und Scout eingesetzt.
Gesamtsystem | |
Nation | USA (NRL) |
Bezeichnung(en) | Vanguard, Improved Vanguard |
Entwicklungszeitraum | |
erster Start | 18.09.1959 |
Einsatzzeitraum | 1959 |
Stufenzahl | 3 |
Gesamthöhe | 21,95 m |
Basisdurchmesser | 1,14 m |
max. Nutzmasse | 40 kg (500 km Kreisbahn) |
Trockenmasse | 1.237 kg |
Treibstoffmasse | 9.221 kg |
Startmasse | 10.497 kg |
Startschub | 124 kN |
1. Stufe | |
Hersteller | Glenn L. Martin Co. |
Bezeichnung(en) | |
Länge | 13,41 m |
Durchmesser | 1,14 m |
Leermasse | 725 kg |
Treibstoffmasse | 7.332 kg [] |
Gesamtmasse | |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk General Electric X-405 (XLR50-GE-2) |
Treibstoff | Kerosin JP-4 + Flüssigsauerstoff |
Startschub (nominal) | 124 kN |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | 254 s |
Brenndauer | 140…150 s |
2. Stufe | |
Hersteller | Aerojet General Corp. |
Bezeichnung(en) | |
Länge | 5,79 m |
Durchmesser | 0,81 m |
Leermasse | 459 kg |
Treibstoffmasse | 1.528 kg [] |
Gesamtmasse | |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk Aerojet General AJ10-37 (XLR52-AJ-2) |
Treibstoff | UDMH + weißrauchende Salpetersäure (WIFNA) |
Vakuumschub (mindestens) | 33 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | |
Brenndauer | 120 s |
3. Stufe | |
Hersteller | Glenn L. Martin Co. |
Bezeichnung(en) | |
Länge | 1,52 m |
Triebwerkslänge | 1,48 m |
Stufendurchmesser (Zelle) | 0,81 m |
Triebwerksdurchmesser | 0,46 m |
Leermasse | 23 kg |
Treibstoffmasse | 206 kg |
Gesamtmasse | |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk ABL X-248-A2 38-DS-3100 |
Treibstoff | Feststoff BUU (doppel-basisch) |
Vakuumschub | 14 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 251 s |
Brenndauer | 38 s |
Nutzlastverkleidung | |
Länge über Endstufe | 2,14 m |
max. Durchmesser | 0,81 m |
Quellen:
The Vanguard Satellite Launching Vehicle — An Engineering Summary, 1960Project Vanguard Progress Reports, 1956 – 58
General Electric’s X-405 Vanguard Engine — where it is and how it got there (missiles and rockets), Mai 1958
A SATELLITE AND SPACE VEHICLE PROGRAM FOR THE NEXT STEPS BEYOND THE PRESENT VANGUARD PROGRAM, Dezember 1957