Bereits im April 1957 legte die erst wenige Wochen zuvor eingerichtete Projektabteilung für die Entwicklung von Raumfahrzeugen im OKB-1 Pläne für bemannte Raumfahrzeuge und für Raumsonden zum Mond vor. Unter der Leitung von Michail K. Tichonrawow hatte die Projektgruppe auch Studien zu der Trägerrakete angestellt, die für solche Missionen benötigt werden würde. Man kam zu dem Schluß, daß die in der Entwicklung stehende R-7 mit einer zusätzlichen dritten Stufe geeignet wäre. Die Entwicklung eines solchen Oberstufentriebwerks bedeutete technisches Neuland, denn bisher hatte man das Problem der Zündung eines Flüssigkeitstriebwerks unter den Bedingungen verringerter Schwerkraft und niedrigeren Luftdrucks noch nicht gelöst. Es gab keine Teststände, die diese Bedingungen simulieren konnten und so würde sich die Richtigkeit eines Lösungsansatzes wohl erst in der Praxis zeigen. Im Sommer erhielt das OKB-456 von Walentin P. Gluschko den Auftrag zur Entwicklung eines Höhentriebwerks für die 8K71. Zu dieser Zeit beschäftigte sich aber auch das OKB-1 mit der Entwicklung eines derartigen Triebwerks. Im Gegensatz zu Gluschko, der ein Triebwerk der 10 Tonnen Klasse für die projektierte 8K73 entwickelte, nahm Koroljows Büro mit dem RO-5 ein 5 Tonnen Triebwerk für das Projekt 8K82 in Angriff. Während sich die Entwicklung des von Gluschko projektierten RD-109 Triebwerks (Erzeugnis 8D79), das auf der neuen Treibstoffkombination Flüssigsauerstoff/UDMH basierte, zunehmend verzögerte (und schließlich 1960 zugunsten des Nachfolgeprojekts RD-119 Erzeugnis 8D710 eingestellt wurde), baute Koroljow auf den Erfahrungen aus der Entwicklung der Vernier Triebwerke für die 8D74/75 Antriebe auf. Ende 1957 zog das OKB-1 für die Entwicklung der Serienversion des RO-5 Triebwerks das OKB-154 von Semjon A. Kosberg hinzu. Bis zum August gelang es beiden Entwicklungskollektiven, die Entwicklung und Erprobung des Triebwerks abzuschließen und eine sehr kompakte und verhältnismäßig leichte Oberstufe zu konstruieren. Um den nötigen Anpreßdruck der Treibstoffe in den Tanks für eine sichere Zündung des Triebwerks zu garantieren, wählte man ein simples Verfahren. Die Oberstufe wurde auf einer offenen Gitterstruktur montiert, so daß ihr Triebwerk gezündet werden konnte, während die Zweitstufe noch arbeitete. Während sich der Schub der Drittstufe aufbaute, konnten die Abgase durch die offene Struktur seitlich austreten. Währenddessen wurde auch an der Basisrakete 8K71 intensiv weitergearbeitet, um diese serientauglich zu machen. In der Erprobung kam es dabei immer wieder zu teils spektakulären Fehlstarts. Die 8D74/75 Antriebe der ersten und zweiten Raketenstufe wurden immer neuen Modifikationen unterzogen. So konnte die Druckbeaufschlagung der Treibstofftanks verringert werden, neue Ventile und Drosseln wurden in die Treibstoffzuleitungen eingebaut und die Treibstoffeinspritzung modifiziert. Damit konnte die Leistung der Triebwerke schrittweise verbessert werden. Für das 8K72 Projekt wurde die Zweitstufe nun mit einem stählernen Flammenabweiser versehen und das Funksteuerungssystem, auf das bei der 8K71PS und 8A91 aus Gründen der Massenersparnis verzichtet worden war, wurde wieder installiert. Einige Verstärkungen mußten zudem an der Zentralstufe vorgenommen werden, um das höhere Gewicht von Oberstufe und Nutzlast aufnehmen zu können.
Der erste Teststart einer modifizierten 8K71/III mit inaktiver Drittstufe schlug am 10.07.1958 fehl, was aber nicht an der neuen Oberstufe lag. Die nächsten Starts der 8K72 scheiterten ebenfalls, wobei sich starke Schwingungen im Gesamtsystem als Ursache abzeichneten. Dieses Problem der Treibstoffschwingungen in den sich zunehmend entleerenden Tanks bereitete zu jener Zeit auch den amerikanischen Ingenieuren Kopfzerbrechen und es dauerte Monate, bis Schwingungsdämpfer in den Tanks der R-7 Baureihe das Problem aus der Welt schafften. Trotz dieser und anderer technischer Probleme gelang es inmitten einer Serie von Fehlstarts, mit der Luna 8K72 Rakete 1959 drei erfolgreiche Luna Raumsonden zum Mond zu schicken. Über den letzten Einsatz der auch als Wostok-L bezeichneten Rakete gibt es widersprüchliche Statistiken. Vermutlich endete der Einsatz mit dem Start des ersten Korabl Raumschiffs am 15.05.1960 [Gunter Krebs]. Andere Quellen listen auch die drei nächsten Starts bzw. Startversuche von Korabl Raumschiffen noch mit auf [Timothy Varfolomeyev] oder gar keinen der Korabl Flüge [Mark Wade]. Trotz der wenigen erfolgreichen Starts sicherte die Luna 8K72 zunächst den sowjetischen Vorsprung in der Raumfahrt. Und ihr verbesserter Nachfolger, die Wostok 8K72 K eröffnete das Zeitalter der bemannten Raumfahrt.
Gesamtsystem | |
Nation | Sowjetunion |
Bezeichnung(en) | Luna 8K72 , Wostok-L, Wostok 8K72 |
Entwicklungszeitraum | 1957 – 1958 |
erster Start | 23.09.1958 (Fehlstart) 02.01.1959 |
Einsatzzeitraum | 1958 – 1960 |
Stufenzahl | 3 |
Gesamthöhe | 33,50 m |
Spannweite über Stabilisierungsflächen | 10,30 m |
max. Nutzmasse | |
Leermasse | ca. 23.900 kg |
Treibstoffmasse | ca. 255.200 kg |
Startmasse | ca. 279.100 kg |
Startschub | 3.998 kN |
1. Stufe (Außenblöcke) | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Erzeugnis 8D74PS Block B, W, G, D |
Länge | 19,61 m |
max. Durchmesser | 2,68 m |
max. Spannweite über Stabilisierungsfläche | 3,82 m |
Leermasse | |
Treibstoffmasse | |
Gesamtmasse | |
Antrieb | je 1 Vierkammer-Flüssigkeitstriebwerk RD-107 + 2 Vernier-Triebwerke |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Startschub | 4×814 kN |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | 254 s |
Maximal-Brenndauer | 140 s |
2. Stufe (Zentralblock) | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Erzeugnis 8D75PS Block A |
Länge | ca. 28,75 m |
max. Durchmesser | 2,95 m |
Leermasse | um 6.000 kg |
Treibstoffmasse | um 90.000..95.000 kg |
Gesamtmasse | um 96.000..100.000 kg |
Antrieb | 1 Vierkammer-Flüssigkeitstriebwerk RD-108 + 4 Vernier-Triebwerke |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Vakuumschub | 937 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 315 s |
Brenndauer | 340 s |
3. Stufe | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Block E |
Länge | 2,98 m |
Triebwerksdurchmesser | 2,56 m |
max. Durchmesser | 2,66 m |
Leermasse | 1.110..1.120 kg |
Treibstoffmasse | 6.930 kg |
Gesamtmasse | |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk RD-0105 (Erzeugnis 8D714) |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Vakuumschub | 49 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 316 s |
Brenndauer | 454 s |
Nutzlastverkleidung | |
Länge | |
max. Durchmesser |