Die Molnija-M, heute die älteste noch im Einsatz befindliche Trägerrakete, entstand Ende der 1950er Jahre aufgrund der Pläne für interplanetare Raumsonden. Die ursprünglich für derartige Missionen projektierte 8K73 erreichte jedoch keinen Flugstatus und als 1958/59 Mathematiker des MIAN eine neue Flugbahn zur Venus und zum Mars unter Einschaltung einer Parkbahn um die Erde berechneten, gab Koroljow seine Pläne auf und begann mit der Entwicklung eines neuen Projekts mit der Bezeichnung 8K78. Grundlage der nunmehr vierstufigen Rakete war die militärische R-7 A (8K74). Diese ICBM verfügte über ein neues Inertial-Lenksystem hoher Präzision, verzichtete auf eine Reihe automatischer Systeme und wurde deutlich wartungsfreundlicher gestaltet. Die Triebwerke der Außenblöcke und der Zentralstufe erhielten neue Vernier-Triebwerke aus dem OKB-456 (Gluschko) statt der bisher eingesetzten aus dem OKB-1 (Koroljow). Durch eine veränderte Brennkammer der Verniers ergab sich ein höherer spezifischer Impuls. Schließlich wurden nun alle Triebwerke durch einen gemeinsamen Timer gezündet. Diese Maßnahmen bildeten die Grundlage für die zunehmende Zuverlässigkeit und den noch heute andauernden Erfolg der Raketenfamilie. Für Raumfahrtmissionen wurde der Gitteradapter an der Spitze von Block A ebenso verstärkt wie Teile der tragenden Struktur. Damit wurde die Statik an das auf rund 30 t gewachsene Gewicht der Oberstufen angepaßt. Der Förderdruck der Treibstoffkomponenten wurde erhöht und die nun 8K74/III genannte Grundstufe leistete somit mehr, als die Vorgängerversionen. Um Zeit zu sparen, wurde eine neue dritte Stufe (Block I) auf der Basis der Zweitstufe der in Entwicklung stehenden ICBM R-9 A (8K75) entworfen. Das Vierkammer-Triebwerk dieser Stufe mit der Bezeichnung RD-0106 (Erzeugnis 8D715) stammte aus dem OKB-154 (Kosberg). Für Raumfahrtmissionen wurden die Treibstofftanks vergrößert, um eine längere Brenndauer zu erzielen. Diese Version erhielt die Bezeichnung RD-0107 (8D715 K). Die größte Herausforderung bildete jedoch die neue Viertstufe. Sie mußte eine sichere Wiederzündung nach einer Freiflugphase im Vakuum unter Mikrogravitationsbedingungen gewährleisten. Die Entwicklung des S1.5400 Triebwerks erfolgte 1959/60 im OKB-1 . Erstmals entstand hier ein Triebwerk, das nach dem geschlossenen thermodynamischen Prinzip arbeitete. Zur Lagekontrolle war es um zwei Achsen schwenkbar aufgehängt, die Rollkontrolle übernahmen zwei kleine Vernier-Triebwerke. Ein zusätzlicher Triebwerksblock BOZ war Voraussetzung für die Zündung der Viertstufe im Orbit. Er verfügte über eine Reihe von Druckgasdüsen zur Lageregelung und vier kleine Feststofftriebwerke. Diese beschleunigten die Stufe soweit, daß auch in der Freiflugphase eine sichere Förderung des Treibstoffs zur Brennkammer gewährleistet war. Ab Januar 1960 erfolgten Tests mit der noch dreistufigen Variante der 8K78. Die ersten Startversuche interplanetarer Sonden ab Herbst 1960 waren wenig erfolgreich, teils Versager der Rakete, teils der Nutzlast. 1962/63 wurde ein verbesserter Block A eingeführt. Das RD-108 Triebwerk (Erzeugnis 8D727 K) arbeitete mit einem um 5% höheren Brennkammerdruck, was einen höheren Schub und spezifischen Impuls bewirkte. Alle Blöcke der Erst– und Zweitstufe arbeiteten nun mit einer verbesserten Variante des Kerosin, RG1. 1963 wurde erstmals eine weiter verbesserte Version 8K78 L für Missionen mit Mondlandesonden vom Typ E-6 eingesetzt, 1964 erfolgte der erste Start eines Kommunikationssatelliten 11F67 Molnija. Von dieser Nutzlast erhielt die Rakete schließlich auch ihren offiziellen Namen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die bisherige Fertigungsstätte des OKB-1 , das Werk No. 3 in Kujbyschew (heute Samara) unter Leitung von D. I. Koslow die Verantwortung für die Weiterentwicklung der R-7 übernommen. Es entstand die 8K78M (Molnija-M) mit dem verbesserten Triebwerkspaket 8D728/8D727 , der überarbeiteten Drittstufe 8D715P (RD-0108) und der modernisierten Viertstufe 8K78M (Erzeugnis 11D33) mit dem Triebwerk S1.5400 A. Letzteres arbeitete mit höherem Brennkammerdruck, was einen größeren Schub und spezifischen Impuls ergab. Dagegen nahm die Brenndauer um 43 s ab. Während sich die modifizierte Viertstufe nach einigen Fehlschlägen bewährte, wurden die RD-0108 Triebwerke in Block I nach sechs Starts wieder durch das Vorgängermodell RD-0107 (Erzeugnis 8D715 K ersetzt). Ab 1966 ersetzte die Molnija-M (8K78M) vollständig die ursprüngliche Molnija Rakete (8K78). Schon 1966/67 fand die nächste grundlegende Modernisierung der Molnija-M satt. Diesmals wurde das Paket aus Erst– und Zweitstufe 8K74/III durch die Version 11S59 ersetzt, wie sie bereits bei der Sojus Rakete (Erzeugnis 11A511) eingesetzt wurde. Ab 1968 wurde die Drittstufe von einem 11D55 Triebwerk auf der Basis des RD-0108 angetrieben, wie es 1963/65 für bemannte Missionen entwickelt worden war. Das RD-0110 arbeitete jetzt auch mit Kerosin RG1 und war bei sonst weitgehend identischen technischen Daten 1,5 kg leichter. 1965 übernahm das NPO Lawotschkin die Weiterentwicklung von Block L. Bis 1967 entstanden zwei spezialisierte Versionen, Block MVL für lunare und interplanetare Missionen sowie Block ML zum Start von Molnija Satelliten. Beide Versionen unterschieden sich hinsichtlich ihres Kontrollsystems. Gemein hatten sie dagegen ein leichteres BOZ System (nur noch zwei statt bisher vier Feststofftriebwerke) und eine um 0,68 m längere Nutzlastverkleidung, wohingegen auf eine Zwischensektion an der Spitze der Drittstufe verzichtet wurde. 1974 und 1980 wurden weitere Verbesserungen an der Molnija-M vorgenommen, wobei letztere Modernisierung zur Version 8K78M-PVB führte. Die Bezeichnung weist auf einen verbesserten Brandschutz hin, der als Konsequenz eines Explosionsunglücks im März 1980 (51 Tote) eingeführt wurde. Für einige spezielle Nutzlasten kamen auch andere Oberstufen zum Einsatz, so z.B. Block SO-L (Prognos) und Block 2 B-L/2BL-M1/2BL-M2/2BL-SM2 (Oko Frühwarnsatelliten). Details dieser Versionen wurden nicht bekannt, jedoch verfügt Block 2BL-SM2 über ein Triebwerk 11D33M und eine niedrigere Leermasse bei höherer Treibstoffzuladung.
1999(?) endete die Produktion der Molnija Rakete und es wurden seither nur noch die eingelagerten Exemplare verschossen. Als Nachfolger kommt die Sojus-2 mit „Fregat” Oberstufe in Frage.
Gesamtsystem | |
Nation | Sowjetunion → Rußland |
Bezeichnung(en) | Molnija-M Block-2BL, Erzeugnis 8K78M Block-2BL |
Entwicklungszeitraum | |
erster Start | 19.09.1972 |
Einsatzzeitraum | 1972 – 2010 |
Stufenzahl | 4 |
Gesamthöhe | 43,44 m |
Spannweite über Stabilisierungsflächen | 10,30 m |
max. Nutzmasse | ca. 1.900 kg („Molnija-Orbit“ 400 x 40.000 km@63°) |
Leermasse | ca. 27.150 kg |
Treibstoffmasse | ca. 275.270 kg |
Startmasse | ca. 305.480 kg |
Startschub | 4.054 kN |
1. Stufe (Außenblöcke) | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Block B, W, G, D |
Länge | 19,61 m |
max. Durchmesser | 2,68 m |
max. Spannweite über Stabilisierungsfläche | 3,82 m |
Leermasse | 4×3.770 kg |
Treibstoffmasse | 4×39.600 kg |
Gesamtmasse | 4×43.300 kg |
Antrieb | je 1 Vierkammer-Flüssigkeitstriebwerk RD-107 (Erzeugnis 11D728) + 2 Vernier-Triebwerke |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Startschub | 4×813 kN + 4×38 kN Vernier |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | 250 s |
Maximal-Brenndauer | 118 s |
2. Stufe (Zentralblock) | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Block A |
Länge | 27,84 m |
max. Durchmesser | 2,95 m |
Leermasse | 6.798 kg |
Treibstoffmasse | ca. 90.300 kg |
Gesamtmasse | ca. 100.600 kg |
Antrieb | 1 Vierkammer-Flüssigkeitstriebwerk RD-108 (Erzeugnis 11D727) + 4 Vernier-Triebwerke |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Vakuumschub | 977 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | |
Brenndauer | 285 s |
3. Stufe | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Block I |
Länge | 7,14 m |
max. Durchmesser | 2,66 m |
Leermasse | 1.976 kg |
Treibstoffmasse | ca. 22.800 kg |
Gesamtmasse | ca. 24.800 kg |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk RD-0110 |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Vakuumschub | 298 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 326 s |
Brenndauer | 240 s |
4. Stufe | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Block 2BL-SM2 |
Länge | ca. 3,50 m |
Triebwerksdurchmesser | 2,35 m |
Leermasse | 1.225 kg |
Treibstoffmasse | 3.774 kg |
Gesamtmasse | ca. 5.000 kg |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk S1-5400A1 (Erzeugnis 11D33) |
Treibstoff | Kerosin T1/RG1 + Flüssigsauerstoff |
Vakuumschub | 67 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 347 s |
Maximal-Brenndauer | 207 s |
Nutzlastverkleidung | |
Länge | 8,28 m |
max. Durchmesser | ca. 2,70 m |