Mit einigen Änderungen wurden die Aufgaben im Sommer 1960 an die verschiedenen Konstruktionsbüros verteilt, wobei sich
Sergej P. Koroljow geschickt die Hauptaufträge sicherte, darunter die Entwicklung der Raketen
N1 und
N2 (letztere wieder mit nuklearen Oberstufen). Konstruktiv wurde diesmal die klassische Hintereinanderordnung der Stufen gewählt, was einen einfacheren Aufbau und ein besseres Masseverhältnis versprach. Schwierig gestaltete sich die Wahl der Triebwerke. Koroljow favorisierte den Einsatz großer Einkammer-Triebwerke. , der Leiter des führenden Triebwerkskonstruktionsbüros dagegen plädierte für die Bündelung mittlerer Triebwerke. Koroljow war verärgert, weil sich die Entwicklung neuer Triebwerke aus dem
OKB-456 Valentin P. Gluschko (
GDL) für seine
R-7 und
R-9 immer weiter verzögerte und weder Leistung noch Zuverlässigkeit befriedigten. Gluschko hatte die Treibstoffschwingungen und die hohen Temperaturen bei seinen großen Einkammer-Triebwerken nicht in den Griff bekommen und ging daher auf die besser beherrschbaren Mehrkammer-Triebwerke zurück. Diese hatten jedoch eine ungünstigere Massenbilanz und waren problematisch in ihrer der Synchronisation. Außerdem propagierte Gluschko den Einsatz des neuen Treibstoffs
UDMH (Hyptyl), den Koroljow aber wegen seiner Toxizität und Selbstentzündlichkeit ablehnte. Die beiden damals führenden sowjetischen Raumfahrtkonstrukteure verband ohnehin eine heftige persönliche Abneigung (Koroljow war 1937 aufgrund vermutlich erpreßter Falschaussagen Gluschkos vom
NKWD verhaftet und in ein Arbeitslager verbannt worden). Jedenfalls wählte Koroljow als Triebwerkslieferanten für die
N1 das
OKB-276 von Nikolai D. Kusnezow. Dieser hatte sich bis 1956 lediglich im Flugzeugtriebwerksbau einen Namen gemacht. Dann erhielt es jedoch den Entwicklungsauftrag für das
NK-9 Triebwerk als Antrieb der Erststufe von Koroljows Interkontinentalrakete
R-9 . Das Triebwerk zeigte zwar gute Werte, unterlag aber letztlich doch dem
RD-111 aus dem
OKB-456 . Doch im Wettbewerb um den Antrieb der
N1 lag die Weiterentwicklung
NK-15 auch nach Expertenmeinung eindeutig vor dem
RD-250 von Gluschko, das auch einmal mehr nicht die geforderten spezifischen Daten erreichte. Auch für die beiden Oberstufen wurden Kusnezow-Triebwerke gewählt. Im Mai 1962 waren schließlich die Entwürfe der
N1 fertig und wurden im Juli vor einer Expertenkommission verteidigt. Am 24.09.1962 wurden die Parameter der Rakete bestätigt und die eigentliche Entwicklung begann. Ein Problem Koroljows blieb jedoch, daß er noch immer keine konkrete Nutzlast für seine
N1 vorliegen hatte. Alle Versuche, dem Militär die
N1 als Träger militärischer Raumstationen und Waffenplattformen schmackhaft zu machen, waren gescheitert. Letztlich sollte diese mangelnde Unterstützung zum Fiasko des Projekts beitragen. Zunächst wurde aber auf der Basis der
ICBM R-9 eine Art fliegender Versuchsstand für die Kusnezow-Triebwerke entwickelt, die Globalrakete
GR-1 „Grom“. Deren Erst– und Zweitstufe qualifizierten sich bei deren Tests zur Zweit– und Drittstufe der
N1, ihre wiederzündbare Drittstufe aus dem
OKB-1 wurde später in modifizierter Form zum
Block-D der Proton Rakete. Am 13.05.1961, kurz vor der berühmten Rede des US-Präsidenten John F. Kennedy, die den Startschuß des „Wettlaufs zum Mond“ bedeutete, erteilte die sowjetische Regierung den Auftrag zur Aufnahme von Arbeiten an einem bemannten Mondprogramm. Allerdings kam darin Koroljows
N1 wieder nicht vor. Geplant wurde nämlich zunächst eine bemannte Mondumrundung und den Entwicklungsauftrag für Rakete und Raumschiff erhielt Koroljows Konkurrent
Wladimir N. Tschelomej. Dessen
OKB-52 entwickelte bereits die Raketenfamilie
UR und erhielt nun am 13.04.1962 den Auftrag für das Mondraumschiff
LK-1 zum Start mit einer Variante der
UR-500 . Koroljow hielt mit seinem Entwurf „Sewer“ in der Variante
L1 dagegen. 1963 entstand dann das Projekt „Sojus“ mit den separat zu startenden Komponenten
Sojus-A (bemanntes Raumschiff),
Sojus-B (Antriebsstufe) und
Sojus-W (Tankersatellit). Mehrfache Rendezvous ließen aber auch diesen Entwurf zu kompliziert erscheinen. 1964 schlug Koroljow dann den Einsatz einer Weiterentwicklung der
N1 vor, der
N11, um ein Raumschiff direkt zum Mond zu befördern. Keiner der Entwürfe wurde von der sowjetischen Führung angenommen. Insgesamt lief die Entwicklung des Mondprogramms ohnehin eher schleppend. Das Militär forderte mehr Gelder für seine Raumfahrtprojekte und im Dezember 1963 wurde das Budget sogar zugunsten den Landwirtschaft gekürzt. Doch dann ließen die ernsthaften Bemühungen der
USA bezüglich einer bemannten Mondlandung die sowjetische Führung aufschrecken. Am 03.08.1964 erschien der Beschluß Nr.
655 – 268 des
ZK der KPdSU mit deem Titel „Über die Arbeiten zur Erforschung des Mondes mit kosmischen Mitteln“. Nun erhielt auch Koroljow seine Chance. 1966 bis 1968 sollten 16 Exemplare seiner
N1 gebaut werden und zwei Kosmonauten zum Mond bringen. Die Flugerprobung einer leistungsgesteigerten
N1 wurde auf
1967/68 festgesetzt, die bemannte Mondlandung für das zweite Halbjahr 1968! Für den Fall von Schwierigkeiten bei der Entwicklung der
N1 erhielten nun auch das
OKB-52 (Tschelomej) und
OKB-586 (Jangel) Aufträge zur Entwicklung neuer Superraketen
(UR-700 bzw.
R-56). Am 25.12.1964 konnte das
OKB-1 die Pläne für den neuen vereinfachten Mondflugkomplex
L3 vorlegen. Zwei Oberstufen sorgten jetzt für den Einschuß in eine Mondtransferbahn und alle erforderlichen Bahnmanöver. Aufgrund der gewachsenen Nutzlast mußte der Schub der
N1 gesteigert werden, was u.a. durch ein geändertes Schubregime, vergrößerte Tanks, den Einsatz tiefgekühlten Treibstoffs und die Installation von 6 zusätzlichen Triebwerken in der Erststufe erreicht werden sollte. Dennoch konnten nur zwei Kosmonauten die Reise zum Mond antreten und nur einer landen. Als sich Ende 1965 gravierende Probleme bei der Entwicklung von Tschelomejs Mondraumschiff
LK-1 abzeichneten ging Koroljow in die Offensive. Er forderte erfolgreich die Zusammenlegung der Programme für die Mondumrundung und die Mondlandung. Basis sollte sein Entwurf Sojus 7 K sein. Am 15.12.1965 wurde schließlich die Mondumrundung mit der Variante
UR-500 K-L1 bestätigt. Nur einen Monat später starb Koroljow bei einem chirurgischen Eingriff. Zu diesem Zeitpunkt standen die Chancen für einen sowjetischen Triumph über die
USA im Wettlauf zum Mond bereits sehr schlecht. Koroljows langjähriger Stellvertreter, Wassili P. Mischin konnte sich erst nach einem halben Jahr lähmender Streitigkeiten als sein Nachfolger durchsetzen. Dennoch liefen die Konstruktionsarbeiten an Rakete und Nutzlast auf vollen Touren. Zeit– und Geldmangel zwangen jedoch zum Verzicht auf Prüfstandversuche der kompletten Erststufe, was sich als folgenschwerer Fehler erweisen sollte. Zwischen Februar 1969 und November 1972 fanden lediglich vier Teststarts der
N1 statt. Alle scheiterten in der ersten Aufstiegsphase durch Defekte an der Erststufe. Doch schon nach dem zweiten Fehlstart verlor das Programm die politische Unterstützung, mit Apollo 11 war den
USA schließlich bereits die bemannte Mondlandung gelungen. Der dritte Flug diente schon nur noch der Qualifizierung der Rakete und der vierte schließlich sollte eine Reihe vorgenommener Modifikationen auf dem Weg zur stark verbesserten Version
N1 F testen. Trotz des vierten Fehlstarts in Folge waren die am Programm Beteiligten optimistisch hinsichtlich der für das 4. Quartal 1974 vorgesehenen Starts von
N1 F Nr. 8 L und 9 L. Diese waren grundlegend verbessert worden und verfügten u.a. über die neuen Triebwerke
NK-33 (Erststufe),
NK-43 (Zweitstufe) und
NK-39 (Drittstufe), die ihre hohe Zuverlässigkeit bei Prüfstandversuchen bewiesen hatten. Doch am 15.05.1974 wurde der Chefkonstrukteur des
ZKBEM (ehemals
OKB-1) Wassili P. Mischin von seinem Posten entbunden und durch Walentin P. Gluschko ersetzt. Die neue Organisation erhielt den Namen
NPO Energija. Umgehend begann Gluschko, alle Spuren des
N1 Programms zu tilgen. Die verbliebenen Raketen (10 waren ausgeliefert worden) wurden vernichtet. Als die Regierung im Februar 1976 die Einstellung aller Arbeiten anordnete, hatte Gluschko das Programm bereits ausgelöscht. Seine Pläne für eine eigene Superrakete Vulkan fanden allerdings auch keine Unterstützung. Erst 1976 wurden die Planungen für die Energija-Rakete begonnen. Doch auch diese fand nach nur zwei (erfolgreichen) Starts ein unrühmliches Ende.
Ausgerechnet Kusnezows Triebwerke überlebten jedoch alle diese Wirren. 150 von ihnen wurden heimlich im Herstellerwerk eingelagert. 1975 bis 1976 versuchte Kusnezow sein
NK-33 als Antrieb für die Erststufe der Proton zu plazieren. Obwohl der damalige Verteidigungsminister Georgi Gretchko dieses Projekt stützte, wurde es nach dessen Tod nicht verwirklicht. Erfolglos blieben auch Bemühungen um einen Einsatz anstelle des
RD-170 in der Erststufe der Zenit. In den 1990
er Jahren kam dann scheinbar der Durchbruch.
US Triebwerkshersteller Aerojet kaufte eine Reihe der Triebwerke auf und begann ihre Vermarktung. Das private Unternehmen Kistler Aerospace Corporation übernahm 1997 58
NK-33 und 18
NK-43 für seine Rakete
Kistler K-1 . Als dieses Projekt mangels einer soliden Finanzierung eingestellt werden mußte, wurde es wieder still um die Kusnezow Triebwerke. Doch im Jahr 2005 machten sie einmal mehr von sich reden im Zusammenhang mit dem ambitionierten russischen „Kliper“ Raumschiffprojekt. Ihren ersten Einsatz erlebten sie schließlich aber erst im April 2013 in der Erststufe der
Antares-110 Rakete des
US Unternehmens
OSC.