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Columbia, Houston, UHF comm check

Hintergrundartikel

Patch der STS-107 MissionDas Jahr 2003 versprach ein geschäftiges für die Space Shuttle Flotte zu werden. Mit fünf Flüge wollte die NASA den Ausbau der Internationalen Raumstation entscheidend voranbringen. Im November sollte sogar der älteste Orbiter der Flotte, die „Columbia“, erstmals die ISS anfliegen. Aufgrund ihres im Vergleich zu den anderen Orbitern höheren Gewichts hatte man dies bisher vermieden. Doch zuvor absolvierte die „Columbia“ noch einen der inzwischen selten gewordenen Soloflüge. Geplant war sogar, Mission STS-​107  als letzten Shuttle Flug im Dienste der Wissenschaft zu unternehmen. Fortan sollten die Forschungen auf der ISS durchgeführt werden. Für den Flug war auch der israelische Astronaut Ilan Ramon nominiert worden. Seit dem Jahr 2000 wartete er auf seinen Einsatz. Doch im Frühjahr 2002 wurde sein Flug endlich konkret. Die „Columbia“ war von ihrer Mission STS-​109  zur Wartung des HST zurückgekehrt. Vier Monate später, im Juli 2002, sollte der Orbiter wieder auf der Rampe stehen. Dann entdeckten Techniker im Juni 2002 Haarrisse an den Treibstoffleitungen der „Atlantis“. Daraufhin wurde eine Überprüfung der gesamten Shuttle-​Flotte angeordnet. Man wurde bei allen vier Orbitern fündig. Das führte einmal mehr zu einer Zwangspause des Programms. Als die Starts schließlich wieder aufgenommen wurden, zog man die nächsten beiden Missionen zur ISS vor. Die „Columbia“ sollte danach, frühestens Ende November 2002, starten. Schon im August 2002 war aber auch diese Planung nach weiteren Verzögerungen hinfällig. Mission STS-​107  verschob sich weiter auf den Januar 2003. Endlich, am 16.01.2003 um 15:39 UTC hob die „Columbia“ zu ihrer 28. Mission ab. Vor den sieben Besatzungsmitgliedern, neben Missionsspezialist Ilan Ramon, Kommandant Rick Husband, Pilot William McCool sowie die Missionsspezialisten Michael Anderson, Kalpana Chawla, David Brown und Laurel Clark, lag eine zweiwöchige Mission im offizielles STS-107 Crewfoto Dienst der Wissenschaft. Die Experimente waren dabei weit gestreut über verschiedene Wissenschaftsgebiete. Raum für die Forschungen bot das in der Nutzlastbucht installierte Spacehab Labormodul in der RDM (Research Double Module) Konfiguration. Weitere Experimente waren auf einer Nutzlastbrücke montiert, andere in der Kabine des Shuttle untergebracht.
Viel öffentliche Beachtung fand die Mission nicht. Die Experimente mit Schwerpunkt Mikrogravitationsforschungen waren nicht dazu angetan, außerhalb der Wissenschaftsgemeinde großes Interesse auszulösen. Vor allem drehte sich die Berichterstattung um den ersten Israeli im All. Die Frage, wie er im Weltall seine Religion praktizieren konnte und Berichte über einige sehr persönliche Mitbringsel dominierten die Berichterstattung. Ramon, dessen Mutter und Großmutter Auschwitz überlebt hatten, nahm die Kopie der Bleistiftzeichnung eines 1944 dort ermordeten Jugendlichen mit auf seinen Raumflug. Außerdem eine Miniatur-​Bibel, mehrere Schriftkapseln und eine Tora.
Die Mission selbst Blick auf das Spacehab Modul von STS-107 verlief typisch für einen solchen Flug. Bei der Fülle der Experimente blieben natürlich Probleme nicht aus. Vor allem ein Defekt der Temperaturregelung des Lebenserhaltungssystems war belastend. Zeitweise stieg die Temperatur im Spacehab daher auf 29 °C. Die meisten Experimente konnten aber von den in zwei Schichten rund um die Uhr arbeitenden Astronauten erfolgreich absolviert werden. Das war auch der Tenor einer Pressekonferenz, die am 29.01.2002 geschaltet wurde.
Einen Tag zuvor hatten die Besatzungen von Shuttle und ISS der Toten des US Raumfahrtprogramms gedacht. Am 28.01.1986  war die Raumfähre „Challenger“ beim Start explodiert[1], wobei alle sieben Besatzungsmitglieder umkamen. Und fast auf den Tag genau neunzehn Jahre zuvor, am 27.01.1967 , starben drei Apollo-​Astronauten bei einem Bodentest des neuen Raumschiffs. Die „Columbia“ Crew ahnte nicht, daß sie ihr Schicksal in wenigen Tagen teilen sollten. Denn bereits beim Start hatten Kameras ein Ereignis dokumentiert, das sich als fatal erweisen sollte, dessen Tragweite aber unerkannt blieb. Beim Aufstieg hatte sich ein großes Stück Schaumstoff aus der Isolierung des Außentanks des Shuttle gelöst und war gegen die linke Flügelvorderkante des Orbiters geprallt. Auf den Filmaufnahmen war undeutlich zu sehen, wie der Schaumstoffbrocken in einer Wolke kleinerer Partikel endete. Derartige Ereignisse waren nicht neu und hatten immer wieder zu Schäden am Hitzeschild der Orbiter geführt. Ernste Beschädigungen hatte das TPS dabei aber nie erlitten. Dennoch wurde eine Routineuntersuchung eingeleitet. Diese kam rasch zu dem Ergebnis, daß auch diesmal keine Gefahr bestand. Dementsprechend äußerte sich Flugdirektor LeRoy E. Cain am 31.01.2002 auf der Pressekonferenz aus Anlaß der bevorstehenden Landung. Er informierte die Journalisten von dem Ereignis und der Einschätzung, daß womöglich einige Kacheln des Hitzeschutzschildes beschädigt worden sein könnten. Das Ereignis schien nicht einmal bedeutsam genug, um die Crew zu bitten, intensiv nach Schäden Ausschau zu halten (der Aufprall war allerdings auch mehr auf der Flügelunterseite erfolgt, die aus dem Orbiter nicht eingesehen werden konnte). Vielmehr wurde Kommandant Husband zwar von dem Zwischenfall informiert, jedoch lediglich vor dem Hintergrund möglicher Fragen dazu auf der Pressekonferenz nach der Landung. Tatsächlich gab es in verschiedenen NASA Teams aber deutlich abweichende Einschätzungen des Sachverhalts. So war sich das Team, das die Filmaufnahmen nach dem Start ausgewertet hatte, unsicher über das Ausmaß der Schäden. Lediglich eine einzige Kamera Aufprall des Schaumstoffbrockens auf die Flügelvorderkante hatte überhaupt brauchbare Bilder des Ereignisses geliefert. Andere Kameras waren außer Betrieb gewesen, falsch kalibriert oder hatten einen ungünstigen Blickwinkel auf das Ereignis. Der Aufprall war jedoch nicht klar zu erkennen gewesen und zudem an einer Stelle des Flügels erfolgt, zu der keine Erfahrungswerte von ähnlichen Zwischenfällen vorlagen. Berechnungen, die ein Team bei Boeing im Auftrag der NASA durchführte, gaben Anlaß zu der Befürchtung, daß die Schäden am Hitzeschild bis zur darunter liegenden Aluminiumstruktur des Flügels reichen könnten. Doch es war bekannt, daß das zugrundeliegende Rechenmodell tendenziell schwerere Schäden ergab, als tatsächlich beobachtet worden waren. Eine Gruppe von Experten unternahm daher Anstrengungen, weitergehende Informationen zu beschaffen. Sie bemühten sich um Aufnahmen des TPS von bodengestützten Teleskopen aus und fragten über informelle Kontakte sogar bei der USAF/NRO die Möglichkeit an, mit einem Aufklärungssatelliten die „Columbia“ zu filmen. Doch alle diese Bemühungen wurden schließlich auf Betreiben des Mission Management Team eingestellt. Ebensowenig Eindruck hinterließen die Simulationen eines Ingenieurteams am Langley Research Center. Dort befürchtete man eher Schäden im Bereich der Klappen über dem Hauptfahrwerk des Orbiters und konzentrierte sich auf die Möglichkeit, daß die „Columbia“ mit einem beschädigten Fahrwerk zur Erde zurückkehren könnte. Je nach Schwere der Schäden konnte das einen platten Reifen oder ein beschädigtes Fahrgestell bedeuten. Das Team war der Meinung, daß man die Crew auf die Möglichkeit einer Landung mit beschädigtem Fahrwerk oder gar einer Evakuierung (Fallschirmabsprung) über dem Meer vorbereiten sollte. Doch auch dieser Vorstoß wurde nicht weitergeleitet.
die Trümmerwolke der „Columbia“ auf einem Wetterradar-BildSo sah also nach außen hin alles nach einem Routinemanöver aus, als die „Columbia“ am 01.02.2002 ihre Triebwerke zündete und mit dem Wiedereintritt begann. Lediglich einige wenige NASA Mitarbeiter waren sich des tatsächlichen Risikos bewußt und hofften doch auf einen guten Ausgang. Schließlich hatte sich das Shuttle Design bisher als überaus robust erwiesen. Tatsächlich bereitete man sich am Kennedy Space Center und in Houston bereits auf die üblichen Willkommenszeremonien vor. Kleinere Auffälligkeiten fanden zunächst außerhalb des Kontrollzentrums keine Beachtung. Zunächst gab es einige kurze Aussetzer in der S-​Band Kommunikation. Zwei Minuten später begann die Temperatur im Bereich des linken Hauptfahrwerksschachts kontinuierlich zu steigen. Zudem begannen die RCS Triebwerke zu feuern, um asymmetrisch auf den Orbiter wirkende Kräfte zu kompensieren. Während der nächsten Sekunden wurden weitere ungewöhnliche Temperaturwerte aufgezeichnet und der Orbiter mußte fortwährend eine β-​Winkel Abweichung kompensieren. Doch ähnliches war auch schon bei früheren Shuttle Missionen beobachtet worden, ohne daß es einen ernsten Hintergrund gegeben hätte. Weitere Auffälligkeiten folgten. Doch noch immer erkannte niemand an den Konsolen in Houston die Tragweite der Ereignisse, die sich gerade abspielten. Während sich an der Shuttle Landing Facility (SLF) des Kennedy Space Center NASA-​Mitarbeiter und Offizielle sowie Angehörige versammelten, um die zurückkehrende Besatzung zu begrüßen, sahen Beobachter entlang der Flugtrasse des Shuttle von der West– zur Ostküste beunruhigende Phänomene. Die mit vielfacher Schallgeschwindigkeit in Dutzenden Kilometern Höhe dahinrasende „Columbia“ zog eine Spur leuchtender Objekte hinter sich her. Als sich die Nachrichten davon zu verbreiten begannen, dämmerte den ersten Experten, welche Tragödie sich gerade ereignete. Denn auch der übliche Blackout des Funkverkehrs dauerte nun schon länger als normal. Die Kommunikation war in dem Augenblick abgebrochen, als das Kontrollzentrum mit Kommandant Husband den Ausfall der Reifendrucksensoren des linken Hauptfahrwerks diskutieren wollte. Da war es exakt 13:59:28 UTC. Daß die „Columbia“ in diesen Sekunden aufgehört hatte zu existieren, Symbol der Tragödie: bei Norwood (Texas) gefundener Astronautenhelm realisierten aber noch immer weder Flight Director Leroy Cain noch Capcom Charles Hobaugh. Man diskutierte weiterhin unaufgeregt die merkwürdigen Sensormeßwerte bzw. –ausfälle, ohne einen Zusammenhang zu erkennen. Tatsächlich erhielt die Cockpitcrew der „Columbia“ unmittelbar nach dem Abreißen der Funkverbindung diverse Fehlermeldungen signalisiert, darunter auch mindestens einen Master Alarm. Gleichzeitig wurde der Orbiter wild hin und her geworfen. Um 14:00:03 UTC scherte die strukturell bereits geschwächte linke Tragfläche ab. 15 Sekunden später endete die Datenaufzeichnung, vemutlich weil nun auch der Rumpf des Shuttle zerbrach, was die Energieversorgung kappte. Doch die Crew-​Kabine blieb noch eine knappe weitere Minute intakt — und die Besatzung am Leben. Pilot McCool oder Kommandant Husband unternahmen wohl sogar noch einen letzten verzweifelten Versuch, den Orbiter per Handsteuerung unter Kontrolle zu bekommen. Doch da hatten auch schon die RCS Triebwerke versagt, nachdem Sekunden zuvor bereits die hydraulischen Stellsysteme ausgefallen waren. Drei bis vier Minuten nach diesen Ereignissen begannen unterdessen zunehmend hektischere Versuche am Boden, die Sprechfunkverbindung wieder aufzunehmen. Etwa eine weitere Minute später fiel auf, daß auch die zu erwartende Radarsignatur des Shuttle nicht erkennbar war. Ab 14:09 UTC begann man daher, mit einem Radar gezielt nach der „Columbia“ zu suchen. Dann, um 14:13 UTC gab Leroy Cain die Anweisung „lock the doors“, womit klar war, daß etwas sehr ernstes geschehen sein mußte. Die NASA hatte ihre zweite Crew während eines Raumflugs verloren.

der innere Reifen des linken HauptfahrwerksDie Trümmer der „Columbia“ waren aus einem Höhenbereich zwischen etwa 40 und 30 km zur Erde gestürzt. Bei vielfacher Schallgeschwindigkeit resultierte daraus ein riesiges Trümmerfeld am Boden. Die Mehrzahl der Überreste des Orbiters regnete über Texas herab, vor allem im Umkreis der Kleinstadt Nacogdoches nordöstlich von Houston. Aber auch in Kalifornien, New Mexico, Arizona und Louisiana gab es Funde. Tausende kleine Bruchstücke aber auch komplette Haupttriebwerke, Tanks und Klappen waren darunter. Und die sterblichen Überreste aller sieben Besatzungsmitglieder. Tausende Polizisten, Feuerwehrleute und andere Freiwillige durchkämmten Prärien, Wälder und Seen entlang der Flugtrasse und bargen Unmengen kleiner und großer Trümmerstücke. Nach einigen Wochen war diese Phase abgeschlossen. Doch noch Jahre später wurden Zufallsfunde bei der NASA abgeliefert.
das Loch in der Flügelvorderkante nach dem entscheidenden TestObwohl der Einschlag des Schaumstoffbrockens 82 s nach dem Start weiterhin untersucht wurde, glaubten auch nach der Katastrophe viele Experten nicht an einen direkten Zusammenhang. Spekuliert wurde über Materialermüdung, mangelhafte Wartung, Meteoritentreffer, Weltraumschrott, Blitzschlag oder einen Terroranschlag. Die eingesetzte Expertenkommission untersuchte tatsächlich alle einigermaßen plausiblen Theorien. Doch schließlich kam man auf die naheliegendste Ursache zurück. Anfang Juli 2003 ließ das Columbia Accident Investigation Board den Aufprall eines vergleichbar großen und schweren Schaumstoffstücks auf ein Segment der Flügelvorderkante eines Shuttle nachstellen. Die ersten Tests hinterließen kaum erkennbare Schäden an den RCC Paneelen. Doch ein letzter Test machte die Experten sprachlos. Die Schäden unter den angenommenen Bedingungen übertrafen die schlimmsten Befürchtungen. Der nur 750 g schwere Schaumstoffbrocken durchschlug die kohlefaserverstärkte Konstruktion des Flügels und hinterließ ein 41×42,5 cm Loch. Sollte der bekannte Zwischenfall beim Aufstieg der „Columbia“ ähnliche Auswirkungen gehabt haben, und es gab keinen Grund mehr daran zu zweifeln, war das tragische Ende nur zu verständlich. Am 26.08.2003 wurde der CAIB Report veröffentlicht, der die Ursache ganz klar aufzeigte.

Technisch war der Hergang damit geklärt. Doch der CAIB Report sparte auch nicht mir Kritik am Management und der Kultur der NASA. Denn das Problem mit der abbröselnden Schaumstoffisolierung des Außentanks begleitete das Shuttle-​Programm seit den ersten Flügen. Die daraus resultierenden Schäden waren mal mehr mal weniger umfangreich gewesen, nie jedoch wirklich kritisch. Und so wurde das damit verbundene Risiko irgendwann als vertretbar eingestuft und die Bemühungen um eine Lösung des zugrundelegenden Problems eingestellt. Kritische Stimmen wurden unterdrückt. Ähnliches hatte bereits die Rogers Kommission nach der „Challenger“ Katastrophe bemängelt. Nun waren jedoch erneut tiefgreifende Änderungen am Shuttle Programm erforderlich, wollte man eine Wiederaufnahme der Flüge überhaupt vertreten können. Organisatorisch wurde vieles verbessert. Technisch tat man sich dagegen schwerer. Die Überlebensmöglichkeiten der Besatzung konnten durch technische Modifikationen nicht weiter verbessert werden. Und schlimmer noch, für das Schaumstoffproblem fand man keine zuverlässige Lösung. Lediglich ein Notfallkit zur Reparatur kleinerer Schäden am Hitzeschild und ein Sensorpaket, das es der Besatzung ermöglichte, selbst die Flügelunterseite fotografisch zu inspizieren, wurden eingeführt.
Als Konsequenz aus dem Desaster ordnete US Präsident George W. Bush die Einstellung des Shuttle Programms zum Ende des Jahrzehnts an. Lediglich für eine Übergangszeit — und unter weiter verschärften Sicherheitsauflagen — sollten noch einige unverzichtbare Missionen geflogen werden, um die Internationale Raumstation fertigstellen und ausrüsten zu können. Zur Auflage gemacht wurde, daß nur noch Missionen geflogen werden durften, bei denen die ISS die Crew eines beschädigten Shuttle aufnehmen konnte, während am Boden die Evakuierung vorbereitet wurde. Zudem bereitete man nun stets ein zweites Shuttle soweit vor, daß es kurzfristig zu einer Rettungsaktion starten konnte. So nachvollziehbar die Entscheidung war, die verbliebenen Shuttles außer Dienst zu stellen. Einen Nachfolger konnte man bis zur tatsächlichen Umsetzung der Maßnahme im Jahr 2011 nicht präsentieren. Zwischen 2006 (der Wiederaufnahme der Flüge nach derm „Columbia“ Unglück) und 2011 demonstrierte das Space Shuttle System nochmals seine enorme Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit. Umso schmerzlicher wurde das Fehlen einer langfristigen Strategie deutlich, als das Programm endgültig endete. Doch klar war auch, daß trotz aller Anstrengungen das komplexe Shuttle System nicht ausreichend sicher gemacht werden konnte, um der Besatzung in allen Flugphasen eine adäquate Überlebenschance bei Unfällen zu gewähren.
„Missing Man“ Formation zu Ehren der STS-107 CrewBis heute wird die Frage kontrovers diskutiert, ob es eine Chance gegeben hätte, die Besatzung der „Columbia“ zu retten. Außer Frage steht, daß die „Columbia“ die rettende ISS nicht hätte erreichen können. Auch der Start eines Sojus– oder Progress-​Raumschiffs mit Nachschub war unmöglich. Weder die kurze zur Verfügung stehende Zeit noch die Bahnneigung ließ diese Option zu. Damit blieben zwei Varianten. Der Wiedereintritt auf einer optimierten Bahn, die die Belastungen für den Orbiter auf ein Minimum reduzierte. Oder die Rettungsmission eines zweiten Shuttle. Hinsichtlich der ersten Variante verwiesen Experten darauf, daß der Wiedereintritt ohnehin schon möglichst schonend von statten ging. Die erreichbaren Optimierungen wären so marginal gewesen, daß sie die Überlebenschancen der Besatzung kaum hätten verbessern können. Ebenfalls kaum mehr als einen Strohhalm bot die zweite Variante. Hätte das NASA Management die Tragweite der Schäden unmittelbar nach dem Start erkannt und die Besatzung der „Columbia“ angewiesen, mit allen lebenswichtigen Ressourcen extrem sparsam umzugehen, hätte sich u.U. eine winzige Chance auf Rettung ergeben. Denn die „Columbia“ war für einen Langzeitflug ausgerüstet und trug daher in der Nutzlastbucht eine sogenanntes EDO-​Pallette (Extended Duration Orbiter). Dazu kamen einige nutzbare Ressourcen des Spacehab. Bei einer extrem forcierten Startvorbereitung der „Atlantis“ hätte diese vielleicht rechtzeitig starten können. Dann hätte deren Rumpfcrew aber eine nie zuvor trainierte, hoch riskante Mission absolvieren müssen. Beide Orbiter hätten in geringem Abstand, Rücken an Rücken, ihre Position halten müssen, während die sieben Besatzungsmitglieder der „Columbia“ bei einer Serie von Außenbordmanövern durch eine Notluftschleuse evakuiert worden wären… Unberücksichtigt bei solchen Gedankenspielen bleibt die Frage, ob es moralisch vertretbar gewesen wäre, das Leben einer zweiten Crew zu riskieren. Auch und vor allem angesichts des ungelösten Problems mit dem abplatzenden Schaumstoff.
Rückblickend markierte der 1. Februar 2003 das Ende einer Ära der bemannten Raumfahrt. Die Idee eines großen, universellen und wiederverwendbaren Raumschiffs für den Pendelverkehr im nahen Erdorbit hatte sich endgültig als Irrweg erwiesen. Jedenfalls mit dem gewählten Konzept und der Technologie der frühen 1970er Jahre. Für die NASA bedeutete das die Rückkehr zum Kapseldesign, „Apollo auf Steroiden“ war geboren. Ganz tot ist die Idee eines wiederverwendbaren Shuttle allerdings auch nicht. Die USAF hat seither sehr erfolgreich den unbemannten Mini-​Shuttle X-​37 B erprobt. Und das Unternehmen SpaceDev arbeitet weiter am „Dream Chaser“. Neue Materialien für das TPS und der Start an der Spitze einer konventionellen Rakete sollen bei beiden Entwürfen zumindest ein Fehlerszenario wie bei der „Columbia“ ausschließen.
[1] technisch gesehen ist „explodiert“ nicht der richtige Ausdruck; eine Kette von Ereignissen führte dazu, daß sich der Orbiter von den Boostern und dem beschädigten Außentank losriß und schließlich und unter den enormen wirkenden Kräften zerbrach