Seit Jahrhunderten wird der Mars auch als „roter Planet“ bezeichnet. Geschuldet ist das der Tatsache, daß er beim Blick durch das Fernrohr in eben dieser Farbe erscheint. Rot ist im übertragenen Sinne aber auch die Farbe des Kommunismus, mithin auch der Sowjetunion. Doch deren Bestrebungen, nach anfänglichen Erfolgen bei der Erkundung des Erdmondes und der Venus, sich auch bei der Erforschung des Mars mit spektakulären Erstleistungen zu profilieren, waren von einer Serie bemerkenswerter Mißerfolge gekennzeichnet. Diese unglückselige „Tradition“ wurde wieder ins Bewußtsein gerückt, als auch die jüngste russische interplanetare Mission zum Mars bzw. seinem Mond Phobos, im November 2011 dramatisch scheiterte.
Bereits 1959 war die Entwicklung einer ersten Marssonde im OKB-1 von Sergej P. Koroljow begonnen worden. Geplant waren ein Vorbeiflug am Mars und die Übertragung erster Aufnahmen von der Planetenoberfläche. Astronomen sahen derartigen Aufnahmen mit großer Spannung entgegen. Denn seit der italienische Astronom Giovanni Virginio Schiaparelli im Jahr 1877 geometrische Strukturen auf dem Mars beobachtet hatte, die bald die Vorstellung von künstlichen Bewässerungsbauwerken auf dem Planeten hatten aufkommen lassen, schien intelligentes Leben dort wahrscheinlich. Zwar wurde diese Idee aufgrund neuer Beobachtungen seit Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend in Frage gestellt. Doch hatten spektroskopische Beobachtungen den Nachweis von Wasser erbracht und später vermeintlich auch Vegetationsspektren nachgewiesen. Die Existenz von niederem Leben wurde daher weitgehend für möglich gehalten, wenn nicht gar als wahrscheinlich erachtet. Somit hätten die ersten Nahaufnahmen des Mars, wie schlecht die Qualität auch sein mochte, nicht nur einen hohen propagandistischen Wert gehabt. Doch stellte der Flug einer Raumsonde zu einem so weit entfernten Ziel eine gewaltige Herausforderung für die damalige Zeit dar. Für diesen Zweck wurde ein neuer Sondentyp entworfen, der sowohl für Flüge zum Mars als auch zur Venus eingesetzt werden sollte. Zwei Sonden wurden für das Projekt 1M vorbereitet. Sie waren mit einem Magnetometer, Radiometer, Teilchendetektor, Mikrometeoritendetektor und einem Spektroreflektometer ausgerüstet. Letzteres arbeitete im CH-Band und konnte somit dem Nachweis organischen Lebens dienen. Dazu kam eine Fernsehkamera, die mit einem Sensor gekoppelt war, so daß sie sich automatisch aktivierte, sobald der Mars im Blickfeld der Optik ausreichend von der Sonne beschienen wurde. Der erste Startversuch am 10.10.1960 endete nach 324 s mit der Explosion der außer Kontrolle geratenen Rakete. Treibstoffschwingungen in der neuentwickelten vierstufigen Molnija 8K78 Rakete hatten zum Versagen diverser Subsysteme geführt. Ehe noch die Ursachen für den Fehlstart analysiert waren, erfolgte am 14.10.1960 der Start der zweiten Sonde. Auch sie erreichte nicht einmal die Parkbahn um die Erde. Bereits am Boden war tiefgekühlter Sauerstoff aus einem Leck ausgetreten und hatte eine Treibstoffleitung in der Drittstufe einfrieren lassen. Die erste Chance zur Erkundung des Mars war damit vertan.
Doch wollte Koroljow das nächste Startfenster wieder nutzen. Zahlreiche Detailverbesserungen flossen in das Design der 2 MV Sonden ein. Deren Mission war weitaus anspruchsvoller angelegt, als die ihrer glücklosen Vorgänger. Am Mars sollte sich die Sonde teilen. Während ein Teil in eine Bahn um den Planeten einschwenken sollte, um eine Landekapsel abzusetzen, würde der Großteil der Sonde den Planeten im Vorbeiflug erkunden. Insgesamt drei Sonden wurden diesmal für den Start vorbereitet. Eine davon war mit dem Lander ausgestattet, die beiden anderen waren ausschließlich für den Vorbeiflug ausgerüstet. Lediglich eine konnte tatsächlich den Parkorbit um die Erde verlassen. Der erste Startversuch fand am 24.10.1962 statt. Vermutlich ein heißgelaufenes Lager in einer Turbopumpe löste die Explosion der Viertstufe der Molnija Rakete aus, nur Sekunden nachdem diese begonnen hatte, ihre Nutzlast aus der Parkbahn zu beschleunigen. Unbeeindruckt von diesem Rückschlag wurde in Baikonur die nächste 2 MV Sonde zum Start vorbereitet. Und diesmal war man endlich erfolgreich. Mars 1 trat am 01.11.1962 seine Reise an. In einer Reihe von Kommunikationssessionen wurden Meßdaten aus dem interplanetaren Raum übertragen. Doch wich die Sonde im Laufe der nächsten Monate zunehmend von ihrer vorgesehenen räumlichen Orientierung ab. Damit verschlechterte sich die Energieversorgung und auch das Signal der starr montierten Antenne schwächte sicht zusehends ab. Ursächlich war vermutlich ein kleines Leck in einem Lageregelungstriebwerk. Nach dem 21.03.1963 (106 Mio km Erdentfernung), knapp drei Monate vom Mars entfernt, konnte schließlich der Funkkontakt zu Mars 1 nicht wieder hergestellt werden. Und auch die dritte 2 MV Sonde, das Exemplar mit dem Lander, hatte man als Fehlschlag abschreiben müssen. Starke Vibrationen beim Start hatten die Viertstufe beschädigt. Jedenfalls ließ sich ihr Triebwerk nicht zünden. Die Stufe verglühte mitsamt der Sonde kurze Zeit nach dem Start am 04.11.1962.
Auch das nächste Startfenster zum Mars ließ die Sowjetunion nicht ungenutzt. Jetzt stand man auch im direkten Wettstreit mit den USA. Denn diese schickten nun auch zwei Sonden auf die Reise. Während Mariner 3 jedoch unmittelbar nach dem Start aufgegeben werden mußte, sollte Mariner 4 das gelingen, was sie Sowjetunion seit 1960 vergeblich versucht hatte. Die 21 Bilder, die Mariner 4 im Juli und August 1965 zusammen mit Meßdaten zur Erde übertrug, revolutionierten das Bild des Mars. Der Planet erwies sich als viel trockener und lebensfeindlicher, als bis dahin angenommen. Und die Bilder zeigten eine kraterbedeckte Oberfläche, die eher dem Erdmond ähnelte. Wenige Tage nach Mariner 4 passierte auch die am 30.11.1964 gestartete sowjetische Sond 2 Raumsonde den Mars. Sie basierte auf dem weiter verbesserten 3 MV Design. Eine Kamera war nicht an Bord, auch hatte man auf den zugehörigen 8-cm und Meterwellensender verzichtet. Ein Novum war der Einsatz von sechs kleinen elektrischen Lageregelungstriebwerken vom Plasma Typ. Doch auch dieser Sonde war kein Erfolg beschieden. Ihre Solarzellenflächen hatten sich nur teilweise entfaltet, was die verfügbare elektrische Energie auf einen kritischen Wert reduzierte. Dennoch konnten in den ersten Monaten sporadisch Daten empfangen werden. Vermutlich im April 1965 brach der Kontakt aber ab.
Obwohl die USA bei der Erkundung des Mars nicht mehr zu schlagen waren, hatte das sowjetische Marsprogramm Bestand. 1967 begannen unter Leitung von Georgi N. Babakin im Konstruktionsbüro Lawotschkin die Arbeiten an einem grundlegend neuen Sondenmodell. Der Start der M-69 Sonden sollte mit der weitaus leistungsfähigeren Proton Rakete erfolgen. Bis sich das Startfenster öffnen würde, verblieben lediglich zwanzig Monate. Eine eigentlich unmöglich kurze Zeitspanne zur Entwicklung eines derartig komplexen Raumfahrzeugs. Daher griff man auf die Entwürfe für eine neue weichlandende Mondsonde zurück. Deren Design war zwar alles andere als ideal. Doch verfügte man somit wenigstens über eine bereits weitgehend zu Ende entwickelte Antriebssektion. Statt des Lunochod wurde seitlich nun der Marslander angebracht. Im Laufe der Entwicklung erkannten die Ingenieure jedoch immer mehr Nachteile ihrer Lösung. Dazu kamen Baugruppen, die bei Langzeittests versagten. Nur noch dreizehn Monate vom Starttermin entfernt entschloß man sich daher zu einem radikalen Neudesign. Nicht nur die Antriebssektion wurde auf Grundlage der Erkenntnisse der letzten Monate neu entworfen. Auch ein neues Landemodul wurde konzipiert. Und auch der Ablauf der Mission wurde in entscheidenden Details geändert. Die M-69 Sonden sollten nun zunächst in einen Orbit um den Mars einschwenken, ihre Bahn korrigieren und erst dann den Lander absetzen. Dieser war ausgerüstet, die Atmosphäre des Mars zu analysieren, den Luftdruck, die atmosphärische Dichte und die Temperatur zu messen. Noch umfangreicher war der Orbiter instrumentiert. Zwei Sonden sollten am 24.03. und 02.04.1969 zum Mars aufbrechen. Nicht nur der Entwurf, Bau und die Flugqualifikation einer vollkommen neuen Raumsonde dieser Komplexität war eine enorme Herausforderung. Auch die Bereitstellung der wissenschaftlichen Ausrüstung war eine nahezu unlösbare Aufgabe. Keine sowjetische Raumsonde hatte bis dahin über derart leistungsfähige Instrumente verfügt. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse flossen in ihre Entwicklung ein. Das Kamerasystem mit einer Bildauflösung von 1.024×1.024 Bildpunkten und einer Speicherkapazität von 160 Aufnahmen versprach eine herausragende Qualität. Obwohl das Projekt höchste Priorität erhielt, lag man bald schon signifikant hinter dem ohnehin schon engen Zeitplan. Zu viele Neuentwicklungen waren in das Design eingeflossen. „Pünktlich“ am 31.12.1968 traf ein erstes Set wissenschaftlicher Instrumente bei Lawotschkin ein. Mitte Januar 1969 waren die Tests einer der beiden Sonden abgeschlossen, die zweite befand sich in der Montage. Daher wurde beschlossen, die Abnahmearbeiten für die zweite Sonde zu kombinieren und in Baikonur vorzunehmen. In einer unwahrscheinlichen Kraftanstrengung gelang es tatsächlich, die beiden M-69 Sonden bis zum März 1969 startklar zu bekommen. Dabei arbeiteten die Techniker während der letzten Wochen vor dem Start unter selbst für russische Verhältnisse untragbaren Bedingungen. Als am 21.02.1969 die erste der riesigen N1-L3 11A52 Mondraketen kurz nach dem Abheben explodierte, zerbrachen im Umkreis von Kilometern sämtliche Fenster. Auch in den Hotels, in denen die Babakin Ingenieure untergebracht waren. Bei Außentemperaturen von –30 °C versuchten die Experten nun, zwischen den 24 Stunden Schichten wenigstens einige Stunden Schlaf zu finden. Mit großen Erwartungen erfolgten nicht nur sie am 27.03.1969 den Aufstieg der Proton-K 8K82 K mit Block-D 11S824 Viertstufe. Ein Turbinenlagerschaden des Drittstufentriebwerks ließ nach etwas mehr als sieben Minuten alle Hoffnungen platzen. Doch noch bestand die Chance auf einen Erfolg mit der zweiten Sonde. Bereits beim Aufstieg war klar erkennbar, daß auch ihr kein Erfolg beschieden sein würde. Schwarzer Rauch und wenig später offene Flammen wurden an einem der Erststufentriebwerke sichtbar. Nach 41 s unkontrolliertem Flug stürzte die Rakete ab. Das Mars-69 Projekt, an dem Tausende fast zwei Jahre praktisch rund um die Uhr gearbeitet hatten, war an diesem 02.04.1969 endgültig gescheitert.
1971 bot die Planetenkonstellation besonders günstige Bedingungen für die Erkundung des Mars. Die sowjetischen Experten hatten gehofft, mit den Erkenntnissen aus dem Mars-69 Projekt eine weich landende Sonde auf den Weg bringen zu können. Doch nun befand man sich in einem Dilemma. Sollte man die Forschungen aus dem Mars-69 Programm zunächst nachholen, um dann 1973 den großen Lander auf die Reise zu schicken? Oder diesen Schritt überspringen? Schließlich wählte man sich die risikoreichere Variante. Bestimmt wurde diese Entscheidung weniger von dem Kalkül, damit den USA zuvorzukommen. Vielmehr erlaubte die ungünstigere Bahn im Jahr 1973 nicht den gemeinsamen Start von Orbiter und Lander mit einer Rakete. Somit entwarf man einen Plan, der für 1971 den Start von drei leicht unterschiedlichen Sonden zum Mars vorsah. Das erste Exemplar sollte deutlich vor den beiden anderen Sonden starten. Ausgerüstet mit besonders großen Treibstoffvorräten und umfangreicher wissenschaftlicher Instrumentierung sollte die Sonde in einem Marsorbit zudem als Radarbake für die nachfolgenden Sonden dienen. Bei einem Erfolg würde man nicht nur über die notwendigen präzisen Bahndaten verfügen. Man hätte auch noch vor den USA den ersten künstlichen Marssatelliten vorweisen können. Für das Mars-71 Projekt baute man bei Babakin auf dem Mars-69 Entwurf auf, nahm aber eine Reihe von Detailverbesserungen vor. Vor allem wurde das Tank– und Antriebssystem nun soweit von der Nutzlast entkoppelt, daß Anpassungen an unterschiedliche Missionen ohne tiefgreifende konstruktive Änderungen möglich waren. Ein Konzept, das sich bei einer Reihe von planetaren Missionen in den 1970er und 1980er Jahren ausgezeichnet bewähren sollte. Mit Ausnahme des Mars Programms (was allerdings andere Gründe hatte). Auch wurde ein neues leichtgewichtiges Kontrollsystem für die Sonden entworfen. Um Gewicht zu sparen, übertrug man diesem System zudem die Steuerung der Block-D Stufe der Proton. Ein Konzept, das ebenfalls bis heute Bestand hat. Beim Entwurf des Landers für die Mars-71 Mission standen ein aerodynamisch gesteuerter oder ein rein ballistischer Abstieg zur Diskussion. Mangels verläßlicher atmosphärischer Daten blieb nur die zweite Variante. Zunächst sollte der Lander beim Eintritt in die Atmosphäre von einem 3,2 m Schild aerodynamisch abgebremst werden. Bei Mach 3,5 würde dann ein mehrstufiges Fallschirmsystem auslösen. Nie zuvor war etwas derartiges in der Sowjetunion entwickelt worden. Ein 1:5 Modell des Landers wurde von einer meteorologischen Rakete M-100 auf 130 km Höhe geschossen und bestätigte schließlich, nach einigen Modifikationen, die Auslegung des 140 m² Schirms. Die Testreihe umfaßte 15 Starts. Auf den Einsatz eines Doppler-Radars im Lander mußte man leider aus Gewichtsgründen verzichten. Möglich war lediglich der Einbau eines Radar-Höhenmessers, der in geringer Höhe über dem Boden dann das Landetriebwerk abstellen sollte. Die letzten Meter würde der Lander im freien Fall zurücklegen. Eine Schaumstoffhülle sollte den Aufprall dämpfen. Die Lander sollte von den beiden Sonden im Vorbeiflug abgesetzt werden. Zur Übertragung der Meßdaten und Panoramabilder von der Planetenoberfläche würde die zuerst gestartete Sonde im Orbit des Mars als Relais fungieren. Ein besonders originelles Experiment namens war in die Ausrüstung der Lander aufgenommen worden. Unter diesem Namen verbarg sich eine winzige Instrumentenplattform, ausgerüstet mit Penetrometer und Strahlungs-Densitometer, die, an einem 15 m langen Kabel hängend, sich auf zwei Ski „laufend“ über den Marsboden bewegen sollte. Um einer Kontamination des Mars vorzubeugen, wurde der Lander vor dem Start sterilisiert. Doch zunächst startete am 10.05.1971 die M-71 S Sonde, die als Relaisstation für die nachfolgenden Experimente dienen sollte. Diesmal erreichte die Nutzlast problemlos die Parkbahn um die Erde. Doch dann zündete die Block-D Stufe nicht, die die Sonde zum Mars beschleunigen sollte. Ursache war ein menschlicher Fehler nach unterschiedlichen Aussagen damals beteiligter Personen war entweder der Zündzeitpunkt irrtümlich auf 1,5 Jahre statt 1,5 Stunden nach dem Start programmiert worden oder das Zündkommando aufgrund eines Zahlendrehers bei der Übermittlung von der Kontrollstation zum Bordcomputer nicht akzeptiert worden. Ein wichtiger Teil des Mars-71 Programms war damit bereits gescheitert. Doch hatte man für den Fall vorgesorgt, daß der Mars-Orbiter ausfallen würde. Studien hatten gezeigt, daß es möglich war, die beiden Vorbeiflug-Sonden mit einem autonomen Navigationssystem auszustatten. Doch blieben ab der Vorstellung dieser Idee nur noch zwei bis drei Monate, um die notwendige Software zu entwickeln und zu testen. Dennoch konnten die Mars 2 bzw. Mars 3 genannten Sonden pünktlich am 21. und 28.05.1969 starten. Und diesmal gelang der Abflug aus der Parkbahn. Ebenso die erste Kurskorrektur am 05. bzw. 08.06.1969. Dann, am 25.06.1969, brach plötzlich der Funkkontakt zu beiden Sonden ab. Dabei war der Ablauf der Ereignisse praktisch synchron. Zunächst versagten die primären Dezimeterwellen-Sender. Daraufhin wurde auf die Reservesender umgeschaltet, die ebenfalls nach kurzer Zeit ausfielen. Nun wurde auf die Zentimeterwellen-Verbindung umgeschaltet. Zwar konnten Telemetriedaten empfangen werden, die deren Aktivierung bestätigten. Doch erreichten die Signale der Sender die Bodenstation nicht. Eine Expertengruppe versuchte vergeblich, die Probleme zu identifizieren. Immerhin gelang es die Bedingungen zu identifizieren, unter denen der Reservesender stabil arbeitete. Und auch der Hauptsender konnte für kurze Perioden aktiviert werden. Der Zentimeterwellenempfang blieb aber unmöglich. Davon abgesehen verlief der weitere Flug aber nach Plan. Am 21.11.1971(?) unternahm Mars 2 seine dritte Kurskorrektur. Die zweite, einige Tage zuvor, war noch korrekt ausgeführt worden. Doch nun initiierte der Bordcomputer ein unnötiges Manöver, das die Sonde zu nahe an den Planeten heran führte. Die Sonde schlug auf der Oberfläche auf, nachdem sie in einem zu steilen Winkel in die Atmosphäre eingetreten war. Vermutlich war der Fallschirm gar nicht erst ausgelöst worden. Mars 3 unternahm am 03.12.1971 seine dritte Kurskorrektur. Während der Orbiter in eine Bahn um den Mars einschwenkte, begann der Lander seinen Abstieg. Dieser verlief erfolgreich. Nachdem die Abdeckung geöffnet war, sollte ein Telephotometer ein erstes Panorama von der Marsoberfläche übertragen. Nach 14,5 s brach das Signal ab. Ob die wenigen übermittelten Bildzeilen irgendein Detail zeigten, ist bis heute umstritten. Auch das Signal des zweiten Telephotometers brach unmittelbar nach der Aktivierung des Instruments ab. Da die Landung während eines Sandsturms von globalen Dimensionen erfolgte, besteht eine mögliche Erklärung in einer elektrostatischen Entladung, die die Sender zerstörte. Der Sturm beeinträchtigte auch die Erkundung des Planeten durch die beiden Orbiter. Jede visuelle Erkundung war sinnlos. Und die starre Programmlogik, die die Instrumente für etwa 30 min während jedes Umlaufs aktivierte, reduzierten die wissenschaftliche Ausbeute beträchtlich. Zudem umkreiste Mars 3 den Planeten mit einer Periode von 12 Tagen und 19 Stunden statt der geplanten 25 Stunden. Immerhin konnten einige atmosphärische Parameter bestimmt und das Magnetfeld des Mars vermessen werden. Die zeitgleich am Mars eingetroffene US Sonde Mariner 9 lieferte jedoch unvergleichlich mehr Informationen. Dank der größeren Flexibilität ihres Programms konnte beispielsweise die optische Erkundung des Mars verschoben werden, bis sich der Staubsturm gelegt hatte.
1973 schickte die Sowjetunion eine Armada von vier Sonden zum Mars. Den für 1975 geplanten Viking Sonden der NASA konnte man technologisch wenig entgegensetzen. Die letzte Chance bot sich 1973, wenigstens einen kleinen Erfolg für sich zu verbuchen. Da die Flugbahn zum Mars 1973 energetisch sehr ungünstig verlief, mußten diesmal Lander und Orbiter getrennt gestartet werden. Damit war eingetreten, was man 1971 noch gehofft hatte, vermeiden zu können. Nun wurden also vier Sonden zum Start vorbereitet, zwei Lander und zwei Orbiter. Technisch basierten sie auf dem Entwurf von 1971. Doch wurde die wissenschaftliche Ausrüstung angepaßt. Auch erhielten die Lander ein Telemetriesystem, das Daten direkt zur Erde übermitteln konnte. Bei der Erprobung der Sonden kam es regelmäßig zu Ausfällen des Energieversorgungssystems. Wie sich zeigte, versagte jeweils ein bestimmter Transistortyp. Interkristalline Korrosion war die Ursache. Diese trat auf, nachdem in der Fertigung Goldkontakte durch billigere aus Aluminium ersetzt worden waren. Wie die Bestandsaufnahme zeigte, waren unzählige Transistoren dieses Typs in allen Subsystemen der Sonden verbaut worden. Ein Austausch gegen Exemplare, die nach der älteren Technologie gefertigt worden waren, würde mindestens sechs Monate gedauert haben. Das war zu knapp. Zudem zeigten Untersuchungen, daß die Fehlerrate der Transistoren erst 1½ bis 2 Jahre nach ihrer Herstellung signifikant anstieg. Das korrelierte mit der Ankunft der Sonden am Mars. Daher wurde entschieden, das Risiko einzugehen und mit den defekten Transistoren an Bord zu starten. Als erstes wurden die beiden Mars Orbiter gestartet. Mars 4 am 21. und Mars 5 am 25.07.1973. Beide konnten planmäßig auf ihre interplanetare Bahn beschleunigt werden. Am 05. und 09.08.1973 folgten dann die beiden Mars-Lander Mars 6 und Mars 7. Nach zwei Monaten kam es bei Mars 6 zum Ausfall wichtiger Systeme. Zwar konnten noch Telemetriedaten und eine Bahnverfolgungsbake empfangen werden. Doch nahm die Sonde keine Kommandos mehr an. Den Mannschaften im Kontrollzentrum, die den Flug der vier Sonden rund um die Uhr verfolgten, blieb nur, den weiteren Verlauf der Mission zu beobachten. Und tatsächlich absolvierte Mars 6 präzise alle vorprogrammierten Manöver. Selbst die letzte Kurskorrektur am Mars wurde autonom ausgelöst, der Lander abgesetzt. Während des Abstieges übertrug der Lander auch tatsächlich Meßdaten über den zusätzlich implementierten Funkkanal zur Erde. Nach der Landung sollte der weitere Kontakt aber über den Mars 5 Orbiter erfolgen. Doch erreichten die Signale des Landers die Relaisstation nicht. Möglicherweise hatte sich der Lander in rauhem Terrain überschlagen oder war in eine Schlucht gestürzt. Dabei hätte die Mission tatsächlich noch ein beachtlicher Teilerfolg werden können. Denn auch Mars 5 hatte den Planeten funktionstüchtig erreicht. Aus einem 1.760×32.500 km Orbit übermittelte die Sonde Meßdaten und hochauflösende Fotos von der südlichen Halbkugel des Mars. Damit waren die erfolge der vier Sonden aber auch schon beschrieben. Denn bei Mars 4 konnte das Bremstriebwerk nicht gezündet werden. Die Sonde flog in 2.200 km Entfernung am Mars vorbei. Und der Lander von Mars 7 wurde unter inkorrekten Bedingungen abgetrennt. Er flog in 1.300 km an dem Planeten vorbei.
Nach dem Fehlschlag der Mars-73 Missionen kam das sowjetische Marsprogramm praktisch zu einem Stillstand. Wie schon befürchtet, überschattete der Erfolg der amerikanischen Viking Sonden alle weiteren Bemühungen der sowjetischen Wissenschaftler. An Projekten mangelte es jedoch nicht. Seit 1970 stellte das Kollektiv von Babakin Studien für eine Mission an, die Bodenproben vom Mars zur Analyse zur Erde holen sollte. Vorgesehen war, im September 1975 mit der für das bemannte Mondlandeprogramm entwickelten N1 Rakete eine 98 Tonnen schwere Nutzlast auf einen Parkorbit um die Erde zu starten. Das eigentliche Marsraumschiff sollte 20 Tonnen wiegen, wovon wiederum 16 Tonnen auf den Lander entfielen. Eine gewaltige Aeroshell von 6,5 m Durchmesser sollte die anfängliche Abbremsung in der Atmosphäre besorgen. Dazu kamen dreißig blütenblattförmige Ausleger, die den Durchmesser auf 11 m erhöhen konnten. Eine zweistufige Rakete sollte ein 750 kg schweres Modul von der Oberfläche des Mars zurück zur Erde beschleunigen. An Bord einer 15 kg schweren Landekapsel sollten dann 200 g Marsboden zurückkehren. Doch zunächst mußte die zweite Stufe der Rückkehrsektion zehn Monate in einem Marsorbit verweilen, bis sich eine geeignete Konstellation für den Rückflug zur Erde ergab.
Zur Vorbereitung der 5NM Probenmission plante man bei Babakin den Start eines 4NM Landers. Termin: 1973. Aufbauend auf den Erfahrungen mit dem Lunochod sollte ein Marsochod die Oberfläche des roten Planeten erkunden. Auch wenn der Betrieb eines ferngesteuerten Marsbmobils über eine derartige Entfernung praktisch unlösbare Probleme aufgeworfen haben dürfte, hätte das 4NM Projekt doch die Gelegenheit geboten, wenigstens die Landestufe für die 5NM Sonde praktisch zu erproben. Letztlich wurde keines der beiden Projekte in Angriff genommen. Der Erfolg der Missionen war angesichts der Komplexität äußerst fraglich. Das galt insbesondere für die 5NM Mission, bei der zudem die Funktion der Bordsysteme für beinahe drei Jahre sichergestellt werden mußte. Das war weitaus mehr, als bis dahin die besten sowjetischen Raumsonden demonstriert hatten. Selbst im Erdorbit bemaß sich die typische Lebensdauer sowjetischer Satelliten in den 1970er Jahren eher nach Monaten denn nach Jahren. Bedenken hatten auch die Wissenschaftler, die die Gefahr der Einschleppung unbekannter Mikroorganismen sahen. Und nicht zuletzt die gewaltigen Kosten der beiden Projekte sowie die Nichtverfügbarkeit der N1 Rakete bedeuteten das Ende der Projekte. 1974 lebte die Idee einer Mission zur Probenrückführung aber nochmals auf. Auf Betreiben des zuständigen Ministers Sergej J. Afanasjew entwarf man bei Lawotschkin das Projekt 5M. Um die notwendige Nutzlast zu transportieren, mußten nun zwei Proton Raketen gestartet werden. Die zweite Rakete würde einen modifizierten Block-D auf eine Parkbahn befördern, wo dieser mit der zuvor gestarteten Kombination aus Nutzlast und Block-D koppeln sollte. Die sequentielle Zündung der beiden Block-D Stufen erlaubte es, die 8,5 Tonnen schwere Sonde zum Mars zu beschleunigen. Während der Lander zur Oberfläche abstieg, sollte er Daten über die vorbeifliegende Muttersonde zur Erde übermitteln. Panoramabilder sollten die Probenentnahme begleiten. Nach dem Rückstart von der Marsoberfläche mußte der Wiederaufstiegsteil im Marsorbit ein Rendezvous mit der Rückflugstufe unternehmen. Diese sollte die Probenkapsel übernehmen und nach einigen Monaten zur Erde zurückstarten. Dem Problem der Kontamination wollte man entgegenwirken, indem die Probenkapsel im Erdorbit von einem bemannten Raumschiff übernommen werden sollte. Das bedeutet ein weiteres Dockingmanöver. An Komplexität war diese Mission kaum noch zu überbieten. Eine Chance auf Erfolg praktisch nicht gegeben. Das galt auch für die zum Start mit zwei Proton Raketen modifizierte 4M Mission eines Marsochods. Doch die Ingenieure und Wissenschaftler wollten das Projekt noch nicht aufgeben. Sie studierten Varianten, das Missionsschema zu vereinfachen. Modifikationen des Tanksystems und die Einführung von Kupplungen zum Treibstoffaustausch zwischen beiden Bock-D Stufen ermöglichten die Steigerung der effektiven Nutzlast auf 9.335 kg. Die Landung auf dem Mars sollte nun nicht mehr aerodynamisch gesteuert, sondern ballistisch erfolgen. Noch auf dem Mars war eine thermisch induzierte Sterilisation der Marsbodenprobe vorgesehen. Und die Kapsel mit der Bodenprobe sollte mit 12 kms–1 in die Erdatmosphäre eintreten und aerodynamisch abgebremst werden. Ein Fallschirm war hingegen nicht vorgesehen. Dennoch zeigten Berechnungen, daß die Landung präzise innerhalb einer Zone von lediglich 40 km Durchmesser möglich war. Auch nach dem neuen Schema war die Mission eine gewaltige Herausforderung. Aber es bestand eine realistische Chance auf Erfolg. Und so wurde mit der praktischen Realisierung begonnen, als 1978 die Einstellung aller Arbeiten verfügt wurde. Damit endete auch personell bei Lawotschkin die Ära jener Ingenieure, die unter dem 1971 verstorbenen Babakin das sowjetische Raumsondenprogramm erst möglich gemacht hatten.
Mit der Berufung von Wjatscheslaw M. Kowtunenko zum neuen Chefdesigner hielten neue Ideen Einzug beim OKB Lawotschkin. Kowtunenko kam vom KB Juschnoje, wo er das Konzept universeller Raumfahrzeuge z.B. für das Interkosmos Programm perfektioniert hatte. Er übertrug diesen Ansatz auf die planetare Forschung. Ab 1979 arbeitete man bei Lawotschkin an der neuen UMVL (Universal - Mars - Venus - Luna) Plattform. Aus dieser gingen schließlich die Phobos Raumsonden hervor. Fast zehn Jahre sollten vergehen, bis die beiden Sonden schließlich startbereit waren. Kowtunenko, der nicht über die guten Kontakte seines Vorgängers zu anderen Chefkonstrukteuren und einflußreichen Politikern verfügte, mußte mühsam viele Widerstände überwinden. Dabei war sein Konzept durchaus modern und vielversprechend. Die Sonden erhielten ein neues modulares Antriebssystem, den „Traktorblock“ ADU. Dieser konnte für eine Vielzahl unterschiedlicher Missionen angepaßt werden. Am 07.07.1988 startete Phobos 1 als erste der beiden Sonden. Geplant war eine Mission, bei der zunächst ein Orbiter in einen Marsorbit eingeflogen werden sollte. Mit Hilfe einer Stufe des Triebwerkssystems sollte dann eine kleine Sonde mehrere Bahnmanöver ausführen und dabei einen kleinen Lander mit der Bezeichnung DAS auf dem Marsmond Phobos absetzen. Der 67 kg schwere Lander hatte die Aufgabe, auf Phobos sowohl Panoramafotos anzufertigen als auch Bodenproben zu analysieren. Dazu verfügte der Lander über Vorrichtungen, mit denen ein Laser– bzw. Krypton-Ionenstrahl auf den Mondboden fokussiert werden konnte, um diesen punktuell aufzuschmelzen. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen. Noch während des Anfluges auf den Mars, am 28.08.1988, ging der Funkkontakt zu Phobos 1 verloren. Ursache war ein Funkkommando, das nach Übergabe der Flugleitung von einem Leitzentrum auf der Krim an ein anderes in Moskau aufgrund geringer Unterschiede in der Struktur vom Bordcomputer zunächst nicht akzeptiert wurde. Daraufhin entschied die Flugleitung, die Sicherheitssperre des Computers zu umgehen und speiste den Befehl manuell ein. An Bord von Phobos 1 wurde der eigentlich unbrauchbare Befehl von einem nicht mehr benötigten, aber versehentlich nicht gelöschten Programmteil akzeptiert und ausgeführt. In der Folge richtete der Bordcomputer die Sonde falsch zur Sonne aus und ehe am Boden auch nur das Problem erkannt war, waren die viel zu klein dimensionierten Pufferbatterien vollständig entleert. Alle Versuche, den Funkkontakt wieder herzustellen, wurden Anfang November erfolglos eingestellt. Die weitgehend baugleich ausgestattete Phobos 2 war am 12.07.1988 auf die Reise gegangen. Ihr Flug verlief zunächst erfolgreicher. Am 29.01.1989 schwenkte Phobos 2 in einen Marsorbit ein. In den nächsten Wochen folgten mehrere Bahnmanöver, wobei sich die Sonde dem Mars zeitweise bis auf 850 km näherte. Nach Bahnkorrekturen am 01.02.1989 und 13.02.1989 begannen umfangreiche Messungen aus dem Marsorbit. Am 21.02.1989 wurden auch erste Videobilder des Marsmondes Phobos übermittelt. Da nun keine größeren Bahnmanöver mehr vorgesehen waren, wurde die nicht mehr benötigte Antriebssektion der Sonde abgetrennt. In der nächsten Phase sollten die Lander abgesetzt werden. Phobos 2 verfügte über einen zweiten Lander. Dieser sollte über die Oberfläche eines der beiden Marsmonde „springen“, und dabei Analysen vornehmen. Bei einem Erfolg von Phobos 1 war daran gedacht worden, sich evtl. auf Deimos zu konzentrieren. Doch nun bereitete man sich auf die Erkundung von Phobos vor. Am 27.03.1989 konnte aber überraschend der Funkkontakt nicht wieder hergestellt werden. Notmaßnahmen konnten die Verbindung zwar für 13 min (nach anderen Quellen 17 min) wieder aktivieren, doch danach brach sie endgültig ab. Offensichtlich hatte auch Phobos 2 die Lageorientierung verloren und wieder hatten sich die Batteriekapazitäten von lediglich 5 Stunden als zu gering erwiesen. Zudem hatte man fahrlässig darauf verzichtet, eine Softwareroutine zu implementieren, die beim Unterschreiten einer bestimmten Batteriekapazität alle nicht lebensnotwendigen Systeme der Sonde deaktivieren konnte. Der Verlust der beiden Phobos Sonden fügte dem Ansehen der sowjetischen Raumforschung schweren Schaden zu, insbesondere da sich erstmals Experimente von vielen Staaten, auch westlichen, an Bord befunden hatten.
Nach dem Verlust der beiden Phobos Sonden geriet die sowjetische planetare Forschung in eine tiefe Krise. Das wesentlich erfolgreichere Venus (Venera) Programm war bereits einige Jahre zuvor zum Stillstand gekommen. Der kostspielige und ansehenschädigende Fehlschlag förderte ein kritisches Überdenken der Situation. Doch mit dem Ende der Sowjetunion zerbrachen nun auch noch zahlreiche in Jahrzehnten gewachsene Strukturen zwischen Unternehmen und Forschungsinstituten. Und der russische Staat hatte andere Prioritäten als die interplanetare Raumfahrt. Unter schwierigsten Bedingungen arbeiteten die Experten bei Lawotschkin weiter an der nächsten Generation von Marssonden. Sie planten zwei Einzelmissionen, Mars-94 und Mars-96 . Doch bis 1994 war es absolut unmöglich unter den gegebenen Umständen ein einsatzfähiges Raumfahrzeug zu entwickeln. Und obwohl das Projekt schließlich offiziell höchste Priorität erhielt, verbesserte sich die Situation nur geringfügig. Nur die internationale Kooperation hielt das Programm am Leben. Auf Basis des Phobos Designs entstand die bis dahin schwerste Marssonde. Sie bestand aus einem Orbiter, der zwei kleine Lander und zwei Penetrator-Sonden trug. Kurz vor der Ankunft am Mars war der Ausstoß der beiden MAS Langzeitsonden vorgesehen, die autonom von der Planetenoberfläche Meßdaten übermitteln sollten. Dazu waren sie mit einer Kamera, Geräten zur Analyse der Atmosphäre und des Marsbodens, meteorologischen Sensoren und einem Magnetometer ausgerüstet. Nach dem Einbremsen in einen zunächst stark elliptischen Übergangsorbit wären dann die beiden Penetratoren gefolgt, die aus einiger Tiefe im Marsboden Daten übertragen sollten. Sie verfügten ebenfalls über verschiedene meteorologische Sensoren, eine Miniaturkamera, Magnetometer, Thermometer, Seismometer, Spektrometer und Strahlungsdetektoren. Der Orbiter sollte vor allem hochauflösende stereoskopische Bilder der Marsoberfläche übertragen. Mit zwei Jahren Verspätung konnte die ursprüngliche Mars-94 Sonde endlich am 16.11.1996 als Mars-96 bzw. Mars 8 gestartet werden. Die Parkbahn um die Erde wurde ohne Probleme erreicht. Doch aus nie geklärten Gründen mißlang die Zündung der Block-D2 Stufe, die die Sonde zum Mars beschleunigen sollte. Da aus Geldmangel keine Bahnverfolgungsschiffe auf See stationiert waren, die den Vorgang hätten beobachten können, konnte der weitere Verlauf der Mission nur mühsam geklärt werden. Mars-96 trennte sich zum vorgegebenen Zeitpunkt von der Viertstufe und zündete seinen ADU Antrieb. Die Parkbahn war jedoch so niedrig, daß die Sonde noch während des dritten Orbits, vermutlich vor der Küste Chiles, verglühte, zumal der Triebwerksimpuls zwar das Apogäum auf etwa 1.500 km anhob, gleichzeitig aber das Perigäum auf nur noch 87 km senkte.
In den Jahren nach Mars-96 war ein wissenschaftliches Raumfahrtprogramm Rußlands praktisch nicht mehr existent. Einige wenige Missionen, meist noch zu Sowjetzeiten initiiert, wurden mit bescheidenem Erfolg geflogen. Kommerzielle Missionen standen im Vordergrund. Und man erfüllte die vertraglichen Verpflichtungen im Rahmen des ISS Programms. NPO Lawotschkin versuchte sich an einer Vermarktung von Entwicklungen aus dem Raumsondenprogramm. So wurde mehrfach das Inflatable Re-entry and Descent Technology (IRDT) System getestet, das ursprünglich als Landesystem für die Penetratoren von Mars-96 entwickelt worden war. Aus unterschiedlichen Gründen blieb der Erfolg dabei aber aus. Dagegen wurde aus dem Antriebssystem der Phobos Sonden die heute sehr erfolgreiche und zuverlässige Fregat Stufe abgeleitet.
Fünfzehn Jahre nach Mars-96 startete Rußland mit der Mission Fobos-Grunt tatsächlich wieder eine Sonde zum Mars. Es sollte die erste einer Reihe von Missionen zum Mars, zur Venus und zum Mond sein, die in den nächsten Jahren geplant waren. Die Finanzierung der Projekte war weiterhin ungenügend, was auch die lange Pause zu einem großen Teil erklärte. Zwar wurde die Entwicklung von Fobos-Grunt offiziell bereits 2001 begonnen. Doch aus Geldmangel konnten bis 2003 praktisch nur Designarbeiten unternommen werden. Der geplante Starttermin 2007 war illusorisch. Erst 2004 stellte die russische Regierung ein nenneswertes Budget zur Verfügung. Ein Start im Herbst 2009 schien damit realisierbar. 2006 bestätigte China, daß man sich an dem Projekt beteiligen würde. Zahlreiche andere Forschungsinstitute und Raumfahrtorganisationen hatten zudem bereits ihre Mitarbeit zugesichert. Eine Fülle wissenschaftlicher Instrumente standen somit zur Wahl. Die Beteiligung Chinas bestand schließlich aus einem eigenständigen Mikrosatelliten namens Yinghuo 1, der im Marsorbit abgesetzt werden sollte. Fobos-Grunt hingegen sollte sich, wie der Name schon sagte, auf die Erkundung des rätselhaften Marsmondes Phobos konzentrieren. Geplant war, einen Lander auf dem Mond abzusetzen, der dort einige hundert Gramm Bodenproben entnehmen sollte. Die Rückkehr der Kapsel mit den Proben auf der Erde wurde für den August 2014 erwartet. Dabei sollte die Technologie zum Einsatz kommen, die bereits in den 1970er Jahren für das Projekt 5M entwickelt worden war. Ursprünglich sollte Fobos-Grunt auch noch zwei MarsNet Sonden auf dem Mars selbst absetzen. Die Idee für diese Lander stammte vom finnischen meteorologischen Institut. Man hoffte, mit MarsNet Langzeitstudien zu den meteorologischen Bedingungen auf dem Mars anstellen zu können. Doch auch ohne die MarsNet Sonden entstand mit Fobos-Grunt ein enorm komplexes Raumfahrzeug. Wenige Wochen vor dem geplanten Start im Oktober 2009 mußte man daher eingestehen, daß zahlreiche Systeme der Sonde nicht annähernd ausreichend getestet waren. Der Start wurde um zwei Jahre verschoben. Auch 2011 gab es Spekulationen um einen weiteren Aufschub. Doch schließlich startete die Sonde doch am 08.11.2011, erstmals mit einer Zenit-2FG Rakete. Planmäßig wurde die Parkbahn erreicht, wie erste übermittelte Telemetriedaten bestätigten. Doch die Zündung der MDU Antriebseinheit blieb aus. Und wieder einmal bedurfte es der Radaranlagen des NORAD, um die Sonde zu lokalisieren. Alle russischen Versuche, einen Kontakt zu Fobos-Grunt herzustellen, blieben erfolglos. Mangels offizieller Mitteilungen der russischen Raumfahrtbehörde schossen Spekulationen ins Kraut. Schließlich schien sich aber zu bestätigen, daß nach dem Empfang erster Telemetriedaten der Kontakt zu Fobos-Grunt abgebrochen war. Die Sonde selbst befand sich offenbar in einer Art Notfallmodus, richtete die Solarzellen auf die Sonne aus und korrigierte Bahnstörungen. Über die Gründe, warum Fobos-Grunt in den Notfallmodus gegangen war, konnte tatsächlich nur spekuliert werden. Fest stand jedenfalls, daß vor der Zündung des MDU Triebwerks die Orientierung der Sonde von einem Sonnen– auf einen Sternensensor umgeschaltet werden mußte. Der Verdacht, daß dabei ein Problem ausgetreten sein könne, schien sich später zu bestätigen. Am 22.11.2011 gelang es einer ESTRACK Station der ESA in Australien, eine kurze Telemetriesequenz von Fobos-Grunt aufzufangen. Die Auswertung der enthaltenen Informationen in Rußland bestätigte demnach, daß der Sternensensor nicht einsatzfähig war. Als möglicher Grund wurde ein Treffer durch einen Mikrometeoriten oder Weltraumschrott genannt. Weiter wurde erklärlich, warum bisher alle russischen Versuche, Kontakt zu Fobos-Grunt zu bekommen, gescheitert waren. Lediglich in Baikonur stand eine geeignete Bodenstation zur Verfügung. Aufgrund der ungünstigen Bahnverhältnisse mußten deren Antennen bei den wenigen in Frage kommenden Überflügen aber sehr schnell nachgeführt werden, wofür die Anlage nicht ausgelegt war. Und außerdem schaltete der Bordcomputer im Erdschatten alle nicht lebenswichtigen Systeme von Fobus-Grunt ab, was die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme weiter reduzierte. Dennoch, so berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti am 24.11.2011, gelang auch russischen Experten an diesem Tag der Empfang von Telemetriedaten. Demnach tauschte der Bordcomputer Daten mit allen zentralen Systemen der Sonde aus und kontrollierte den Flug von Fobos-Grunt. Trotz des überraschend doch noch zu stande gekommenen Kontakts blieben die Chancen auf eine Rettung der Mission oder wenigstens eine irgendwie geartete sinnvolle Nutzung minimal. Voraussetzung dafür wäre neben der Kenntnis der Ursachen für das Versagen auch mindestens die Möglichkeit, komplexe neue Befehle an den Bordcomputer zu übermitteln. Doch die extrem eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten lassen dies wohl nicht zu.
Fünf Jahrzehnte sowjetisch-russischer Marserkundung sind rein äußerlich betrachtet, scheinbar vor allem die Geschichte eine spektakulären Scheiterns. Tatsächlich sind bedeutende Erfolge ausgeblieben. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Bis heute ist das Marsprogramm von einem enormen Erfolgsdruck gekennzeichnet. Von Anbeginn an gab es eine massive politische Einflußnahme. In den 1960er und 1970er Jahren standen vor allem propagandistische Erstleistungen im Fokus. Ingenieure und Wissenschaftler versuchten, den größtmöglichen Nutzen aus dieser Situation zu ziehen. Seit den Phobos Missionen Ende der 80er Jahre erwächst der Druck vermehrt aus der ansonsten sehr positiven internationalen Kooperation. Phobos, Mars-96 aber auch Fobos-Grunt zeichneten sich durch die Komplexität ihrer Missionen aus. Sie vereinten Lander, Orbiter und Relaisstationen in sich, dienten als Vehikel für Instrumente aus Dutzenden Ländern und, im Fall von Fobos-Grunt, sogar als Träger für ein komplettes Raumfahrzeug einer anderen Nation. Selbst die USA, unzweifelhaft der Sowjetunion und Rußland technologisch überlegen, scheuten derart komplexe Missionen (eine erfolgreiche Ausnahme bildeten ausgerechnet vielleicht die Viking Marssonden). Die aktuellen Marskampagnen der NASA verzahnen vielmehr erfolgreich diverse spezialisierte Missionen (Orbiter, Lander, Rover). Ein Ansatz, der vemutlich auch Rußlands Ingenieuren und Wissenschaftlern nach freudlosen Jahrzehnten endlich wieder einen verdienten Erfolg bescheren könnte. Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre aber natürlich auch eine endlich ausreichende Finanzierung und keine unnötige politische Einflußnahme. Der (anzunehmende) Verlust der Fobos-Grunt Mission sollte sicher zum Anlaß genommen werden, auch organisatorische Strukturen beim Hersteller NPO Lawotschkin zu hinterfragen. Eine Bestrafung vermeintlich Verantwortlicher nur aufgrund politischen Drucks wäre jedoch kontraproduktiv. Ob die richtigen Schlüsse aus dem Scheitern gezogen wurden, wird erst die Zukunft zeigen. Hoffentlich führen die Ereignisse nicht dazu, daß weitere innovative Forschungsprogramme ihre Unterstützung verlieren…