Bereits unmittelbar nach ihrer Gründung sah sich die US Raumfahrtbehörde NASA einer neuen Herausforderung gegenüber. Den Wettlauf um den ersten Satelliten im All hatten die USA bereits im Oktober 1957 verloren. Man war das Projekt eines künstlichen Erdsatelliten im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahrs als eines unter vielen angegangen, weil die Zeit dazu allmählich reif schien und Wissenschaftler sich neue Möglichkeiten von einem Satelliten im Vergleich zu den kurzlebigen Höhenraketen versprachen. Vollkommen ausgeblendet hatte worden war dabei die große Öffentlichkeitswirkung, die mit einem erfolgreichen Satellitenstart einherging. Auch die Sowjetunion war zunächst von der weltweiten Begeisterung überrascht worden, die der Meldung auf den Start des Sputnik gefolgt war. Große Aufmerksamkeit löste auch der Flug der Hündin „Laika“ ins All aus, auch wenn Tierschützer gegen ihren unnützen Tod protestierten. Und nun, im Januar 1959, passierte die Raumsonde Luna den Mond in knapp 6.000 km Entfernung. Eigentlich war ein Mondaufprall geplant gewesen. Dennoch gelang es der sowjetischen Propaganda, diesen weitgehenden Fehlschlag in ein einen glänzenden Erfolg umzudeuten. Denn die anspruchsvolleren Mondmissionen von USAF und US Army (Projekt „Moonshot“) waren 1958 alle an den unzuverlässigen und schwachen Trägerraketen gescheitert. Dennoch sah die NASA den Mond als nächstes logisches Ziel ihrer Forschungen. Viele Wissenschaftler teilten diese Meinung. Jedoch gab es auch gegenteilige Meinungen. Diese Wissenschaftler hielten den Mond für geologisch „tot“ und insgesamt weitgehend uninteressant. Die anderen Planeten unseres Sonnensystems, insbesondere Mars und Venus, versprachen eher bahnbrechende Erkenntnisse. Sie forderten, sich eher auf deren Erkundung zu konzentrieren. Und auch Politiker tendierten eher zu dieser Ansicht. Jedoch vor allem vor dem Hintergrund, daß die Propagandaschlacht um den Mond scheinbar bereits von der Sowjetunion gewonnen war. Ein Erfolg, der die sowjetischen Erstleistungen deutlich in den Schatten stellte, sollte her (diese Logik begründete später auch das bemannte Apollo-Mondprogramm und hatte in der Tat das gewünschte Ergebnis). Zu den vehementen Befürwortern dieser Strategie zählten auch die Ingenieure und Wissenschaftler des Jet Propulsion Laboratory. Dort hatte man seit den 1930er Jahren an Jet– und Raketenantrieben für die US Army geforscht. Bereits vor der Angliederung an die NASA zum 03.12.1958 begann man dort mit strategischen Überlegungen zur Erforschung unseres Sonnensystems unter Verwendung von Raumsonden. Eines der studierten Projekte sah den Start einer 158 kg Marssonde vor, wobei als Trägerrakete eine noch zu entwickelnde dreistufige Flüssigkeitsrakete auf Basis der US Army IRBM Jupiter vorgesehen war. Bei der ABMA trug der Raketenentwurf den Namen Juno IV. Ende Oktober 1958 erhielt das JPL von NASA Office of Space Flight Development Direktor Abraham Silverstein auch offiziell eine Aufforderung zur Erstellung einer entsprechenden Studie. Einen Monat später lag ein erster Rohentwurf für einen 5-Jahresplan vor. Bis zum 30.04.1959 war daraus unter dem Titel „Exploration of the Moon, Planets, and Interplanetary Space“ eine detaillierte Studie geworden, die konkret verschiedene Typen von Missionen zu Mars und Venus beschrieb. Die Zeit zwischen den planetaren Startfenstern sollte mit Missionen zum Mond „gefüllt“ werden, bei denen auch Erfahrungen für die anspruchsvolleren planetaren Unternehmen gesammelt werden konnten. Ergänzend sah die Studie eine systematische Erkundung der Explorationsziele mit terrestrischen Mitteln vor. Auch heute noch überrascht das klare Konzept dieses nur gut 120 Seiten langen Papiers. Rückblickend kann man lediglich kritisieren, daß es hinsichtlich des Zeitplans und der technischen Möglichkeiten der späten 1950er und frühen 1960er Jahre überoptimistische Annahmen machte. Doch das galt auch für andere Projekte jener Zeit, die erst nach einer heute unvorstellbaren Zahl von Fehlschlägen, wenn überhaupt, zum Erfolg führten. Viele der Missionen aus dem JPL Report wurden jedenfalls erst Jahrzehnte später realisiert (z.B. die Out-of-Ecliptic Mission „Ulysses“). Ihr Erfolg bestätigte aber indirekt die ausgezeichnete konzeptionelle Arbeit der Studie.
Einer der Schwachpunkte der Überlegungen des JPL war der Mangel an einer geeigneten Trägerrakete. 1958 hatte man noch an eine neue Rakete auf Basis der Titan ICBM gedacht, neben der schon erwähnten Juno IV. Auch die neuen Planungen basierten auf zwei noch gar nicht existierenden Trägerraketen. Die verfügbaren Thor-Able und Atlas-Able Modelle hatten sich bereits als unzuverlässig und kaum für eine Mondmission leistungsfähig genug erwiesen. Für interplanetare Missionen bedurfte es nach Meinung der Planer wenigstens der zwei– bis dreistufigen Atlas-Vega. Für einige Missionen sollte auch die neue „Superrakete“ Saturn I genutzt werden, deren Design auf den Juno Studien aufbaute. Beide Raketen waren Bestandteil des nationalen Raketenentwicklungsprogramms. An der Atlas-Vega hatte das JPL entscheidenden Anteil. Die namensgebende dritte Stufe sollte in house entwickelt werden. Ursprünglich sollten vom JPL sowohl ein „45k“ Triebwerk als auch ein „6k“ Triebwerk (die Angaben beziehen sich auf die projektierten 45.000 bzw. 6.000 lb Schub) als Oberstufen für die Juno IV entwickelt werden. Als Übergangslösung war geplant, die Juno IV Zweitstufe, zunächst mit einem 33.000 lb Triebwerk GE 405 H, einer Modifikation des Vanguard Erststufenantriebs X-405 auszurüsten. Diese Kombination wurde nun auf die Atlas als Grundstufe transferiert. Am 30.01.1959 erhielt das JPL offiziell den mit 2 Mio. $ dotierten Entwicklungsauftrag für die Vega Oberstufe. Und am 17.03.1959 fand der erste heiße Triebwerkstest statt. Die ersten aufgenommenen Leistungskennwerte bestätigten dabei die Berechnungen. Am 24.03.1959 ging der 5 Mio. $ Auftrag zur Entwicklung des Zweitstufenantriebs an General Electric. Die Anpassungen gegenüber dem X-405 der Vanguard betrafen vor allem die Startfähigkeit im Vakuum und die Wiederstartfähigkeit. Mit dem Bau der Stufe selbst wurde am 18.03.1959 General Dynamics/Convair beauftragt. Für Mitte 1960 erhoffte man die Einsatzbereitschaft der ersten kompletten Atlas-Vega. Zunächst fünf Missionen waren bis Herbst 1962 geplant. Dann sollte auch die Advanced Vega verfügbar sein mit der kryogenen Centaur als Zweitstufe. Gefolgt von einer dreistufigen Saturn. Mit diesen Raketen waren folgende Missionen geplant:
- August 1960: Mond-Vorbeiflug als Testmission
- Oktober 1960: Mission in das Mars Umfeld
- Januar 1961: Mission in das Venus Umfeld
- Juni 1961: hart „landende“ Mondsonde
- September 1961: Mond Orbiter
- August 1962: Venus Orbiter
- August 1962: Venus Atmosphären-Eintauchsonde/Lander
- November 1962: Mars Orbiter
- November 1962: Mars Atmosphären-Eintauchsonde/Lander
- Februar 1963: Mondorbit mit Rückkehr zur Erde zur Vorbereitung einer vergleichbaren Venus Mission
- Juni 1963: weiche Mondlandung, evtl. in Kombination mit Mond-Rover
- März 1964: weiche Venuslandung, evtl. in Kombination mit Venus-Rover und Relaissatellit
Während die Experten beim JPL noch an ihrer Studie arbeiteten, änderten sich im NASA Hauptquartier die Prioritäten. Einge namhafte Astrophysiker überzeugten Homer E. Newell, den stellvertretenden NASA Wissenschaftsdirektor davon, daß der Mond wertvolle Informationen zur Frühgeschichte des Sonnensystems liefern konnte. Dazu kam der Druck durch die anhaltenden sowjetischen Raumfahrterfolge. Nach mehreren Krisensitzungen im Februar 1959 wurden Ende Mai 1959 zunächst zwei der bisher für das JPL Programm vorgesehenen Atlas-Vega Raketen abgezogen. Sie sollten nun dem Start von Mondorbitern dienen. Gleichzeitig wurde bei der NASA mit der Ausarbeitung eines eigenen dedizierten Mondprogramms begonnen, das schon bald zum Konzept der Ranger Mondaufprall-Sonden führte. Zwei Monate später wurden auch die verbliebenen Mars– und Venusmissionen zugunsten des Mondprogramms gestrichen. Ebenfalls im Juli 1959 informierte NASA Administrator T. Keith Glennan auch offiziell die Berater des US Präsidenten über die neue Ausrichtung des NASA Programms, wobei er auf die Bedeutung kurzfristig zu erzielender Erfolge für die nationale Sicherheit verwies. Anfang Dezember 1959 wurde das kurzlebige Atlas-Vega Entwicklungsprogramm, in das bereits über 18 Mio. $ geflossen waren, eingestellt. Das JPL erhielt zudem die Anweisung, vorläufig alle Arbeiten an der für Januar 1961 geplanten Venus Mission einzustellen. Einer der Gründe für diese Entscheidung war die Erkenntnis, daß die USAF (ebenfalls im Januar 1959) die Entwicklung einer neuen Oberstufe für die Atlas-Rakete in Auftrag gegeben hatte. Im Frühsommer 1959 wurde die NASA von dem Programm in Kenntnis gesetzt. Wie die Vega-Oberstufe war auch die Agena-B wiederstartfähig und ihre Entwicklung bereits relativ weit fortgeschritten. Der Rechnungshof kritisierte die unsinnige Parallelentwicklung, Steuergeldverschwendung und weitere Planungsmängel. Denn obwohl der erste Start der Atlas-Vega für August 1960 geplant gewesen war, hatte es die NASA nicht für nötig befunden, den Bau eines geeigneten Startkomplexes ins Budget aufzunehmen. Für erdnahe Bahnen waren die Leistungscharakteristika der Atlas-Vega zudem etwas schlechter, während sie der Atlas Agena-A überlegen gewesen wäre. Dank ihrer dritten Stufe eignete sie sich allerdings besser für das Sondenprogramm. Doch Lockheed als Hersteller der Agena argumentierte, das das fortschrittliche Inertiallenksystem seiner Stufe ein Kurskorrekturmanöver auf dem Weg zum Mond gänzlich unnötig machen würde. Somit ließe sich effektiv eine ähnliche Nutzlast wie mit der Atlas-Vega zum Mond befördern. Tatsächlich sollte die zu geringe Nutzlastkapazität der Atlas-Agena aber die Missionsplaner in den 1960er Jahren noch vor große Herausforderungen stellen. Das unrühmliche Ende des Vega Programms trug viel dazu bei, das Projekt in Vergessenheit geraten zu lassen. Zumal sich das JPL nach dem Ende des Programms ganz der Entwicklung von Raumsonden widmete und an Strategien für die interplanetare Erkundung arbeitete. Bei Convair, dem Hersteller der Atlas Rakete und mit der Entwicklung der kryogenen Centaur Oberstrufe betraut, hatte die Vorstellung, an einem weiteren Oberstufenprojekt beteiligt zu sein, ohnehin wenig Begeisterung ausgelöst. Rückblickend wird seither das Vega Projekt vielfach so bewertet, daß es Ressourcen vom wichtigeren Centaur Projekt abgezogen hatte. Dabei war seinerzeit eine Begründung für den Vega Entwurf gewesen, daß man mit dem technologisch anspruchsloseren Projekt die Zeit bis zur Verfügbarkeit der Centaur überbrücken und die Nutzlastkapazitäten nach unten abrunden wollte.
Auch wenn die Träume des Jahres 1959 so nicht umgesetzt wurden, fanden sich viele der Ideen doch schon bald darauf in anderen Projekten wieder. Das lag natürlich auch daran, daß dem JPL eine zentrale Rolle bei der Planung der Erkundung anderer Planeten und des Erdmondes zufiel. So basierte der Entwurf der Ranger Mondaufprall-Sonden direkt auf einem Vega Design, das zunächst nur notdürftig an die Agena-Oberstufe angepaßt worden war. Und die ersten Mariner Sonden zum Mars und zur Venus leiteten sich wiederum von den Ranger ab. Der systematische Ansatz bei der Erkundung der Nachbarplaneten der Erde ähnelte dem der „Exploration of the Moon, Planets, and Interplanetary Space“ Studie. Und auch die wissenschaftliche Ausrüstung war damals schon sehr zutreffend beschrieben worden. Einige Ideen wurden allerdings bis heute nicht verwirklicht. So z.B. der Venus-Rover. In diesem Fall lag das allerdings daran, daß andere Missionen die Unmöglichkeit eines solchen Unternehmens unter den auf der Venus Oberfläche herrschenden Bedingungen nachgewiesen hatten. Indirekt ein Erfolg des systematischen Ansatzes, der auch auf die JPL Vorschläge zurückging.
Auch wenn die Träume des Jahres 1959 so nicht umgesetzt wurden, fanden sich viele der Ideen doch schon bald darauf in anderen Projekten wieder. Das lag natürlich auch daran, daß dem JPL eine zentrale Rolle bei der Planung der Erkundung anderer Planeten und des Erdmondes zufiel. So basierte der Entwurf der Ranger Mondaufprall-Sonden direkt auf einem Vega Design, das zunächst nur notdürftig an die Agena-Oberstufe angepaßt worden war. Und die ersten Mariner Sonden zum Mars und zur Venus leiteten sich wiederum von den Ranger ab. Der systematische Ansatz bei der Erkundung der Nachbarplaneten der Erde ähnelte dem der „Exploration of the Moon, Planets, and Interplanetary Space“ Studie. Und auch die wissenschaftliche Ausrüstung war damals schon sehr zutreffend beschrieben worden. Einige Ideen wurden allerdings bis heute nicht verwirklicht. So z.B. der Venus-Rover. In diesem Fall lag das allerdings daran, daß andere Missionen die Unmöglichkeit eines solchen Unternehmens unter den auf der Venus Oberfläche herrschenden Bedingungen nachgewiesen hatten. Indirekt ein Erfolg des systematischen Ansatzes, der auch auf die JPL Vorschläge zurückging.