Zu Beginn des bemannten Mercury Programms der NASA standen die Ingenieure vor einer Vielzahl von Entscheidungen, mit denen sie Neuland betreten würden. Zwar war man in den 1950er Jahren auch in der Fliegerei noch bereit, weitaus größere Risiken einzugehen, als das heute der Fall ist. Doch standen den Militärpiloten inzwischen leistungsfähige Rettungssysteme zur Verfügung, die auch unter extremen Bedingungen gute Überlebenschancen boten. Für den weitaus gefährlicheren Flug an der Spitze einer Rakete mußte man den Testpiloten wenigstens eine realistische Option auf Überleben bieten, sollte es zu einer gravierenden Fehlfunktion kommen. Verschiedene Konzepte wurden von der Space Task Group (STG) untersucht. Schließlich setzte sich die Idee der „Traktorrakete“ durch. Sie stammte von Maxime A. Faget, der bereits das Design der Mercury Kapsel an sich einschließlich der „Survival Couch“ entscheidend bestimmt hatte. Nun also hatte er eine offene Gitterkonstruktion („Escape Tower“) entworfen, die beim Start an der Spitze der Rakete auf der Kapsel saß. Sie nahm ein zentrales Raketentriebwerk auf, das im Notfall die Kapsel in Sekundenbruchteilen von der Rakete wegbeschleunigen sollte. Vier kleinere Feststofftriebwerke übernahmen die Trennung des Towers von der Kapsel und sorgten für einen sicheren Abstand, bevor der Pilotschirm der Kapsel zur Stabilisierung ausgeworfen wurde. Der weitere Abstieg entsprach dann weitgehend dem nach einem Routineflug. Ende 1959 reichte Faget sein ab Sommer 1958 konzipiertes Aerial Capsule Emergency Separation Device zum Patent ein. Was auf dem Papier überzeugte, bedurfte allerdings noch einer praktischen Verifikation unter realistischen Bedingungen. Und das war nur eines der zahlreichen Designelemente von Mercury, die damals nur bei Testflügen auf ihre Einsatzfähigkeit geprüft werden konnten. So hatte man zwar verschiedene Varianten des grundsätzlichen Mercury Kapseldesigns im Windkanal getestet. Und sich schließlich für eine von ihnen entschieden, auf deren Basis am 12.01.1959 die McDonnell Aircraft Corporation den Auftrag zum Bau eines Dutzend Kapseln erhielt. Endgültige Klarheit über die Flugstabilität des Designs erwartete man aber erst von den ersten atmosphärischen Testflügen. Für das Erprobungsprogramm setzte man auf einen ganzen Zoo von Raketen. Zunächst wurden am 16.01.1959 bei der Chrysler Corporation acht Redstone Raketen in einer Modifikation für bemannte Flüge geordert. Bereits im Dezember 1959 sollte die unbemannte Erprobung von Rakete und Kapsel aufgenommen werden. Parallel dazu wurden bei der ABMA (Army Ballistic Missile Agency) zwei Jupiter IRBMs bestellt[1], die für ein spezielles Testprogramm modifiziert werden sollten. Denn die Mercury Kapsel in ihrer Ausführung für orbitale Flüge war mit einem ablativen Hitzeschild ausgestattet. Das war damals eine brandneue Entwicklung, die noch in der Erprobung für Nuklearsprengköpfe stand. Insbesondere die schiere Größe bereitete den Ingenieuren bei den Mercury Kapseln Sorgen. Im Gegensatz zur Redstone konnte die Jupiter eine Mercury Kapsel auf eine (ballistische) Bahn befördern, die einem Wiedereintritt mit immerhin 4,9 kms–1 entsprach, womit man nach Meinung der Ingenieure nahe genug an die 7,8 kms–1 einer realen Orbitalmission kam. Und schließlich waren natürlich auch Flüge mit der Atlas-D geplant, die einmal den ersten US Astronauten in den Orbit befördern sollte. Die erste operative Version der Atlas Interkontinentalrakete hatte allerdings noch nicht einmal ihren Jungfernflug absolviert, als die NASA (mangels Alternativen) ihre Wahl traf. Und natürlich hatte zunächst das militärische Erprobungsprogramm Priorität. Und so konnte sich die NASA zunächst nur ein einzelnes Exemplar des Atlas-C Entwicklungsmusters sichern, mit dem man einen weiteren Test des ablativen Hitzeschildes plante.
Während alle diese Tests auf mehr oder weniger existenten Raketenmodellen basierten, hatte die STG schon sehr früh erkannt, daß das geplante Erprobungsprogramm mit ihnen nicht zu verwirklichen war. Einerseits würden die Raketen erst zu spät verfügbar sein. Andererseits verboten die hohen Kosten ein so umfangreiches Testprogramm, wie es die Ingenieure aus guten Gründen wünschten. Schon im Sommer 1958 entwarf die STG daher die Grundzüge einer kostengünstigen Feststoffrakete, die eine Vielzahl unterschiedlicher Flugprofile in der unteren Atmosphäre bedienen konnte. Faget hatte sogar vorgeschlagen, bemannte ballistische Flüge mit dieser Rakete zu unternehmen. Sieben gebündelte Sergeant Raketen von der Thiokol Chemical Corporation sollten für das Unternehmen mit dem Codenamen „High Ride“ zum Einsatz kommen. Am 21.10.1958 informierte die NASA potentielle Bieter über die Anforderungen an die Little Joe Experimentalrakete. Bemannte Flüge waren gestrichen, die Gipfelhöhe von 240 auf 160 km reduziert. Am 29.12.1958 erhielt North American Aviation den Auftrag zur Lieferung der Raketenstrukturen für die Little Joe. Ab Juni 1959 wurde alle drei Wochen die Auslieferung einer Rakete (ohne Triebwerke) gefordert. Die Feststofftreibsätze hatte die NASA bereits früher bestellt. Denn das war eine der originellen Ideen des Little Joe Designs: die Raketenzelle verfügte über vier zylindrische Aufnahmen, in die modifizierte Sergeant Raketenmotoren eingesetzt werden konnten. Ende 1958 hatte Thiokol nämlich die Entwicklung eines verbesserten Sergeant Treibsatzes angekündigt, der auf einem neuen Polymerbinder basierte und wesentlich bessere Leistungscharakteristika versprach. Allerdings fürchtete man bei der NASA, daß das neue Triebwerk (das auch die Grundlage der vierstufigen Feststoffrakete Scout bildete) nicht rechtzeitig verfügbar sein würde. Daher konnten entweder das neue Thiokol Castor (XM-33E2) oder das noch mit dem alten Treibstoff befüllte Thiokol Pollux (XM-33E4) Triebwerk eingesetzt werden. Dazu kamen vier extern montierte Thiokol Recruit (XM-19E1-C12) Triebwerke. Möglich waren unterschiedliche Kombinationen der Triebwerke, die zudem auch noch sequentiell gezündet werden konnten, was quasi eine zweistufige Rakete (ohne Stufentrennung) ergab.
Tatsächlich lieferte die NAA Missile Division am 28.05.1959 die ersten beiden hauptsächlich aus 2,5 mm (0,1 inch) Aluminium gefertigten und mit großen Finnen am Heck versehenen Raketenzellen an die NASA aus und informierte diese, daß auch die Fertigung der verbleibenden vier zeitlich im Plan lag. Das erste Exemplar wurde im August 1959 auf der Wallops Station zum Start vorbereitet. Am 21.08.1959 liefen die letzten Vorbereitungen zum Start einer instrumentierten Mercury Boiler Plate Kapsel zur LJ-1 Mission. Geplant war eine erste Erprobung des „Escape Tower“ unter Bedingungen maximaler aerodynamischer Belastung. Glücklicherweise waren die Arbeiten praktisch abgeschlossen, als ohne Vorwarnung das Feststofftriebwerk des Rettungsraketensystems zündete. Die weiteren Abläufe folgten dem vorprogrammierten Schema. Von der Grand Central Rocket Company 1-KS-52000 Traktorrakete wurde die Kapsel bis auf etwa 600 m Höhe (2.000 ft.) geschleppt, wo sich die Halteklammern lösten und Kapsel freigaben, während die Atlantic Research Corporation 1.4-KS-785 Hilfstriebwerke den Fluchtturm aus dem Umfeld der Kapsel brachten. Nach einer definierten Zeitspanne wurde der Pilotschirm ausgestoßen, der helfen sollte, die Kapsel zu stabilisieren. Der Hauptschirm sollte folgen. Doch dazu kam es nicht. Vermutlich weil die Batterien noch nicht vollständig geladen gewesen waren, konnte der Ausstoßmechanismus für den Hauptschirm nicht aktiviert werden. Die Kapsel schlug in Strandnähe kaum ungebremst auf dem Meer auf. Alles war vorbei, bevor die verdutzten Techniker überhaupt realisierten, was da gerade vor ihren Augen abgelaufen war. Die Untersuchung des Zwischenfalls ergab später, daß Kriechströme wohl die Zündung des Triebwerks ausgelöst hatten. Ein gefürchtetes Problem, dem man nun noch mehr Aufmerksamkeit als gewöhnlich widmete. Die beschädigte Kapsel konnte zwar auch geborgen werden, trug aber mangels Instrumentierung kaum zur Klärung des Zwischenfalls bei.
Der wenige Sekunden dauernde Flug der Mercury Kapsel war allerdings nicht der erste gewesen. Denn wie erwähnt waren viele Fragen zur Gestaltung des Rettungsraketensystems noch offen, als die grundsätzliche Entscheidung für dessen Einsatz getroffen wurde. Auch Tests im Windkanal des Arnold Engineering Development Center in Tullahoma, Tennessee hatten daran nicht viel geändert. Am 11.03.1959 flog daher erstmals eine Mercury Kapsel Attrappe in Originalgröße vom Strand von Wallops Island. Die für den Einsatz modifizierte Thiokol Recruit Rakete entsprach ebensowenig wie der Fluchtturm dem endgültigen Design. Und auch die Kapsel entsprach in ihrer Form noch dem C Design, das so nicht in Serie ging. Die Kapsel stieg, gezogen von der Rakete, zunächst scheinbar stabil auf, nur um sich unmittelbar darauf dreimal kopfüber zu überschlagen und ins Meer zu stürzen. Die Unfalluntersuchung lieferte zwei plausible Theorien. Entweder war die Graphiteinlage in einer der drei Triebwerksdüsen gebrochen, was zu einem asymmetrischen Schub geführt hätte. Oder der 15° Winkel der Triebwerksdüsen zur Längsachse der Rakete war der entscheidende Faktor. Jedenfalls wurde der „Hals“ der Entspannungsdüsen überarbeitet. Das zweite Problem adressierte man mit einer Serie von Tests mit Raketen im 1:3 Maßstab zwischen dem 13. und 15.04.1959. Beim U-1 Test wählte man einen 10° Winkel. Ebenso wie beim U-2 Test mit 15° verlief der Flug sehr instabil. Nicht besser war das Ergebnis beim U-3 Test mit 20° am 14.04.1959. Die beiden abschließenden Tests U-4 und U-5 bei 25° bzw. 30° Auslenkung am 15.04.1959 verliefen dagegen sehr zufriedenstellend. Beim Serientriebwerk von Grand Central entschied man sich auf Grundlage dieser Daten schließlich für einen Winkel von 19°. Noch vor den letzten submaßstäblichen Tests startete am 14.04.1959 die nächste Kapsel in Originalgröße. Diesmal verlief die Erprobung sehr erfolgreich. Der Grand Central Raketenmotor stand zwar noch immer nicht zur Verfügung. Doch hatte man das Recruit Triebwerk so weit es ging an dessen Werte heran gebracht (154 kN Schub für 1,5 s statt 231 kN für knapp 1 s). Den Schubvektor hatte man diesmal bewußt etwas aus der Längsachse gelegt, um näher an den realen Flugbedingungen zu sein. Zwar überschlug sich auch diese Kapsel einmal, bevor der Fluchtturm abgetrennt wurde. Doch die Landung am Fallschirm gelang sicher. Ein Hubschrauber barg die Kapsel, ein Boot den Hauptschirm. Der nächste „beach abort“ Test fand am 22.07.1959 statt. Zwar handelte es sich bei der geflogenen Kapsel wieder um eine Boiler Plate Stahlkonstruktion. Doch war diese an das D Design angelehnt und entsprach in vielen Details bereits dem Serienmodell, wie es gerade bei McDonnell in St. Louis gefertigt wurde. Erstmals konnte auch ein Fluchtturm aus der frühen Serienproduktion einschließlich des Grand Central Rocket Triebwerks getestet werden. Das Unternehmen verlief in allen Phasen sehr zufriedenstellend. Zwar wurde wieder ein Überschlag der Kapsel registriert und erst nach der Entfaltung des serienmäßigen 19 m (63 ft.) Hauptschirms der Goodyear Aircraft Corporation stabilisierte sich die Kapsel wirklich. Lediglich die Lautstärkemessungen im Inneren der Kapsel gabe Anlaß zur Besorgnis. Hier mußte klar nachgebessert werden, um den Astronauten vor dem Lärm der Triebwerke zu schützen. Daher lag das besondere Augenmerk beim nächsten Erprobungsflug am 28.08.1959 auf Messungen des Lärmpegels und der Vibrationen in der Kapsel. Weitere Tests folgten in den nächsten Wochen und Monaten.
Im Oktober 1959 wurden die Little Joe Testflüge wieder aufgenommen. Der erste Flug war die LJ-6 Mission mit einer Rakete in der Typ IV Konfiguration. Vorgesehen war, daß zwei der vier Pollux Triebwerke gemeinsam mit den vier Recruit Boostern beim Start gezündet werden sollten. Gefolgt von den beiden anderen Pollux Triebwerken nach 24,5 s. Da die Kapsel diesmal ein nicht instrumentiertes Boiler Plate Exemplar und auch die Fluchtrakete inert war, bildete die (planmäßige) Auslösung der Selbstzerstörung per Funkkommando nach 170 s Flug den Höhepunkt dieses Tests. Tatsächlich flog die Little Joe am 04.10.1959 eine stabile Aufstiegsbahn, obwohl sich einige Ereignisse nach der Triebwerkszündung nicht planmäßig entwickelten. Unter der Hitzeeinwirkung der beiden bereits laufenden Pollux Triebwerke zündeten nämlich die beiden anderen vorzeitig nach nur 9 bzw. 18 s. Umso erstaunlicher war es, daß die Rakete ihren Aufstieg ohne Unfall vollendete. Einen Monat später, am 04.11.1959, war die NASA bereit, den im Sommer 1959 so spektakulär gescheiterten Test zu wiederholen. Entsprechend erhielt die Mission auch die Bezeichnung LJ-1 A und flog in der 12.159 kg leichten Typ III Konfiguration (zwei Pollux, vier Recruit). Ziel war es, eine maximale aerodynamische Belastung zum Zeitpunkt der Aktivierung der Rettungsrakete zu erreichen. Die Little Joe enttäuschte nicht. Doch bei Zündung des Grand Central Triebwerks kam es zu einem raren Ereignis, einem „Hangfire“. Als das Triebwerk 12,7 s nach dem Kommando tatsächlich zündete, war die Kapsel weiter auf ihrer ballistischen Bahn aufgestiegen und hatte dabei viel an Geschwindigkeit verloren. Der aerodynamische Druck („Luftwiderstand“) betrug nur noch ein Zehntel des geplanten Werts. Immerhin verliefen Abstieg, Wasserung und Bergung durch die US Navy reibungslos. Doch für den Verlust wertvoller Experimentaldaten entschädigte das nicht. Um den Fortgang der Erprobung nicht unnötig zu verzögern, fuhr man mit dem LJ-2 Höhentest fort. Am 04.12.1959 startete die Little Joe in Typ II Konfiguration von Wallops Island. Ähnlich der Typ IV Variante war wieder die gestufte Zündung der vier Haupttriebwerke vorgesehen. Statt Pollux kamen hier aber Castor Triebwerke zum Einsatz. Nach den Erfahrungen beim ersten Start hatte man die Hecksektion der Rakete überarbeitet. Damals hatte die Hitze der benachbarten Triebwerke die Polystyren Siegel der beiden „Oberstufentriebwerke“ aufgeschmolzen und deren Treibsatz vorzeitig gezündet. Nun sollten 3 mm Stahlbleche und das Aufbringen einer Silikonkautschukschicht eine Wiederholung verhindern. Die angestrebte Gipfelhöhe lag bei diesem Test bei über 100 km, doch weil sich die Windbedingungen kurz vor dem Start geändert hatten, konnten nur 85 km erreicht werden. Nach einem Flug von 11:06 min ging die Kapsel sicher am Fallschirm 312 km vor der Küste Virginias nieder. Es folgte eine Bergungsoperation, die als gute Simulation für spätere bemannte Unternehmen konnte. Denn die Kapsel verfügte bereits über alle Hilfsmittel, die auch im bemannten Mercury Programm ein rasches Auffinden erlauben sollten. Zwei SARAH (Search And Rescue And Homing) Bakensender am Hauptschirm erlaubten es, die Landeposition von P2 V „Neptune“ Seeaufklärern und Schiffen aus anzupeilen. Auch ließ man den Telemetriesender der Kapsel bewußt weiter senden. Weitere Unterstützung konnten bei Bedarf zwei mitgeführte SOFAR (Sound Fixing And Ranging) Bomben bieten (eine ausgelöst bei Aktivierung des Hauptschirms, die andere im Fall des Sinkens der Kapsel). Zwei Beutel mit fluoreszierendem Marker waren hinter dem Hitzeschild untergebracht. Sie färbten die Umgebung der Landestelle kräftig grün. Für etwa einen Tag signalisierte auch ein Blinklicht die Position. Alle dieses Maßnahmen bewährten sich im Rahmen der Bergungsoperationen, die nach 1¾ Stunde mit der Aufnahme der Kapsel durch den Zerstörer USS „Borie“ abgeschlossen waren. Den Ingenieuren hatte der Flug wertvolle Informationen u.a. zur aerodynamischen Aufheizung und Stabilität der Kapsel geliefert. Erstmals hatten zudem Mediziner der School of Aviation Medicine, die Gelegenheit erhalten, ein Versuchstier auf einem Little Joe Flug mitzugeben. Das Rhesusäffchen „Sam“ erlebte für 3:13 min Schwerelosigkeit und überstand auch die sonstigen Belastungen des Fluges unbeschadet. Der nächste Little Joe Flug fand erst am 21.01.1960 als Wiederholung des max Q Tests statt. Entsprechend trug die Mission die Bezeichnung LJ-1 B und flog erneut in der Typ III Konfiguration. Diesmal konnte ein Flugabbruch bei maximaler aerodynamischer Belastung simuliert werden. Die Kapsel mit dem Rhesusäffchen „Miss Sam“ wurde nach einem Flug von 8:35 min per Hubschrauber aus dem Atlantik geborgen. Die nächste Little Joe Mission hätte nach ursprünglichen Planungen bereits im Dezember 1959 stattfinden sollen. Aus verschiedenen Gründen verzögerte sie sich aber zunächst bis ins Jahr 1960. Vor allem konnte McDonnell die Serienkapsel für diesen Flug nicht rechtzeitig bereitstellen. Dann hatten auch noch die Vorbereitungen zur Mercury MA-1 Mission im Juli 1960 Vorrang. Der Fehlschlag dieses Testflugs — die Ursachen konnten nie zufriedenstellend geklärt werden — verzögerte das gesamte Mercury Programm weiter. Erst am 08.11.1960 hob die LJ-5 von Wallops Island ab. Die Rakete flog in der Typ III Konfiguration mit nur zwei Pollux und vier Recruit Triebwerken. Wie bei LJ-1 B sollte das Rettungsraketensystem bei max Q aktiviert werden. Doch dann zündete 16 s vorzeitig nicht nur das Grand Central Fluchttriebwerk, sondern auch die kleineren Trenntriebwerke. Unter dem vollen Schub der noch immer arbeitenden Castor Triebwerke der Little Joe konnte die Kapsel aber nicht getrennt werden. Rakete und Kapsel stürzten gemeinsam in den Atlantik. Bis zur Klärung der Ursachen für die vorzeitige Zündung der Triebwerke (und schließlich bis zur Umsetzung der resultierenden konstruktiven Änderungen) mußten die Little Joe Flüge ausgesetzt werden. Die Ursache blieb aber zunächst rätselhaft und konnte erst gefunden werden, als sich das Szenario beim nächsten Little Joe Flug wiederholte. Auch die Untersuchung der aus gut 20 m Tiefe geborgenen Trümmer führte nicht weiter. Tatsächlich fanden jetzt aber zunächst in kurzer Folge eine Reihe von suborbitalen Mercury Missionen mit Redstone und Atlas Raketen statt. Viele der noch offenen Fragen konnten gelöst werden. Offen blieb aber immer noch das Verhalten des Rettungsraketensystems unter maximaler aerodynamischer Belastung. Der max Q Test war schon zweimal gescheitert, als am 18.03.1961 die LJ-5 A Mission von Wallops Island startete. Diesmal sorgten zwei Castor und vier kleinere Recruit Raketen für die erforderliche Beschleunigung. Schon nach 20 s geriet der Ablauf der Mission durcheinander. Erneut zündete (14 s zu früh) die Fluchtrakete, ohne daß die Halteklammern zwischen Rakete und Kapsel gelöst worden wären[2]. Unter Einsatz eines Retrotriebwerks, das man als Notfalloption installiert hatte, konnte die Trennung zwar noch erreicht werden. Doch das Kommando wurde gesendet, bevor die Rakete den Gipfelpunkt ihrer Bahn erreicht hatte. Damit lag der effektive Staudruck beim 10-fachen des geplanten Werts. Entsprechend wild verlief die Trennung. Die wild taumelnde Kapsel verpaßte knapp die abstürzende Rakete. Unter der hohen Belastung brach der Fluchtturm ab und beschädigte den Antennen-Container mit den darunter verstauten Fallschirmen. Sowohl Haupt– als auch Reserverschirm wurden ausgestoßen und mußten dabei Verzögerungswerte weit jenseits der Designgrenzen überstehen. An zwei Schirmen hängend driftete die Kapsel fast 15 km aus dem erwarteten Landegebiet. Schließlich fielen die Fallschirme nach der Wasserung auch noch so unglücklich über die Kapsel, daß eine Bergung per Hubschrauber unmöglich wurde. Letztlich wurde Kapsel #14 von einem Schiff der US Navy an Bord genommen. Angesichts der Umstände war die Kapsel in einem guten Zustand. Die Fallschirme hatten der sechsfache Belastung gegenüber der berechneten standgehalten. Dafür war der Beryllium-Hitzschild trotz der um 60% niedrigeren Sinkrate beim Aufprall beschädigt worden. Strukturell hatte die Kapsel den Flug aber gut überstanden und konnte so für einen weiteren Test aufgearbeitet werden. Bei der Auswertung von Flug LJ-5 A stieß man schließlich auch auf die Ursache für die beiden fehlgeschlagenen Tests. Strukturelle Deformationen unter hoher aerodynamischer Last führten zu Fehlfunktionen im elektrischen System für die Kapsel-Trennung. Mit nur noch einer verbliebenen Little Joe Rakete mußte die NASA vor dem ersten bemannte US Raumflug unbedingt noch den fehlenden max Q Nachweis erbringen. Die ursprüngliche LJ-7 Mission wurde neu als LJ-5 B geplant. Die serienmäßige Kapsel #14 des vorangegangenen Tests war rasch aufbereitet und nach kleineren Reparaturen startklar. Die Übergangssektion zwischen Rakete und Kapsel wurden strukturell verstärkt und die Auslösekontakte überarbeitet. Tatsächlich bewährten sich diese Modifikationen am 28.04.1961. Doch hatte beim Start eines der beiden Castor Triebwerke nicht gezündet. Erst nach 5 s zündete auch dieses. Immerhin geriet die Rakete unter diesen Umständen nicht außer Kontrolle, flog aber eine deutlich zu niedrige Bahn. Andererseits stieg die aerodynamische Belastung auf annähernd den doppelten Wert. Nach 33 s wurde der Flugabbruch initiiert und ab diesem Zeitpunkt verlief alles nach Plan. Rettungs-, Brems– und Fallschirmsystem arbeiteten perfekt. Nach nur einen halben Stunde war die Kapsel per Hubschrauber geborgen.
Mit der Little Joe LJ-5 B Mission endete am 28.04.1961 das unbemannte Mercury Erprobungsprogramm. Eine Woche später unternahm Alan Shepard den ersten (ballistischen) Raumflug eines US Astronauten…
[1] der Kontrakt zur Lieferung der beiden modifizierten Jupiter IRBM wurde am 01.07.1959 wieder storniert, die Daten sollten jetzt bei Atlas Missionen gewonnen werden
[2] einige Quellen erwähnen, daß noch ein Kommando zur Nottrennung gesendet wurde, das Grand Central Triebwerk aber bereits ausgebrannt war, als sich die Halterungen lösten