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Pioneer Venus = low budget — big science

Hintergrundartikel

Pioneer Venus Multiprobe (im Hintergrund) und OrbiterDie 1970er Jahre waren für die NASA von extremen Sparzwängen gekennzeichnet. Nicht nur, daß nach dem Ende des Apollo-​Programms drastische Kürzungen stattgefunden hatten, die ein tiefgreifendes Umdenken bei vielen von den Wissenschaftlern und Ingenieuren erhofften Großprojekten erzwangen. Mit dem Space Shuttle Programm betrieb die NASA zudem eine nur notdürftig finanzierte Entwicklung, die nahezu das gesamte Budget absorbierte. Vor allem wissenschaftliche Missionen, darunter auch die planetaren Projekte, waren Leidtragende. Dennoch fielen in diese Periode einige der eindrucksvollsten planetaren bzw. interplanetaren Erkundungen. Am bekanntesten dürften die beiden Doppelmissionen Pioneer 10/11 und Voyager 1/2 sein, die erstmals faszinierende Bilder vor allem von den Riesenplaneten Jupiter und Saturn lieferten. Oder die Viking Mission am Mars. Immer etwas in ihrem Schatten stand das Pioneer-​Venus Unternehmen, was wohl vor allem daran lag, daß es diesmal keine spektakulären Bilder für die Öffentlichkeit gab. Umso begeisterter waren die Wissenschaftler von der Fülle einmaliger Meßdaten, die zu einem neuen Verständnis der Prozesse auf unserem Nachbarplaneten entscheidend beitrugen.
Zu Beginn der interplanetaren Raumfahrt Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre, standen aus naheliegenden Gründen die beiden erdnächsten Planeten Venus und Mars im Fokus des Interesses der beiden ersten Raumfahrtnationen. Sowohl die Sowjetunion als auch die NASA schickten starteten Sonden zu ihrer Erkundung. In einer sicherlich auch von Zufällen geprägten Entwicklung ergab sich im Laufe der 1960er Jahre die Situation, daß die Sowjetunion trotz wiederholter Rückschläge kontinuierliche Erfolge bei der Erkundung der Venus vorweisen konnte, während das Marsprogramm praktisch ein vollkommener Fehlschlag war. Umgekehrt verlief die Entwicklung in der US Raumfahrt. Dabei hatte die NASA bereits 1959 ihre ersten Sonde zur Venus schicken wollen. Zunächst war geplant, im Sommer zwei Pioneer Sonden mit Thor– bzw. Atlas-​Able zur Venus zu schicken: eine Vorbeiflugsonde und einen Orbiter! Dieser mehr als ambitionierte Plan basierte auf einem 5-​Jahr Plan zur Erkundung des Sonnensystems, den das Jet Propulsion Laboratory im November 1958 vorgelegt hatte. 1959 übergab das JPL der NASA die finale Fassung dieser Studie. Und tatsächlich begann man bei den Space Technology Laboratories mit dem Bau von vier neuen Sonden, von denen zwei zur Venus geschickt werden sollten. Während man beim JPL die Chancen hoch einschätzte, der Sowjetunion bei Missionen zu Mars und Venus zuvorzukommen, sah das die NASA jedoch kritischer. Die Vorbeiflugsonde war z.B. Pioneer P-2 Startvorbereitungen im Dezember 1959 offenbar ohne Kurskorrekturtriebwerk konzipiert worden. Beim damaligen Stand der Steuerungstechnik wäre es einem Wunder gleichgekommen, hätte sie auch nur den Nahbereich der Venus erreicht. Der Orbiter hingegen erhielt ein neuartiges Hydrazin-​Triebwerk für Kurskorrektur und Bremsmanöver. Dieses Design sollte sich später zwar als richtungsweisend erweisen. Damals war es aber noch vollkommen unerprobt. Und so nahm die NASA Abstand von den Plänen und schickte drei der Sonden zum Mond. Eine besonderes Schicksal hatte das vierte Exemplar. Pioneer P-​2  sollte im Dezember 1959 in Richtung Venus starten, als 36 Stunden vor dem Start Probleme mit der Bordelektronik der Nutzlast festgestellt wurden (wie sich später herausstellte, ausgelöst von einem fehlerhaften Spannungskonverter). Der Start mußte abgesetzt werden, die Nutzlast wurde erneut einer rigorosen Flugqualifikation unterzogen. Am 11.03.1960 startete sie schließlich zu der seinerzeit aufsehenerregenden Pioneer V Mission. Dreieinhalb Monate lang lieferte diese erste Tiefraumsonde Meßdaten aus dem interplanetaren Raum. 1962 mit Mariner II, 1967 mit Mariner V und 1973 mit Mariner 10  konnten immerhin im Vorbeiflug aufschlußreiche Meßwerte gewonnen werden, die Rückschlüsse auf Temperatur, Druck und Zusammensetzung der Venusatmosphäre zuließen. Zeitlich fielen diese Missionen mit erfolgreichen Unternehmen der Sowjetunion zusammen, die sich fortan darauf konzentrierte, Lander zur Venusoberfläche zu schicken. Nach Mariner V schien die Venus etwas aus dem Fokus der NASA geraten zu sein. Zwar wurden immer wieder Studien zu ihrer Erforschung angestellt, darunter auch für bemannte Missionen. Doch praktisch realisiert wurde davon nichts. Tatsächlich kämpfte eine Reihe von Wissenschaftlern aber vehement für eine neue Runde der Venuserkundung. Die Umsetzung erwies sich aber als ein sehr langfristiges Projekt. Anfang der 1970er Jahre waren beispielsweise konkrete Studien für eine Mission zur Erkundung der Venus– und Jupiteratmosphäre mittels Eintrittssonden unternommen worden. Außerdem enstanden Pläne für eine Langzeiterkundung des Planeten aus einem Orbit. Denn die komplexen atmosphärischen Verhältnisse der Venus konnten bei den kurzen Vorbeiflügen, wie sie bisher unternommen worden waren, nicht hinreichend untersucht werden. Die Studien hierfür reichten tatsächlich aber sogar bis Mitte der 1960er Jahre zurück. Als Advokat einer neuen Venus-​Mission trat beispielsweise im März 1973 Richard M. Goody von der Harvard University vor dem US Kongreßausschuß für Science and Astronautics auf, wo gerade das NASA Budget für 1974 beraten wurde. Gemeinsam mit Donald M. Hunten vom Kitt Peak National Observatory und Nelson W. Spencer vom GSFC der NASA hatte Goody seit 1967 das Venus-​Projekt vorangetrieben. 1968 erstellte die AVCO Corporation, die u.a. die Sprengköpfe für die US Interkontinentalraketen lieferte, eine Studie für eine einfache Venus-​Eintauchsonde. Die Idee beim GSFC war, diese mit einem Orbiter zu kombinieren, der aus dem Interplanetary Monitoring Platform (IMP) abgeleitet werden sollte. Intern trug das Projekt den Namen Planetary Explorer. Im Sommer 1965 waren von Wissenschaftlern Vorschläge für Experimente eingereicht worden, die im Rahmen einer solchen kombinierten Mission realisiert werden sollten. Mit Unterstützung des National Academy of Sciences‘ Space Science Board war zudem die Studie Planetary Exploration 1969 – 1975  entstanden, die, in größerem Rahmen, ebenfalls das Planetary-​Explorer Konzept unterstützte. Doch im NASA Hauptquartier gab es wenig Unterstützung für die Vorschläge. Eine Gruppe namhafter Wissenschaftler veröffentlichte 1969 die Studie A Venus Multiple-​Entry Probe Direct-​Impact Mission, die sie an bekannte Wissenschafts-​Journalisten und Publizisten versandten. Obwohl die NASA selbst noch immer zurückhaltend reagierte, führte das GSFC seine Studien fort. Das Konzept wurde derart verfeinert, daß nun statt eines modifizierten IMP Busses ein neuer Universal Bus entwickelt werden sollte, der sowohl als Träger für die Atmosphären-​Eintauchsonden wie auch als Orbiter fungieren konnte. Denn unter den untersuchten Konzepten boten sowohl die Eintauchsonden als auch der Orbiter unschlagbare Vorteile. Schlechter schnitten Vorbeiflugsonden oder eine Kombination aus Orbiter und Eintauchsonden ab. Die eine Variante lieferte zu wenig neue wissenschaftliche Daten, die andere war unnötig komplex und teuer. 1970 erschien die Studie von 21 NASA Wissenschaftlern Venus — Strategy for Exploration, die empfahl zunächst mit jeweils zwei Venus-​Multiprobe Missionen im Jahr 1975 zu beginnen, gefolgt von zwei Orbitern 1976/77. Gefolgt von möglichen Landern und atmosphärischen Ballonsonden. Ein wichtiges Anliegen der Studie war es, die Kosten auf einem für die planetare Forschung außerordentlich niedrigen Niveau zu halten, bei gleichzeitig hohem wissenschaftlichem Nutzen. Hybride Eintauchsonden/Orbiter Missionen sollten daher vermieden werden. Doch obwohl die Wissenschaftler auf die Bedeutung der Venusforschung für das Verständnis irdischer Prozesse hinwiesen, erwies sich eine Finanzierung der Pläne als unmöglich.
der Venera 7 LanderAls Ende 1971 die Landekapsel von Venera 7 im Dezember erstmals nicht nur Daten aus der Venusatmosphäre sondern sogar von der Planetenoberfläche übertragen hatte, gewann das Projekt endlich an Unterstützung. Dabei waren die Ergebnisse der sowjetischen Sonde nicht einmal besonders spektakulär gewesen. Lediglich Druck– und Temperaturdaten wurden übermittelt. Und diese bestätigten ziemlich präzise die Werte, die US Wissenschaftler schon früher aus den mit den Mariner Sonden im Vorbeiflug gewonnenen Daten extrapoliert hatten. Dennoch war das Interesse an den sowjetischen Daten weltweit so hoch, daß alle vorangegangenen Fehlschläge dahinter verblaßten. Vor diesem Hintergrund reorganisierte die NASA ihr planetares Erkundungsprogramm. Die Verantwortung wurde nun dem Ames Research Center übertragen, das über große Erfahrungen auf dem Gebiet des Hochgeschwindigkeits-​Eintritts von Flugkörpern in die Atmosphäre verfügte. So war im Rahmen des Planetary Atmosphere Experiments Test im Sommer 1971 eine Sonde mit 24.000 kmh–1  in die Atmosphäre eingetreten, wobei umfangreiche Meßdaten gewonnen werden konnten. sogenannte „Schlierenfotografie“ des PAET WiedereintrittskörpersPAET demonstrierte zudem die Möglichkeit, unter diesen extremen Bedingungen ein Atmosphärenprofil anzufertigen. Nun nahmen die Planungen konkretere Züge an. Dank der weit fortgeschrittenen Vorarbeiten kam man dabei rasch voran. Projektiert wurde der Start von zwei Venus-​Multiprobe Missionen zwischen Dezember 1976 und Januar 1977, mit der Option, das Missionprofil der zweiten Sonde aufgrund von Erkenntnisse der ersten anzupassen. Im Sommer 1978 sollte dann ein einzelner Orbiter folgen. Weitere Missionen sollten auf Basis der gewonnenen Informationen geplant werden. Anfang 1972 äußerte die European Space Research Organization ihr Interesse, sich an der Venus-​Orbiter Mission zu beteiligen. Eine gemeinsame Studiengruppe wurde ins Leben gerufen, die detaillierte Missionsplanungen ausarbeitete, Experimente auf ihre Umsetzbarkeit prüfte und allgemein die früheren Studien verfeinerte. Messerschmitt-​Bölkow-​Blohm und die British Aerospace Company trugen zur Optimierung des Bus-​Konzepts von Pioneer-​Venus bei. Noch während dieser Studien entschied das NASA Management, lediglich zwei Starts zu finanzieren: eine Multiprobe-​Sonde 1977 und einen Orbiter 1978. Auch ohne Beteiligung der ESRO, die sich schließlich gegen das Projekt ausgesprochen hatte, schritt die Entwicklung nun spürbar voran. Bis zum Sommer 1974 war die Auswahl der Instrumente abgeschlossen. Zwölf sollten auf dem Orbiter fliegen, sieben auf der großen Eintauchsonde und jeweils drei auf den kleineren Eintauchsonden. Zwei weitere waren auf dem Bus der Multiprobe-​Sonde untergebracht. 1973 gewann der Entwurf der Hughes Aircraft Company Space and Communications Group den Auftrag zum Bau der beiden Pioneer Sonden. Hughes hatte sich die Idee des einheitlichen Busses für beide Sonden zu eigen gemacht, während die TRW Systems Group auf zwei individuelle Designs gesetzt hatte.
Fallschirmtest für die Pioneer-Venus Eintrittssonden im VAB des KSCTrotz aller Bemühungen gelang es der NASA nicht, die Autorisierung für die Pioneer-​Venus Mission im Finanzjahr 1974 vom US Kongreß zu erhalten. Das Startfenster 1976⁄77 war damit außer Reichweite. Da eine langfristige Finanzierung des Programms immer unwahrscheinlicher wurde, konzipierte die NASA die Starts neu. Beide Sonden sollten nun ein gemeinsames Startfenster nutzen. Das nächste erreichbare öffnete sich 1978…
Bis dahin mußten die beiden Hauptsonden, drei kleine und eine große Eintauchsonde sowie die zugehörigen Experimente fertig entwickelt, gebaut und flugqualifiziert sein. Und das bei einem angestrebten Budget von nur 200 Mio. $ für die Mission. Trotz der langen Vorbereitungszeit ergaben sich für die Wissenschaftler und Ingenieure daraus vielfältige Herausforderungen. Nicht zuletzt die sowjetischen Erfahrungen zeugten von den Problemen, eine Eintauchsonde durch die dichte Venusatmosphäre zur Planetenoberfläche zu schicken und während des Abstiegs verläßliche Meßdaten zu übermitteln. Probleme bereitete vor allem die Entwicklung des Brems-​/Fallschirmsystems für die Eintauchsonden. Mehrere Abwurftests schlugen spektakulär fehl.

Von den Vorschlägen für die wissenschaftliche Ausrüstung wurden schließlich für den Orbiter ausgewählt:
  • der Surface Radar Mapper, ein S-​Band Radar zur Gewinnung von Höhenprofilen mit einer Genauigkeit von 150 m; das weniger als 10 kg wiegende und nur 18 Watt an elektrischer Energie erfordernde Instrument bildete die primäre Ausrüstung des Pioneer-​Venus Orbiters; es stammte vom Massachusetts Institute of Technology
  • das Orbiter Infrared Radiometer von der Oxford University sollte dagegen die IR-​Strahlung der Wolken untersuchen und damit ihre Ausdehnung und Dichte bestimmen helfen, sowie nach Vorkommen von Wasserdampf suchen; das ebenfalls auf dem Orbiter untergebrachte OIR konnte Temperaturprofile mit 0,5 K Genauigkeit bei 240 K liefern
  • spektroskopischen Analysen des UV-​Lichts, das die Wolken emittierten bzw. reflektierten, diente das Airglow Ultraviolet Spectrometer bzw. Orbiter Ultraviolet Spectrometer; das an der University of Colorado entwickelte Instrument sollte u.a. den Verbleib der einstmals auf der Venus vermuteten Wasservorkommen klären helfen
  • das Orbiter Neutral Mass Spectrometer stammte vom Goddard Space Flight Center; es sollte, ergänzend zu den Messungen der Eintauchsonden, Informationen zur Verteilung von neutralen Atomen und Molekülen in der oberen Atmosphäre liefern
  • der Solar Wind Plasma Analyzer wurde vom Ames Research Center zur wissenschaftlichen Ausrüstung des Orbiters beigesteuert; das Instrument sollte Informationen zur Interaktion des Sonnenwindes mit der Ionosphäre und oberen Atmosphäre der Venus liefern
  • die University of California steuerte ein Flux-​Gate Magnetometer zur Vermessung des sehr schwachen Venus-​Magnetfelds bei
  • TRW Systems und die University of California steuerten den Orbiter Electric Field Detector bei, der Plasmawellen und Radioemissionen des Planeten untersuchen sollte
  • die Electron Temperature Probe, ein weiteres Experiment des Goddard Space Flight Center, war für Temperaturmessungen in der Ionosphäre der Venus vorgesehen
  • sowohl auf dem Pioner-​Venus Orbiter als auch auf dem Pioneer-​Venus Multiprobe Bus flogen Ion Mass Spectrometer, mit denen die Verteilung und Konzentration positiv geladener Ionen in der Atmosphäre ermittelt werden sollte; auch dieses Instrument stammte vom GSFC
  • Potential, Konzentration, Temperatur und Geschwindigkeit geladener Teilchen ließen sich mit dem Charged-​Particle Retarding Potential Analyzer ermitteln; an der Entwicklung des Sensor waren die Lockheed Missiles and Space Company sowie das Fraunhofer Institut für Physikalische Weltraumforschung beteiligt
  • schließlich nutzten die Wissenschaftler die Gelegenheit, aus einem Venusorbit die Suche nach Gammastrahlungsausbrüchen fortzusetzen; der Orbiter Gamma Ray Burst Detector stammte vom Los Alamos Scientific Laboratory
Auch der Bus der Pioner-​Venus Multiprobe Mission trug zwei größere Instrumente:
  • das Multiprobe Bus Neutral Mass Spectrometer zur Untersuchung der oberen Schichten der Venusatmosphäre war unter Führung von Wissenschaftlern der Universität Bonn entwickelt worden
  • wie auch auf dem Pioner-​Venus Orbiter flog auf dem Multiprobe Bus ein Ion Mass Spectrometer, mit denen die Verteilung und Konzentration positiv geladener Ionen in der Atmosphäre ermittelt werden sollte; entwickelt worden war es vom GSFC
Die große Eintauchsonde erhielt eine wissenschaftliche Ausrüstung, die insgesamt sieben Instrumente umfaßte:
  • das Large Probe Neutral Mass Spectrometer sollte die Zusammensetzung der unteren Schichten der Atmosphäre (unterhalb der dichten Wolkenschichten) erforschen; die kompakte Apparatur stammte von der University of Texas
  • der Gas Chromatograph war eine Weiterentwicklung des Modells, das für die Viking Lander am NASA Ames Research Center entwickelt worden war; auch dieses Instrument erlaubte die Analyse der Zusammensetzung der Venusatmosphäre
  • mit dem Solar Flux Radiometer von der University of Arizona sollte die Intensität der Sonneneinstrahlung in den verschiedenen Atmosphärenschichten untersucht werden, was wichtig zum Verständnis des auf der Venus stattfindenden Treibhauseffekts war
  • das Large Probe Infrared Radiometer war am Ames Research Center entworfen worden, um vertikale Profile zum Niveau der IR-​Strahlung in der Atmosphäre zu erstellen
  • von der Particle Measuring Systems Inc. stammte das Large Probe Cloud Particle Size Spectrometer, ein Instrument, mit dem die Größe von Partikeln in den Wolken klassifiziert werden sollte
  • das Atmospheric Structure Experiment war eins von zwei Experimenten, die baugleich auch auf den kleinen Eintauchsonden flogen; über vier Einlässe erfaßten Sensoren Temperatur-​, Druck– und Beschleunigungswerte; auch dieses Instrument stammte vom Ames Research Center
  • ebenfalls auf allen Eintauchsonden kam ein Nephelometer, das die Dichte der Wolkenschichten und die Konzentration von Partikeln darin bestimmen sollte; die Entwicklung des Experiments lag in den Händen des Ames Research Centers und der Universität von Paris
Exklusiv auf den drei kleinen Eintauchsonden flog lediglich ein Experiment, zwei weitere waren auch auf der großen Eintauchsonde vertreten:
  • das Atmospheric Structure Experiment war eins von zwei Experimenten, die baugleich sowohl auf den kleinen Eintauchsonden als auch auf der großen Eintauchsonde flogen; über vier Einlässe erfaßten Sensoren Temperatur-​, Druck– und Beschleunigungswerte; auch dieses Instrument stammte vom Ames Research Center
  • ebenfalls auf allen Eintauchsonden kam ein Nephelometer, das die Dichte der Wolkenschichten und die Konzentration von Partikeln darin bestimmen sollte; die Entwicklung des Experiments lag in den Händen des Ames Research Centers und der Universität von Paris
  • das Small Probe Net Flux Radiometer sollte Regionen der Venus lokalisieren, die durch eine intensive Energieabgabe oder –aufnahme auffielen; hierin sahen Wissenschaftler einen wichtigen Punkt für das Verständnis der atmosphärischen Zirkulisation; das Experiment stammte von Verner E. Suomi (University of Wisconsin), der bekanntesten Autorität auf diesem Gebiet

Start der Atlas-SLV3D Centaur-D1AR mit Pioneer-Venus 1Entsprechend der Philosophie des Pioneer-​Programms, das sich der kostengünstigen Erforschung unseres Sonnensystems verschrieben hatte — und in das sich die auch als Pioneer 12 bzw. Pioneer 13 geführten Pioneer-​Venus Missionen gut einfügten — hatte man die Masse der beiden Sonden an der Nutzlastkapazität der Atlas-​SLV3D Centaur-​D1AR ausgerichtet (die ursprüngliche Idee, mit einer Delta Rakete zu starten, hatte man rasch fallen lassen müssen). Für den Start kommerzieller Nachrichtensatelliten erschien die Atlas-​Centaur den meisten Betreibern zwar inzwischen zu teuer. Für eine interplanetare Mission war sie aber eine eher günstige Option. Jedenfalls im Vergleich zu den Raketen der Titan III Familie. Gar nicht zu reden von den ursprünglichen Plänen für Missionen der Voyager Klasse auf Saturn V. Die zuverlässige Atlas-​Centaur wurde auch diesmal ihrem Ruf gerecht und beschleunigte beide Pioneer-​Venus auf Fluchtgeschwindigkeit. Obwohl die beiden Sonden im Abstand von 2½ Monaten am 20.05.1978 (Pioneer-​Venus Multiprobe) bzw. 08.08.1978 (Pioneer-​Venus Orbiter) gestartet worden waren, erreichten sie auf unterschiedlichen Bahnen (sogenannte Typ II Bahn bei PVO und Typ I bei PVM) die Venus im Abstand von nur wenigen Tagen. Abgesehen von einigen kleineren operativen Problemen verlief der interplanetare Flug nach Plan. Und er lieferte hochwillkommene wissenschaftliche Ergebnisse, als der Orbiter Gamma Ray Burst Detector insgesamt sechs Gammastrahlen-​Ausbrüche registrierte. Abgesehen von den notwendigen Kurskorrekturen bildete das Aussetzmanöver der großen Eintauchsonde den nächsten Missionshöhepunkt. Die Orientierung der Multiprobe Sonde mußte höchst präzise eingehalten werden, als am 16.11.1978 um 02:37 UTC das Kommando zur Trennung der Sonde kam. Am 20.11.1978 folgten die drei kleinen Eintauchsonden. Das Zeitfenster für das Aussetzmanöver betrug nur wenige Stunden, wollte man doch verschiedene Regionen der Venus mit den Sonden erreichen. Im letzten Augenblick mußten den Sonden zudem die finalen Zeitcodes für den weiteren Ablauf der Mission übermittelt werden. Ausstoß der Eintauchsonden von der PVM MuttersondeDa die Batteriekapazität der Sonden sehr limitiert war, konnten diese Kommandos nur über den Multiprobe-​Bus übermittelt werden. Mit der Trennung von der Muttersonde begann dann ein exakt berechneter Countdown, der die Systeme der Sonden eben rechtzeitig vor dem Eintauchen in die Venusatmosphäre hoch fuhr. Im letzten Augenblick vor der Trennung der ersten Sonde waren Zweifel aufgekommen, ob die Orientierung der Multiprobe-​Sonde für das Manöver korrekt war. Nicht vorhergesehenen solare Störungen hatten das Doppler-​Signal gestört. Eben noch rechtzeitig konnte Gewißheit geschaffen werden, den Bus tatsächlich korrekt orientiert zu haben. Das schuf Zuversicht für die drei kleinen Eintauchsonden. Diese wurden 22 Tage vor dem berechneten Eintritt in die Atmosphäre noch einer letzten Diagnose unterzogen. Zwei Tage später war der Bus für das Ausstoßen der Sonden neu orientiert. Am 20.11.1978 um 13:06 UTC wurden sie vom Bus wegkatapultiert und nahmen Kurs auf die Zielregionen. Dazu war der Bus in eine Rotation mit 48 min–1  versetzt. Auf die Millisekunde genau wurden die Halteklauen der Sonden innerhalb eines Rotationszyklus gelöst. Am 09.12.1978 um 11:27 UTC orientierte sich der Multiprobe Bus ein letzes Mal neu, um im optimalen Winkel in die Atmosphäre einzutreten. Im Zeitraum von 18:46 bis 20:56 UTC traten die vier Sonden und der Bus am 09.12.1978 in die Atmosphäre ein. Die große Eintauchsonde wurde dabei innerhalb von nur 38 s von 11,6 kms–1  auf 200 ms–1  abgebremst. Um 19:40 UTC erreichte sie die Venusoberfläche und stellte zum Bedauern der Wissenschaftler unmittelbar die Datenübertragung ein. Wenig später schlugen auch die drei kleineren Sonden auf der Venusoberfläche auf. Sie trugen aufgrund ihrer Eintrittspunkte die Bezeichnungen „Nord“, „Tag“ und „Nacht“. Während „Nord“ ebenfalls erwartungsgemäß unmittelbar nach dem Aufprall die Übertragung einstellte, sendete „Nacht“ noch für 2 s weiter und „Tag“ sogar für die absolut unerwartete Zeitspanne von 67:37 min, was allein wegen der knappen Batteriekapazität schon sensationell war. Während die Pioneer-​Venus Multiprobe Mission damit bereits beendet war, hatte die des Pioneer-​Venus Orbiter gerade erst begonnen. Pioneer Venus OrbiterEr war schon am 04.12.1978 an der Venus eingetroffen. Tags zuvor waren die letzten Bahnberechnungen angestellt und der Sequenzer für das Bremsmanöver programmiert worden. Am 04.12.1978 um 15:51 UTC trat der Orbiter in den Funkschatten hinter der Venus ein. Als die Sonde um 16:14 UTC wieder Funkkontakt mit der Erde aufnahm, ergaben die Bahnvermessungen, daß die Zündung des Bremstriebwerks um 15:58 UTC den Pioneer-​Venus Orbiter planmäßig auf eine hochelliptische Bahn um die Venus befördert hatte. Und das, wie sich zeigte, mit hoher Präzision. Statt bei 350 km lag der venusnächste Punkt bei knapp 379 km. Und die Periode war mit 23:11 h etwas zu gering ausgefallen (geplant waren exakt 24:00 h gewesen). Doch angesichts der Entfernung zur Erde war das immer noch ein ausgezeichnetes Ergebnis. Erhofft hatte man allerdings mehr. Doch das Feststofftriebwerk (auf das man aus Kostengründen beim Entwurf der Sonde ausgewichen war) hatte offenbar mehr Schub als erwartet geliefert. Für die Korrektur würde man nun mehr Treibstoff aufwenden müssen als erhofft. Doch zunächst hatte die Forschung Vorrang. Um unter allen Umständen einen minimalen wissenschaftlichen Erfolg der Mission sicherzustellen, waren gerade die ersten Venusorbits von einem intensiven Einsatz der Instrumente geprägt. Die Bahnkorrektur mußte daher bis zum 06.12.1978 warten. Das Ergebnis war nun ein Orbit mit einer etwas zu langen Umlaufzeit. Die natürliche Abbremsung brachte die Bahnparameter aber nach wenigen Umläufen in den optimalen Bereich. Bereits am 06.12.1978 trafen die ersten Bilder von der Venus auf der Erde ein. Der Pioneer-​Venus Orbiter verfügte zwar über keine Kamera, mit dem Orbiter Cloud Photopolarimeter konnten aber Punkt für Punkt Helligkeitsinformationen gesammelt werden, die letztlich zu einem Bild zusammengesetzt wurden. Auch erste Radardaten wurden übertragen. Am 09.12.1978 wandte sich die Aufmerksamkeit dann jedoch der Pioner-​Venus Multiprobe zu. Zeitschaltwerke aktivierten die Systeme der Eintauchsonden einige Minuten, bevor diese in die Venusatmosphäre eintraten. Das ermöglichte es den Bodenstationen des Deep Space Network in Canberra und Goldstone, sich auf das Trägersignal der jeweiligen Sonde einzustellen. Als die Sonden mit 42.000 kmh–1  traten die Sonden kurz darauf in die Atmosphäre ein. Das ionisierte Plasma um den Hitzeschild bewirkte für etwa 10 s eine Unterbrechung jedweder Kommunikation. Dann aber begann die Übertragung der Meßdaten. Während die Eintauchsonden über einen aerodynamischen Schild und einen Fallschirm verfügten, wurde der Pioneer-​Venus Bus, der unter einem flacheren Winkel in die Atmosphäre gesteuert worden war, erwartungsgemäß bald zerstört. Lediglich für 2 Minuten übertrug er Daten aus den oberen Atmosphärenschichten. Eine der drei kleinen Eintauchsonden erreichte dagegen nicht nur intakt die Planetenoberfläche, sie überlebte sogar den mit etwa 35 kmh–1  erfolgten Aufprall und sendete für weitere 67 min Meßdaten. Sie registrierte u.a., wie minutenlang der beim Aufprall aufgewirbelte Staub zu Boden sank. Die anderen Sonden verstummten im Momemt des Aufpralls, lieferten aber bis dahin eine Fülle von Daten hauptsächlich zu Druck, Temperatur und chemischer Zusammensetzung der Atmosphäre. Die große, Sounder Probe genannte, Eintauchsonde begann 22 min vor dem erwarteten Eintritt in die Venusatmosphäre Daten zur Erde zu senden. Eine maximale Verzögerung von 280 g wurde registriert. Zunächst wurde ein Pilotschirm ausgestoßen, gefolgt vom Hauptschirm. Sobald sich der Abstieg stabilisiert hatte, wurde in etwa 66 km Höhe auch die schützende die Aeroshell abgeworfen. 45 km über der Venusoberfläche erfolgte das Kommando zur Trennung des Fallschirms. Von hier an fiel die Sonde frei durch die Atmosphäre. Die drei kleinen Eindringsonden ähnelten konstruktiv ihrer großen Schwester. Allerdings behielten sie ihre Aeroshell bis zur Venusoberfläche und verfügten über keinen Fallschirm. PVO Radarkarte der VenusWährend die Mission der Pioneer-​Venus Multiprobe am 09.12.1978 bereits abgeschlossen war, lief die des Pioneer-​Venus Orbiters nun erst richtig an. Nach zwei Dutzend Venusumläufen mußten die Wissenschaftler aber einen schweren Rückschlag verkraften, als nämlich mit dem Radar das Hauptinstrument versagte. Wie sich zeigte, kam es nach einem Dauerbetrieb von mehr als 10 Stunden zu nicht restlos zu klärenden Ausfällen. Daraufhin wurde zunächst ein neues Missionsschema eingeführt, das längere Pausen vorsah. Später normalisierte sich der Betrieb aber auch so wieder. Hingegen kam es nach sieben Orbits zum irreversiblen Versagen des IR-​Radiometers. Zeitweise bereiteten auch andere Instrumente Probleme, was aber nicht ungewöhnlich war. Die Pioneer-​Venus Orbiter Mission teilte sich in drei Phasen. Die erste dauerte 19 Monate, während der der venusnächste Punkt bei etwa 150 km gehalten wurde, während die Apoapsis bei 66.900 km lag. Mit laufenden Triebwerkszündungen wurde diese 24-​Stunden-​Bahn bei geringen Variationen der Periapsis so beibehalten. Verlauf der Umlaufbahn des Pioneer-Venus OrbitersBei maximaler Annäherung wurde jeweils der Radar Mapper aktiviert. In der anschließenden zweiten Phase verzichtete man darauf, die Bahn aktiv zu beeinflussen, woraufhin die Periapsis allmählich bis 1986 auf etwa 2.300 km anstieg. Dann begann sie wieder zu fallen. Als im April 1991 die Bahn auf 1.000 km abgesunken war, läutete das die dritte und letzte Phase ein. Ab Sommer 1992 wurden direkte Messungen in der Ionosphäre bzw. Thermosphäre der Venus möglich. Die Radarkartierungen konnten ebenfalls wieder aufgenommen werden. Die Bahnlage versprach gute Bedigungen für die Erkundung der Südpolarregion. Als im Mai 1992 wieder eine Periapsis von etwa 150 km erreicht war, stabilisierte man die Bahn auch wieder aktiv unter Einsatz der Triebwerke. Bis der letzte Treibstoff verbraucht war und der Pioneer-​Venus Orbiter am 08.10.1992 in der Atmosphäre der Venus verglühte. Zu dieser Zeit war die Qualität der auf den Radardaten basierenden Venuskarten zwar schon überholt. Sowohl sowjetische Vega Sonden, vor allem aber die amerikanische Magellan Mission, lieferten eine höhere Auflösung als die 20 km von Pioneer-​Venus. Doch diese hatte erstmals eine umfassende Kartierung der Venusoberfläche unternommen, bei der großräumige Strukturen sichtbar wurden. Die Fülle der Daten übertraf die kühnsten Erwartungen. Denn ausgelegt gewesen war der Orbiter für eine Forschungsmission von einem siderischen Venustag entsprechend 243 irdischen Tagen! Die schließlich fast 14 Jahre dauernde Mission erlaubte auch eine Reihe unerwarteter Forschungen. So konnten mit dem Orbiter Ultraviolet Spectrometer mehrere Kometen beobachtet werden (z.B. Encke im April 1984, Giacobini-​Zinner im September 1985, Halley zwischen Dezember 1985 und März 1986). Die Daten der Pioneer-​Venus Doppelmission wurden umfassend publiziert und auch sowjetischen Forschern zur Verfügung gestellt. Die wiederum revanchierten sich mit den Daten, die ihre Venera– und Vega-​Sonden gesammelt hatten. Damit gelang es, zwischen Ende der 1970er und Mitte der 1990er Jahre ein Großteil der Geheimnisse der Venus zu lösen. Die Pioneer-​Venus low-​cost Forschungsmission hatte jedenfalls eine wissenschaftliche Ausbeute geliefert, die ihr auch heute noch einen besonderen Platz unter den zahlreichen Raumsonden Projekten sichert. Erstaunlich ist auch, daß trotz der unerwartet 14 Jahre andauernden Pioneer-​Venus Doppelmission diese nur 208 Mio. $ gekostet hatte — bei ursprünglich veranschlagten 200 Mio. $!