Bereits Anfang der 1970er Jahre diskutierten die europäische Raumfahrtorganisation ESRO (die spätere ESA) und ihr US Pendant NASA eine „out-of-ecliptic“ (OOE) Mission zur Erkundung der Sonne. Die erste praktische Anwendung von swing-by Manövern zur Kursänderung einer Raumsonde bei Pioneer 10 und Pioneer 11 eröffnete den Wissenschaftlern die Möglichkeit, eine 1959 erstmals veröffentlichte Idee umzusetzen, nämlich ein Raumfahrzeug auf eine Bahn über die Pole der Sonne zu schicken. Alle Planeten unseres Sonnensystems umkreisen das Zentralgestirn auf Bahnen innerhalb einer Ebene. Um ein Raumfahrzeug aus dieser Ekliptik ausbrechen zu lassen, bedarf es einer gewaltigen Energie. Mit einer konventionellen Rakete ist eine solche Mission daher praktisch nicht realisierbar. Nutzt man jedoch die Schwerkraft der Planeten, kann eine Sonde schließlich genug Schwung holen, um aus der Planetenebene ausgelenkt zu werden. Die in den 1970er Jahren erörterte Mission sah den Start von zwei Sonden vor, die gemeinsam zunächst zum Jupiter fliegen sollten, um dort auf getrennten Bahnen Schwung zu holen und Kurs auf die Sonne zu nehmen. Dabei sollte eine ihren Anflug auf die Sonne über den Südpol beginnen, während die andere von Norden anflog. Ziel war eine erste umfassende Beobachtung der Heliosphäre. 1976 wurde die Realisierung des Projekts von ESA und NASA beschlossen, bis 1977 waren die Nutzlasten ausgewählt. Auf industrieller Seite übernahmen in Europa Dornier und in den USA TRW die Leitung. Am 29.03.1978 wurde ein MoU über die Mission unterzeichnet. Der Arbeitstitel des Unternehmens lautete nun „International Solar Polar Mission“ (ISPM). Bahnmechanisch optimal für die Mission war ein Start im Februar 1983. Als Trägerrakete wurde zunächst eine Titan-Centaur favorisiert. Doch die NASA drängte auf den Einsatz des Space Shuttle. Beide Sonden sollten mit einer vierstufigen(!) IUS (Inertial Upper Stage) in Tandemkonfiguration aus der Nutzlastbucht des Shuttle gestartet werden. Später wich man auf eine dreistufige IUS aus und mußte sich kurz darauf angesichts zunehmender Gewichtsprobleme dennoch mit zwei getrennten Shuttle Starts abfinden. Einschnitte im 1981er NASA Budget erzwangen jedoch eine Revision dieser Pläne. Die Entwicklung der NASA Sonde wurde zeitlich gestreckt, der Fertigstellungstermin verschoben. Damit verzögerte sich der Missionsbeginn auf das Jahr 1985, was aber einen energetisch ungünstigeren Bahnverlauf bewirkte. Die beiden Raumsonden wogen mit 500 kg (NASA „Nordsonde“) bzw. 400 kg (ESA „Südsonde“) vergleichsweise wenig. Dennoch bedurfte es eines extrem leistungsfähigen Antriebs für die Mission. Die Nutzlast der Sonden mußte aufgrund des späteren Starttermins um etwa 40 kg verringert werden. Während der Starttermin der beiden Shuttle Missionen im Zeitraum vom 27.03. bis 05.05.1985 feststand, galt das für die benötigte Oberstufe keineswegs. Immer neue Kombinationen wurden untersucht. Doch die Budgetkürzungen der Reagan Administration sollten noch viel schwerwiegendere Konsequenzen für das Projekt (und die europäisch-amerikanische Raumfahrtkooperation) haben. Angesichts der Mittelkürzungen sah sich die NASA der Situation gegenüber, entweder das Space Telescope, die Galileo Jupiter Mission oder die ISPM zu streichen. In Europa vertraute man darauf, daß sich die NASA noch nie aus einem so weit fortgeschrittenem internationalen Projekt zurückgezogen hatte. Daher war es ein Schock, als die NASA Anfang 1981 genau das verkündete. Nur Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe dieser überraschenden Entscheidung war die ESA informiert worden. Die NASA Sonde für das ISPM wurde ersatzlos gestrichen. Immerhin bot man weiterhin einen Start der verbliebenen europäischen Sonde mit dem Space Shuttle an und wollte sich an ihrer Instrumentierung beteiligen. In einem bis dahin einmaligen Vorgang überreichten die Botschafter der ESA Mitgliedsstaaten Schweiz, Schweden und Italien in Washington eine offizielle Protestnote. Schließlich hatte man bis dahin rund 100 Mio. $ in das Projekt investiert. Trotz aller Widerstände blieb es aber letztlich bei der Einstellung der NASA Beteiligung. 1982 stand das endgültig fest, als die NASA darauf verzichtete, Finanzmittel für das Projekt im Haushaltsjahr 1983 zu beantragen. Gleichzeitig setzte die NASA aber darauf, daß die ESA das Programm fortführen würde. Hier war man um Schadensbegrenzung bemüht. Zwar war die Ausstattung der beiden ISPM Sonden ähnlich, aber nicht identisch, konzipiert gewesen. Also bemühte man sich, wenigstens alle maßgeblichen europäischen Instrumente auf der verbliebenen Sonde unterzubringen. Aber auch ihre amerikanischen Kollegen hofften auf eine Mitfluggelegenheit. Frühester Starttermin war inzwischen der Mai 1986 und als Oberstufe stand die Centaur-G fest (nachdem zwischenzeitlich auch wieder die IUS mit einem noch zu wählenden „Injection Module“ diskutiert worden war). In Europa war die eigene Sonde bereits seit 1983 flugqualifiziert gewesen und mußte seither eingelagert werden. Schließlich wurde die „Challenger“ als Orbiter für den Start der Sonde nominiert, die 1984 auf Vorschlag von Prof. Bruno Bertotti von der Universität Pavia den Namen „Ulysses“ erhalten hatte. 1985 unterzog man „Ulysses“ und seine endgültige Instrumentenfracht einer Re-Zertifizierung für den Start. Anfang Januar 1986 traf die Sonde endlich in Cape Canaveral ein. Die Startvorbereitungen begannen. Doch dann kam der 28.01.1986. Die „Challenger“ startete zu ihrer Mission 51 L, in deren Anschluß sie auf den „Ulysses“ Start vorbereitet werden sollte. Was folgte, war die bis dahin größte Tragödie in der Geschichte der bemannten Raumfahrt. Nach dem Verlust der „Challenger“ wurden zunächst alle weiteren Shuttle Missionen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Sonde mußte teilweise wieder demontiert und konserviert werden. Als die Shuttle Flüge schließlich wieder aufgenommen wurden, gab es gravierende Änderungen auch für das „Ulysses“ Projekt. Die Centaur-G Prime Stufe durfte aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht mehr mit dem Shuttle eingesetzt werden. Einzige verbliebene Alternative war die IUS. Erneut mußte die „Ulysses“ Mission neu konzipiert, die Sonde an die geänderten Rahmenbedingungen angepaßt werden. Kritisch war vor allem die hohe Spinrate der PAM-S Stufe vor der Nutzlasttrennung. Doch auch diese Herausforderung konnte gemeistert werden.
Nach einer Serie von technischen Problemen startete am 06.10.1990 schließlich die Raumfähre „Discovery“ zur Mission STS-41 , deren wichtigster Punkt das Aussetzen der Sonnensonde „Ulysses“ war. Nach dem Abflug aus dem Erdorbit nahm „Ulysses“ Kurs auf den Jupiter. Als sich die letzte Stufe der IUS/PAM-S Raketenkombination von der Sonde löste, war diese mit 15,25 kms–1 oder 54.900 kmh–1 das bis dahin schnellste von Menschen geschaffene Objekt im All. Doch erste Bahnvermessungen zeigten, daß der Kurs der Sonde erheblich von dem vorausberechneten abwich. Am Jupiter würde sich die Fehldistanz auf über eine Million km belaufen. „Ulysses“ drohte, den Voyager Sonden nachzueifern und ungeplant unser Sonnensystem zu verlassen. Eine Serie von kleinen Kurskorrekturen konnte das verhindern. Dann, als der 7,5 m lange axiale Ausleger der Sonde ausgefahren wurde, begann diese „zu eiern“. Das Konzept der Sonde sah vor, daß diese eine Ausrichtgenauigkeit von 0,5° einhielt. Doch nun verschob sich ihre Rotationsachse fortlaufend um mehrere Grad. Gründliche Analysen deckten die Ursache für dieses Verhalten auf. Der Ausleger verformte sich im prallen Sonnenlicht ungleichmäßig. Daraufhin wurde ein Regime entwickelt, bei dem regelmäßige Zündungen der Hydrazin-Triebwerke die Nutation ausglichen. Und sobald sich der Kurs der Sonde relativ zur Sonne so entwickelt hatte, daß der Ausleger im Schatten der Antenne lag, hörte die Bewegung wie vorhergesagt auf. Im Februar 1992 unternahm die Sonde das entscheidende swing-by Manöver an Jupiter und wurde von dem Riesenplaneten planmäßig um rund 80° aus der Ekliptik gelenkt. Sie flog jetzt auf einer Bahn, die sie zwischen Juli und Oktober 1994 in minimal 2 AU Entfernung über den Südpol der Sonne hinweg führte. Ein Jahr später (Juni bis September 1995) war der Nordpol erreicht. Im Jahr 2000 bewegte sich „Ulysses“ wieder auf dem Südpol der Sonne zu und hatte damit ihre auf 5 Jahre veranschlagte primäre Mission erfolgreich absolviert. Zur Freude der Wissenschaftler sendete „Ulysses“ auch weiter Meßdaten und passierte 2001 zum zweiten Mal den solaren Nordpol. Und noch immer war kein Ende der Mission absehbar. NASA und ESA finanzierten erfreulicherweise trotz der hohen Kosten den Einsatz des Deep Space Network weiter, um den Empfang der Meßdaten auch weiter sicherzustellen. Doch im Januar 2008 näherte sich die Mission unaufhaltsam ihrem Ende. Aufgrund der extremen Umlaufbahn hatte man sich bereits frühzeitig entschieden, die Energieversorgung der ISPM Sonden mit Leistung ließ im Laufe der Jahre aber nach. Zum Startzeitpunkt gab der RTG 280 W an elektrischer Energie ab. Zum Zeitpunkt des nominalen Missionsendes im Dezember 2001 rechnete man noch mit 220 W. Ab 2002 hatte man die wissenschaftlichen Instrumente bereits alternierend betrieben. Das hatte allerdings die unangenehme Nebenwirkung, daß auch weniger Abwärme entstand, die man eingeplant hatte, um den Hydrazin Treibstoffvorrat über der kritischen Temperatur von 2 °C zu halten, bei der dieser gefror. Es blieb nur, alle Parameter kontinuierlich zu überwachen und gegebenenfalls Systeme kurzfristig zu aktivieren oder zu deaktivieren. Anfang 2008 war dennoch ein Punkt erreicht, an dem die Energieversorgung einen gleichzeitigen Betrieb von wissenschaftlichen Instrumenten, Heizelementen und Sender nicht mehr zuließ. Daher wurde beschlossen, den X-Band Sender zu deaktivieren und die Meßdaten nur noch bei regelmäßigen Aktivitätsphasen des Senders zu übertragen. Da „Ulysses“ im Januar 2008 erneut den Nordpol der Sonne überflog, versuchten die Wissenschaftler natürlich alles, um das Ende der Mission hinauszuzögern. Eine Maßnahme waren zunächst regelmäßige Zündungen der Hydrazintriebwerke, um das Einfrieren zu verhindern. Das ging natürlich zu Lasten der Treibstoffvorräte, was man aber hinnahm. Doch zum Entsetzen der Experten trat am 15.01.2008 ein viel gravierenderes Problem auf: der X-Band Sender ließ sich nicht wieder aktivieren. Offenbar lag ein tiefgreifendes Problem vor. Denn die S-Band Telemetrie zeigte zudem, daß sich die Energiebilanz der Sonde ebenfalls nicht wie erhofft verbessert hatte. Damit blieb nur, die letzten wissenschaftlichen Daten über das S-Band System abzurufen und darauf zu warten, daß „Ulysses“ erfror. Das Ende der Mission wurde für den 01.07.2008 erwartet. Doch nochmals verblüffte „Ulysses“ alle Experten. Für ein weiteres Jahr konnten sporadisch Meßwerte empfangen werden. Am 30.06.2009 wurden dann die letzten Kommandos an „Ulysses“ gesendet, die den Datenempfang schließlich beendeten. Eine großartige Wissenschaftsmission war nach 6.842 Tagen (18 Jahre, 8 Monate, 24 Tage) zu einem Abschluß gekommen. Und genau wie der Namensgeber Odysseus war die „Ulysses“ Sonde lange und weit gereist.
Von der breiten Öffentlichkeit blieb die „Ulysses“ Mission weitgehend unbeachtet. Das lag daran, daß die Sonde keine Kamera, keine bildgebenden Instrumente an Bord hatte. Ausschließlich Meßdaten wurden übertragen. Diese revolutionierten aus Sicht der Wissenschaftler aber das Bild der Sonne. Die wissenschaftliche Ausrüstung machte bei „Ulysses“ ganze 55 kg vom Gesamtgewicht aus. Doch waren an ihrer Konzipierung, Betreuung und Datenauswertung bis zu 200 Experten aus Europa und den USA beteiligt. Mehr als 1.500 wissenschaftliche Papiere sind bis heute auf Basis der „Ulysses“ Forschungen veröffentlicht worden. Und die Daten betrafen nicht nur die Sonne selbst. Auch im Vorbeiflug am Jupiter konnten interessante Daten gewonnen werden. Und ebenso bei zwei unerwarteten Begegnungen mit Kometen.