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Wostok 1K Raumschiff
Im Frühjahr 1960 war das „Wostok“ Programm für den bemannten Raumflug in der Sowjetunion soweit fortgeschritten, daß ein erster unbemannter Test erfolgen konnte. Angesichts des Zeitdrucks, unter dem das gesamte Programm stand, wurde auf eine ballistische Erprobung des Raumschiffs verzichtet. Stattdessen war bereits der erste Start des für die Öffentlichkeit „Korabl-​Sputnik“ getauften Raumschiffs eine Orbitalmission. Allerdings handelte es sich noch um ein nur teilweise instrumentiertes Ingenieurmodell. Es trug die technische Bezeichnung Wostok 1KP bzw. Wostok 1P, wobei das „P“ für простой (russisch für „einfach“) stand. Korabl-​Sputnik 1  (auch Korabl 1 bzw. KS-​1) verfügte über keinen Hitzeschild und kein Lebenserhaltungssystem. Statt der katapultierbaren Liege für den Kosmonauten war ein Masseäquivalent installiert. Trotz der vereinfachten Ausrüstung sollte diese Mission umfangreiche Daten für das weitere Programm liefern. Insbesondere das Orientierungssystem „Tschaika“, dessen Entwicklung und Erprobung erhebliche Probleme offenbart hatte, mußte seine Bewährungsprobe noch bestehen. Und natürlich das Retrosystem. Der Start erfolgte am 15.05.1960 mit einer Luna 8K72  Rakete von Baikonur. Planmäßig wurde die Umlaufbahn erreicht. Während der folgenden drei Tage arbeiteten die Bordsysteme zur Zufriedenheit der Bodenkontrolle. Insbesondere funktionierten auch die Solarzellenflächen an der Außenhaut der Kapsel, die später im „Wostok“ Programm allerdings nicht mehr zum Einsatz kommen sollten, wie vorgesehen. Dann kam der vorgesehene Zeitpunkt für die Zündung des TDU-​1  Bremstriebwerks. Dieses sollte das Retromanöver für die Rückkehr zur Erde einleiten, die die Kapsel mangels eines Hitzeschildes jedoch nicht überleben würde. Das Fehlen des Hitzeschildes resultierte dabei aus verschiedenen Gründen. Einerseits waren die Tests des ablativen Systems noch nicht zufriedenstellend abgeschlossen. Und andererseits sollte vermieden werden, daß die Kapsel bei einer mißglückten Landung womöglich in amerikanische Hände fiel. Daß diese Befürchtung nicht ganz unbegründet war, zeigte sich dann auch bei diesem Flug. Obwohl Telemetriedaten bereits auf das Problem hindeuteten, vertraute Sergej P. Koroljow auf die fragwürdigen Daten des Infrarot-​Sensors im „Tschaika“ Orientierungssystem statt auf den „Grif“ Sonnensensor. Aufgrund der Fehlorientierung der Kapsel erfolgte der Bremsimpuls annähernd in die entgegengesetzte Richtung und die Kapsel geriet statt auf eine Abstiegsbahn auf einen nicht vorgesehenen elliptischen Orbit. Außerdem war der Bremsimpuls mit nur 26 s viel zu kurz ausgefallen. Bei einer bemannten Mission hätten beide Fehler tödliche Konsequenzen für den Kosmonauten gehabt. Erst am 15.10.1965 verglühte die Landekapsel in der dichteren Atmosphäre.