Address:

Zwischen Ende 1959 und Anfang 1960 erließen die zuständigen Gremien der Sowjetunion eine Reihe von Dekreten, die die Ausrichtung der Raumfahrt für die nächsten drei Jahre regelten. Unter einer Vielzahl von Vorschlägen zur weiteren Erkundung des Mondes wurde das E-​6  Projekt als das prestigeträchtigste, aber eben auch technisch anspruchsvollste, zur Verwirklichung ausgewählt. Wie üblich, war der Zeitplan vollkommen unrealistisch, sah er doch eine weiche Mondlandung bis spätestens 1961 vor. Zudem wurde anderen Programmen eine höhere Priorität eingeräumt. Klar war aber auch, daß für alle neuen Raumsondenprojekte, egal ob zum Mars, zur Venus oder zum Mond, eine neue vierstufige Trägerrakete benötigt wurde. Diese wurde auf der Basis der R-​7 A (8K74) Interkontinentalrakete entwickelt. Die Drittstufe hatte man von der R-​9  (8K75) Interkontinentalrakete entlehnt. Die Viertstufe, die eine Zündung im antriebslosen Flug erlauben mußte, war eine Neuentwicklung. Zahlreiche technische Probleme bei der Entwicklung der Rakete und ihrer Nutzlasten mußten innerhalb kürzester Zeit gelöst werden. Vor allem die Block-​L Endstufe stellte die Entwickler vor gewaltige Herausforderungen. Dementsprechend schlecht sah ihre Bilanz aus, als Ende 1962 in Baikonur der erste Start einer E-​6  Sonde zum Mond vorbereitet wurde. Zumal die Molnija 8K78 Rakete für das Mondlandeprogramm einige gravierende Änderungen erhalten hatte. Das Gewicht der E-​6 Sonden hatte sich nur knapp unter 1.600 kg drücken lassen, eigentlich zuviel für die 8K78 Rakete. Daher übernahm das NII-​885  unter Nikolai A. Piljugin die Aufgabe, ein neues leichtgewichtiges Kontrollsystem für die E-​6  Sonden zu entwickeln, das zudem in der Lage war, während des Starts die Dritt– und Viertstufe zu steuern (viele westliche Autoren sehen diese Variante der 8K78 Rakete daher auch als eigenständiges Modell an, meist unter dem Namen Molnija-​L geführt). Damit gingen allerdings einige Erfahrungen verloren, die man mit dem bisherigen Steuerungssystem hatte sammeln können.
Im Dezember 1962 traf das erste flugfähige Exemplar einer E-​6 Sonde endlich in Baikonur ein. Zahlreiche neuentwickelte Lösungen sollten nun ihre Feuertaufe absolvieren. Ein weitgehend autonomes Astro-​Navigationssystem sollte die Sonde auf ihrem Weg zum Mond steuern. Für Bahnkorrekturen und das Bremsmanöver am Mond verfügte der E-​6 Entwurf über ein KTDU Triebwerk. Sobald der Höhenmesser das Erreichen der vorbestimmten Höhe signalisierte, sollte das Triebwerk abgeworfen werden und die mit aufblasbaren Gummiprotektoren versehene Landekapsel die letzten Meter im freien Fall zurücklegen. Hier sollte sich das Fernsehsystem aktivieren und wenigstens ein Panoramabild von der Mondoberflächen übertragen. Angesichts dieser Herausforderungen schätzten die Projektbeteiligten intern die Chancen auf einen Erfolg auf bestenfalls 10%.
Tatsächlich scheiterte die Mission bereits an der ersten Hürde, als einmal mehr die letzte Stufe der Molnija 8K78 Rakete versagte. Der Start am 04.01.1963 von Baikonur und der Einschuß in eine erdnahe Parkbahn waren noch nach Plan verlaufen. Doch wegen eines Kurzschlusses im Gleichspannungssystem von Block-​L konnte die Viertstufe nicht gezündet werden. Wie sich zeigte, waren die Kontakte eines elektromechanischen Wechselrichters in der trockenen reinen Stickstoffatmosphäre der in sich geschlossenen Elektronikabteilung schlicht soweit ausgetrocknet, daß sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen konnten. Obwohl fortan extra ein kleiner Prozentsatz Sauerstoff beigemischt wurde, blieb der PT-​500  Umformer noch zwei weitere Jahre die Quelle anhaltender Probleme und die Austrocknungstheorie umstritten. Die verhinderte Luna Sonde erhielt keine offizielle Bezeichnung, wurde jedoch inoffiziell von westlichen Beobachtern als Sputnik 25 geführt.