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Walentina Tereschkowa beim Anlegen des Raumanzugs
Walentina Tereschkowa nimmt die Wünsche von Juri Gagarin für ihren Flug entgegen
Walentina Tereschkowa meldet Generalmajor Georgi A. Tjulin ihre Startbereitschaft
Fernsehbild von Valentina Tereschkowa
von Valentina Tereschkowa angefertigte Erdaufnahme
Walentina Tereschkowa nach dem Eintreffen der Bergungsmannschaften
Zwei Tage nach Wostok 5 mit Kosmonaut Waleri Bykowski startete die Sowjetunion am 16.06.1963 um 09:30 UTC eine weitere Wostok 8K72 K Rakete. Beim Einlauf in die Erdumlaufbahn passierte Wostok 6 das Wostok 5 Raumschiff in nur 5 km Abstand. Die eigentliche Sensation war aber, daß sich an Bord mit Walentina Tereschkowa erstmals eine Frau befand. Diese Tatsache wurde natürlich propagandistisch ausgiebig gewürdigt. Erst später wurde bekannt, daß der Flug entgegen offizieller Verlautbarungen nicht gerade planmäßig verlaufen war. Dabei war der Countdown zum Start von Wostok 6 im Gegensatz zu dem von Wostok 5 zwei Tage zuvor praktisch reibungslos verlaufen. Und auch die ersten Meldungen von Tereschkowa aus dem Orbit klangen positiv. Eine halbe Stunde nach dem Start konnte sie Funkkontakt zu Bykowski herstellen. Auch ein Gespräch mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten und KPdSU Parteichef Nikita S. Chruschtschow verlief in entspannter Atmosphäre. Doch am Boden sorgte sich Sergej P. Koroljow, da es Tereschkowa nicht gelungen war, die manuelle Steuerung der Wostok zu übernehmen. Tereschkowa sprach Jahrzehnte später davon, daß die Kapsel sich stets exakt entgegen ihrer Kommandos orientiert hatte. Solange die Automatik die Wostok korrekt orientierte, war das Leben der Kosmonautin dadurch noch nicht gefährdet. Sollte sich die Kapsel vor dem Retromanöver aber nicht richtig ausrichten, hätte Tereschkowa unmittelbar eingreifen und die Handsteuerung übernehmen müssen. Ihr Leben hing nun von der Automatik ab. Unterdessen fühlte sich die Kosmonautin zunehmend unwohl. Sie empfand sowohl den Raumanzug mit dem schweren Helm als Belastung, wie sie wohl nun auch mit den Folgen der Raumkrankheit zu kämpfen hatte. Nachdem sie sich in der Kapsel erbrochen hatte, wurde der Aufenthalt zunehmend unangenehm. Nur kurzzeitig Erleichterung brachte das Herunterregeln der Kabinentemperatur. Auch wenn man im Kontrollzentrum nicht wußte, wie es um die Kosmonautin genau bestellt war, blieb die Änderung ihres Verhaltens nicht unbemerkt. Sie reagierte einsilbig auf Anfragen, versäumte es, Punkte im Flugplan abzuarbeiten, und schien vor sich hinzudämmern. Wenigstens konnte sie während ihres 45. Erorbits kurzzeitig erfolgreich die Kontrolle über ihre Wostok übernehmen und diese so orientieren, wie es für eine manuell eingeleitete Landung notwendig gewesen wäre. Bei ihren Kosmonauten-​Kollegen am Boden, die die neuen Instruktionen ausgearbeitet hatten sorgte das ebenso wie bei Koroljow für Erleichterung. Allerdings hatte sich Tereschkowa für diesen Test von ihren Sitzgurten lösen müssen, weil sie sonst nicht nahe genug an die Instrumente und Steuerlemente heran kam. Ein Umstand, den sie neben anderen nach der Landung deutlich kritisieren sollte. Als schließlich am 19.06.1963 um 09:40 UTC die Bodenstation das Kommando zur Initiierung der Landesequenz übermittelte, arbeitete die Landeautomatik jedoch ohne ernste Abweichungen. Dennoch verpaßte auch Wostok 6 die Landezone deutlich und ging am 19.06.1963 um 08:20 UTC nach 70:50 h am Fallschirm nieder — 222 km westlich von Barnaul und damit hunderte Kilometer entfernt von den Bergungsmannschaften. Dazu kam, daß von Tereschkowa keine Bestätigung für das Retromanöver gekommen war, weder per Sprech– noch per Tastfunk. Da die Landung weit außerhalb der Bereitschaftszone der Bergungsmannschaften erfolgt war, verging eine Stunde, bis zwei Fallschirmspringer, darunter eine Ärztin, bei ihr abgesetzt werden konnten. Tereschkowa war nach dem Katapultieren sicher am Fallschirm gelandet, jedoch von dem böigen Wind über ein Feld geschleift worden, bevor sie den Fallschirm unter Kontrolle bringen konnte. Als die ersten Mitglieder der Bergungsmannschaften eintrafen, war Tereschkowa längst wieder an der etwa 400 m entfernt gelandeten Kapsel, wo sie Teile ihrer Weltraumnahrung gegen frische Lebensmittel eintauschte. Sehr zum Mißfallen der eintreffenden Ärztin, war doch die Nahrungsaufnahme während des Fluges Teil des wissenschaftlich überwachten Flugprogramms. Angeblich hatte Tereschkowa nach der Landung zudem Einträge in ihrem Bordjournal nachgetragen, was dessen Aussagekraft natürlich ebenso in Frage stellte. Hinter den Kulissen wurde Tereschkowa heftig kritisiert, insbesondere Koroljow war wohl sehr enttäuscht. Dennoch wurde den beiden Kosmonauten in Moskau ein begeisterter Empfang bereit. Später gingen sie als Botschafter des sowjetischen Systems auf Welttournee. Propagandistisch hatte die Wostok 5/6 Mission damit ihr Ziel absolut erfüllt. Die negative Haltung in weiten Kreisen des sowjetischen Militärs und selbst innerhalb des Kosmonautenkorps gegenüber weiblichen Kosmonauten hatte sich jedoch nur weiter verfestigt. Und so vergingen 19 Jahre bis zum nächsten Flug einer Kosmonautin…