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Gordon Cooper beobachtet das Aufrichten „seiner“ Atlas auf LC-14
Start zur letzten Mercury Mission
Seengebiet nördlich von Kathmandu (Tibet), aufgenommen von Gordon Cooper während MA-9
Bergung der „Faith 7“ Kapsel
die „Faith 7“ Kapsel auf dem Aufzug zum Flugdeck der „Kearsarge“
Gordon Cooper beim Ausstieg aus seiner „Faith 7“ Kapsel

Nach dem Flug von Mercury MA-​8  waren eigentlich alle Ziele erreicht, die das Mercury Programm zu erfüllen gehabt hatte. Daher wurden Stimmen laut, das Programm einzustellen. Schließlich war jede bemannte Mission zu dieser Zeit noch mit einem sehr hohen Risiko verbunden und man lief mit jedem weiteren Flug Gefahr, erst recht mit einer Langzeitmission, einen Fehlstart oder kritischen Flugabbruch zu erleben. Dennoch setzten sich noch einmal jene Kräfte in der NASA und aus der Politik durch, die eine weitere, möglichst spektakuläre Mercury Mission wünschten. Und so wurden doch noch Pläne für einen Flug über 22 Orbits entworfen. Kapsel #20 wurde einem gründlichen Re-​Design unterworfen. Größere Vorräte an Wasser, Sauerstoff und Stickstoffperoxid sowie Batterien mit höherer Kapazität mußten untergebracht werden. Zur Kompensation des Massezuwachses mußten Teile des Steuerungssystems und einige redundante Transmitter sowie das Periskop ausgebaut werden. Insgesamt 183 Modifikationen wurden an der Kapsel vorgenommen. Am 14.05.1963 stand schließlich Mercury MA-​9  an der Spitze der Atlas-​130D zum Start bereit. Doch der Countdown lief nicht durch. Zunächst gab es Unregelmäßigkeiten mit einem Bahnverfolgungsradar auf Bermuda. Dann versagte das Dieselaggregat, das den Startturm wegziehen sollte. Als dieses Problem endlich nach zwei Stunden überwunden war, fiel das Bermuda Radar wieder aus. Der Countdown mußte abgebrochen werden. Doch am nächsten Tag konnte er wieder aufgenommen werden und lief ohne Probleme durch. Die Atlas-​LV3 B Mercury absolvierte am 15.05.1963 um 13:04 UTC einen perfekten Start. Alle Daten sahen erfolgversprechend aus und Gordon Cooper erhielt die Freigabe für zunächst sieben Orbits. Während des dritten Orbits begann Cooper, sich mit den elf Experimenten zu beschäftigen, die seine Mitwirkung erforderten. So entriegelte er um 16:27 UTC einen kleinen mit Xenon-​Lampen bestückten Satelliten an der Außenwand seiner „Faith 7“ Kapsel. Zunächst konnte er die 15 cm Kugel nicht ausmachen. Während des vierten, fünften und sechsten Orbits entdeckte er aber die Lichtblitze des Satelliten. Damit wurde das Experiment schließlich als sehr erfolgreich bewertet, klärte es doch eine der zahlreichen offenen Fragen zur Vorbereitung der Rendezvous-​Operationen im Gemini-​Programm. Weiter konzentrierte sich Cooper auf die ihm aufgetragenen medizinischen Untersuchungen. Während des sechsten Orbits sollte dann wieder ein gefesselter Ballon ausgestoßen werden, wie dies bereits bei Mercury MA-​7  vergeblich versucht worden war. Zu Coopers Enttäuschung reagierte der Ballon aber nicht auf das Signal zum Ausstoßen. Die Ursache konnte nie gefunden werden, da die Antennenverkleidung, in der der Ballon untergebracht war, planmäßig vor der Wasserung abgetrennt wurde und im Meer versank. Die nächsten Orbits widmete sich Cooper hauptsächlich der Arbeit mit den verschiedenen mitgeführten Kamerasystemen an Bord. Cooper war aber auch der erste US Astronaut, der während seines Raumflugs eine kurze Schlafpause einlegte. Bis zum neunzehnten Umlauf verlief die Mission ohne Anomalien. Dann zeigte eine Kontrollampe eine Erdbeschleunigung von 0,05 g an. Offensichtlich eine Fehlanzeige. Während die Flugleitung noch mögliche Auswirkungen auf das Lageregelungssystem überdachte, verlor Cooper alle Anzeigen der Lageregelungssysteme und kurz darauf nach einem Kurzschluß das gesamte automatische Stabilisationssystem. Mitten während der Vorbereitungen für das Wiedereintrittsmanöver stieg dann auch noch das Kohlendioxidniveau in Coopers Raumanzug und in der Kapsel kräftig an. Doch Cooper blieb davon unbeeindruckt. In perfekter Manier steuerte er manuell den Wiedereintritt und die Kapsel wasserte am 16.05.1963 nach einem Flug von 34:20 h in Sichtweite der Bergungsflotte. Wenig später stand Cooper erschöpft und 3 kg leichter als beim Start an Deck der USS „Kearsarge“. Da er in unmittelbarer Nähe des Flugzeugträgers gewassert war, hatte sich Cooper gegen den riskanten Ausstieg auf See entschieden und wurde per Schiffskran direkt an Bord gehievt. Physisch wie psychisch hatte er den Flug in insgesamt ausgezeichneter Verfassung überstanden. Bei der Auswertung des Fluges verblüffte Cooper die Experten zunächst mit der Schilderung von Beobachtungen einzelner Gebäude und Fahrzeuge auf der Erde. Was zunächst unglaubwürdig erschien, mußte später aber akzeptiert werden und konnte unter günstigen Bedingungen auch bei anderen Missionen nachvollzogen werden.
Nach dem erfolgreichen Verlauf der MA-​9  Mission flammten erneut Diskussionen über einen abschließenden Dreitageflug als krönendem Finale des Mercury Programms auf. Dafür hätte die Kapsel No. 15 zur Verfügung gestanden. Berechtigte Hoffnungen auf einen Einsatz machte sich Alan Shepard, Veteran aus dem suborbitalen Mercury Erprobungsprogramm. Während Virgil Grissom bereits intensiv für das Gemini Programm trainierte, hatte Shepard noch keine neue wichtige Aufgabe übertragen bekommen. Sein Vertrauen auf die Gelegenheit zu einem weiteren Mercury Raumflug war so groß, daß er die Kapsel bereits auf den Namen „Freedom 7-​II“ getauft hatte und der Schriftzug neben ihrer Einstiegsluke prangte. Doch am 12.06.1963 verkündete NASA Administrator James E. Webb, daß das Mercury Programm alle gesteckten Ziele erreicht hatte und keine weitere Mission mehr folgen würde.