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Einsetzen des Kosmonauten „Mannequins“ in Kosmos 57
Inspektion eines Woschod 3KD Raumschiffs durch S. P. Koroljow, M. W. Keldysch u.a.
Neben der aufsehenerregenden 3-​Mann-​Mission von Woschod plante Sergej P. Koroljow im Frühjahr 1964 noch ein zweites spektakuläres Unternehmen. Unter der Bezeichnung „Wychod“ (dt. svw. Ausstieg) studierte er eine 2-​Mann-​Mission mit dem Ausstieg eines Kosmonauten in den freien Weltraum. Nach den ursprünglichen Planungen sollte diese Woschod 2 Mission im November 1964 zu Ehren der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Oktoberrevolution stattfinden. Nachdem sich aber bereits der Woschod 1 Flug verzögert und auch die politische Führung im Land gewechselt hatte, verschob sich dieser Termin klar auf das Frühjahr 1965. Nur mit Mühe konnten bis dahin die Modifikationen an der Woschod Kapsel abgeschlossen werden. Da die Elektronik der ursprünglichen Wostok Kabine nie dafür ausgelegt worden war, im Vakuum zu operieren, kam eine Dekompression der gesamten Kabine nicht in Frage. Also mußte eine Luftschleuse entwickelt werden. Die Platzverhältnisse und die Nutzlastkapazität der Woschod 11A57  Rakete setzten hier aber enge Grenzen. Schließlich entstand eine geniale Konstruktion in Form einer entfaltbaren Luftschleuse, die in gefaltetem Zustand wenig Platz einnahm und noch dazu leicht war. Abgesehen von der „Wolga“ Luftschleuse und der zugehörigen Steuerung unterschied sich das Woschod 3KD Raumschiff nur wenig von der dreisitzigen Variante Woschod 3KV. Die „Elbrus“ Konturensitze mußten an Kosmonauten in Raumanzügen angepaßt werden. Das Lebenserhaltungssystem wurde zur Versorgung der Raumanzüge der Kosmonauten modifiziert. Außerdem wurde ein Not-​Lebenserhaltungssystem installiert und eine autonome Versorgungseinheit für den Kosmonauten bei seinem Ausstieg. Schließlich mußte auch der „Berkut“ Raumanzug entworfen und getestet werden. Trotz des engen Zeitrahmens wurden alle Komponenten der geplanten „Wychod“ Mission immer und immer wieder getestet. Insbesondere natürlich der Raumanzug und die Luftschleuse. Sowohl am Boden in der Vakuumkammer wie auch bei Parabelflügen in der Luft. Der entscheidende Test stand aber noch bevor. Eines von zwei modifizierten „Woschod“ Raumschiffen sollte unbemannt die Systeme erproben. Am 22.02.1965 startete schließlich die Woschod 11A57 Rakete mit Kosmos 57 vom Kosmodrom Baikonur. Während des zweiten Erdorbits wurde planmäßig die Luftschleuse ebenso wie der für den ersten Ausstieg eines Menschen in den freien Weltraum entwickelte Raumanzug entfaltet. Der Vorgang wurde von einem TV-​System an die Bodenstation auf der Krim übertragen. Bis dahin verlief die Mission reibungsloser als erwartet. Mitten in die Begeisterung hierüber platzte die Nachricht, daß Kosmos 57 explodiert war. Aus zunächst unbekannten Ursachen hatte das Bremstriebwerk des Raumschiffs gezündet. Da Kosmos 57 jedoch für den Wiedereintritt nicht korrekt ausgerichtet war, löste der Selbstzerstörungsmechanismus aus. Eine gründliche Auswertung der Telemetrie deckte die Ursache des unerklärlichen Verhaltens auf. Durch einen unglücklichen Zufall hatten zwei Bodenstationen gleichzeitig den Befehl zum Belüften der Luftschleuse gesendet. Als dieser Befehl simultan von beiden Stationen eintraf, interpretierte ihn der Dekoder von Kosmos 57 fälschlich als ganz anderen Befehl, nämlich den zum Zünden der Bremstriebwerke. Die Sprengung zerriß das Raumschiff und hinterließ 168 größere Trümmerstücke.
Damit blieben einige wichtige Fragen hinsichtlich der Funktion des „Wychod“ Raumschiffs unbeantwortet. Die Bodentests waren so unbefriedigend verlaufen, daß der KGB wegen des Verdachts der Sabotage zu ermitteln begonnen hatte. Insbesondere blieb offen, wie sich die Kapsel mit dem schweren Kopplungsring für die Luftschleuse an der Außenseite der Kapsel beim Wiedereintritt und der Fallschirmlandung verhalten würde. Daher wurden noch weitere Tests angeordnet. Doch ein zweiter unbemannter Testflug kam nicht in Frage. Denn erstens stand nach dem Verlust von Kosmos 57 keine weitere Kapsel mehr für einen Test zur Verfügung und zweitens rückte die erste EVA der Amerikaner im Rahmen des Gemini Programms immer näher. Also blieb nur, die Mission Woschod 2 entweder abzusagen oder den geplanten bemannten Flug wie vorgesehen durchzuführen. Schließlich siegte das Vertrauen in die Technik. Weitere geplante Woschod Flüge, darunter die Langzeitmission eines einzelnen Kosmonauten, Flüge von Reportern, Schriftstellern und Wissenschaftlern sowie militärische Missionen, wurden jedoch gestrichen. Vernünftigerweise sollten die beschränkten Ressourcen auf das Sojus-​Programm konzentriert werden. Viele interessante Ideen wurden derart aber nie umgesetzt.