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Armstrong (links) und Scott (rechts)
N. Armstrong (vorn) und D. Scott auf dem Weg zum Start
Start von Gemini VIII
GATV 8 gesehen aus Gemini VIII
Gemini VIII wartet auf die Bergung
Bergung der Gemini VIII Kapsel
Sekunden vor dem ersten Rendezvous

Im Frühjahr 1966 benötigte die NASA noch ein bedeutendes „First“ auf dem Weg zum bemannten Raumflug zum Mond. Die Flugdauer stellte offensichtlich kein Problem dar, zudem war der Mensch außerhalb der Raumkapsel prinzipiell überlebens– und arbeitsfähig. Auch Rendezvousmanöver stellten technisch ein lösbares Problem dar. Doch die Krönung der Anstrengungen, das erste Docking zweier Raumfahrzeuge, stand noch aus. Gemini VIII sollte dies vollbringen. Die für die Mission ausgewählten Astronauten Neil Armstrong und David Scott zählten seinerzeit zu den besttrainierten der NASA, obwohl beide Raumflugneulinge waren. Sie konnten unfreiwillig ihren Trainingsstand weiter verbessern, als der erste GATV Zielsatellit im Oktober 1965 in den Atlantik stürzte. Damit hatte die Besatzung von Gemini VI die Chance verloren, das historische Docking vorzuführen. Der nächste GATV Satellit konnte erst im März 1966 startklar sein, und so trainierten Armstrong und Scott weiter für ihren Flug, der neben dem Kopplungsmanöver eine EVA von über zwei Stunden Dauer (mehr als ein Erdorbit) vorsah. Und dies bei nur drei Tagen Gesamtflugzeit. Besonders groß war das Aufgabenpensum von Scott, der die EVA vornehmen sollte. Nach den Erfahrungen von Gemini IV war das Lebenserhaltungssystem für seine EVA verbessert worden. Ausgesattet mit dem neuen ELSS (Extravehicular Life Support System), einem vor dem Bauch zu tragenden Lebenserhaltungssystem sollte Scott die Kapsel verlassen und sich zur Gerätesektion von Gemini begeben. Hier war ein autonomes System ESP (Extravehicular Support Pack) installiert (ELSS bezog seine Ressourcen über eine Nabelschnur aus dem Schiff), das Scott zusätzlich an seinem Raumanzug installieren sollte. Das ESP verfügte über einen eigenen Sauerstoffvorrat, Freon-​14  Druckgas für die Manövrier-​Pistole und eine eigene Energieversorgung für die UHF-​Kommunikation. Scott sollte außenbords zunächst eine Kamera installieren und einige Experimente an der Außenhaut der Kapsel bzw. der angekoppelten Agena-​Stufe untersuchen. Anschließend waren Tests mit Spezialwerkzeugen geplant, die vom Pentagon für die Arbeit in der Schwerelosigkeit entwickelt worden waren. Dazu befand sich am Antriebsadapter von Gemini VIII eine ausklappbare Palette mit Schrauben, die gelöst bzw. festgezogen werden sollten. Anschließend war der Höhepunkt der EVA, der Test des ESP Systems, geplant. Während Armstrong Gemini vom GATV Satelliten abdocken würde, um eine Position 18 m entfernt einzunehmen, sollte Scott sich von der Nabelschnur des ELSS trennen und, nur mit einer Sicherheitsleine gesichert, versorgt vom ESP System, zur Agena Stufe hinübermanövrieren. Von dort zurückgekehrt, hätte er das ESP zurückgelassen und wäre an das ELSS angeschlossen, in die Kapsel zurückgekehrt. Doch zunächst mußten die Starts des Zielsatelliten und von GLV-​8  gelingen. Für beide begannen im Januar die Startvorbereitungen in Cape Canaveral. Schließlich konnte der 15.03.1966 als Starttermin festgesetzt werden. Während des Countdowns mußten eine Reihe kleinerer Probleme gelöst werden. Ein Leck in der Sauerstoffversorgung, ein defekter Wärmetauscher und schließlich ein Treibstoffleck an der Atlas Rakete des Zielsatelliten erzwangen letztlich eine Verschiebung des Starttermins um einen Tag. Am 16.03.1966 hob zunächst die Atlas-​SLV-​3 Agena-​D mit dem Zielsatelliten GATV 5003  von LC-​14  ab und nach wenigen Minuten zeigten die Daten an, daß das GATV seinen geplanten Orbit erreicht hatte. Beim ersten Überflug von Cape Canaveral wurde der Countdown für GLV-​8  mit den Bahnparametern synchronisiert und wenige Minuten später zündeten die Triebwerke. Um 16:41 UTC am 16.03.1966 hob die Titan-​II GLV mit Gemini VIII von LC-​19  in Cape Canaveral ab. Nach einem perfekten Aufstieg verlief auch die Annäherung an das GATV nahezu wie im Simulator. In 140 km Entfernung konnten erstmals die Positionslichter ausgemacht werden, in 102 km Entfernung auch die Stufe selbst. Rund sechs Stunden nach dem Start hatte sich Gemini VIII schließlich bis auf 46 m seinem Ziel genähert. Mit nur 8 cms–1  steuerte Armstrong die Kapsel weiter heran. In 60 cm Entfernung nahm er für die nächsten 30 min Warteposition ein, bis vom Boden das entscheidende „go“ für die Kopplung kam. Minuten später, am 16.03.1966 um 23:14 UTC war das historische Ereignis perfekt, beide Raumfahrzeuge waren aneinander gekoppelt, die Halteklauen eingerastet. Nun wurden verschiedene Kommandos an den Zielsatelliten übertragen, um ein erstes Bahnmanöver unter Einsatz des Agena Antriebs vorzunehmen. Dies gelang problemlos und die Crew bereitete die nächsten Manöver vor, als zunächst Scott, dann auch Armstrong eine Rollbewegung der Kapsel registrierte. Da dies allerdings im Erdschatten und außerhalb des Funkkontakts zu einer Bodenstation stattfand, waren beide Astronauten erst einmal ausschließlich auf die Anzeigen ihrer Instrumente angewiesen. Sie reagierten damit, das Kontrollsystem des Agena Satelliten abzuschalten und die Lagekontrolle vollständig auf die Gemini zu legen. Vorübergehend schien dies auch zu helfen, doch dann nahm das Rollen rasch wieder zu. Und dazu kam eine noch gefährlichere Nickbewegung der aneinandergekoppelten Raumschiffe. Es bestand ernsthaft die Gefahr, daß die Raumschiffe auseinanderbrechen würden. Immerhin gelang es den beiden Astronauten, die Bewegungen soweit zu verringern, daß eine Abkopplung von GATV möglich wurde. Mit einer heftigen Triebwerkszündung setzte sich Gemini VIII von GATV ab. Doch zum Schrecken der Astronauten begann die Kapsel jetzt erst recht zu taumeln. Gemini VIII rollte mit 360° pro Sekunde! Nahezu alle Bordsysteme fielen aus, die Crew konnte kaum noch die Instrumente ablesen und stand kurz vor der Handlungsunfähigkeit. Und noch immer hatten sie keinen Kontakt zur Flugleitung. Allein auf sich gestellt, entschieden sie, die autonomen RCS Triebwerke zur Stabilisierung einzusetzen. Ohnehin war der Treibstoffvorrat des OAMS Systems auf nur noch 30% geschrumpft. Das RCS war aber eigentlich zur Stabilisierung beim Wiedereintritt gedacht. Für lange Diskussionen blieb jedoch keine Zeit. Der Einsatz des RCS brachte glücklicherweise eine Entspannung der Situation. Gemini war wieder unter Kontrolle, als sich die Flugleitung meldete. Erstaunt registrierte man am Boden, daß Gemini und GATV sich wieder auf getrennten Bahnen bewegten. Nach einer kurzen Erörterung der Lage kam auch vom Boden die Erlaubnis zum Einsatz der RCS Triebwerke. Das OAMS System wurde elektrisch vollkommen abgeschaltet und mit den RCS Triebwerken endgültig die Rotation gestoppt. Jetzt mußte aber schnellstens eine Notlandung vorbereitet werden. Bis dahin hatten Armstrong und Scott allerdings wenigstens noch einen Orbit zu absolvieren. Sie nutzten die Zeit, um nacheinander alle OAMS Triebwerke nochmals zu überprüfen. Beim Einschalten von #8 setzte die Rotation sofort wieder ein. Das Problem war lokalisiert. Trotz aller Probleme verlief die Rückkehr zur Erde im automatischen Regime und ohne Zwischenfall. Nach einem aufregenden Flug von nur 10:41 h wasserte Gemini VIII am 17.03.1966 um 05:41 UTC im Pazifik und damit weitab von der Haupt-​Bergungsflotte. Zwei Douglas HC-​54  „Rescuemaster“ Transportmaschinen waren mit Fallschirmrettern von den Air Bases Naha und Tachikawa in Japan unterwegs zum Landegebiet. 45 min nach der Wasserung hatten die aus dem Flugzeug abgesprungenen Taucher die Kapsel gesichert und warteten bei einer 4 bis 5 m hohen Dünung mit den Astronauten auf die Ankunft des Zerstörers USS „Leonard F. Mason“, der mit Maximalgeschwindigkeit unter dem Dampf aller vier Kessel aus rund 300 km Entfernung im Anmarsch war. Nur 3:06 h nach dem Splashdown betraten Armstrong und Scott das Deck des Bergungsschiffs. Obwohl nur als sekundäre Einheit in der Pazifik Bergungsflotte vorgesehen und technisch schlechter ausgerüstet, als die großen Flugzeugträger, war die Besatzung des Zerstörers ausgezeichnet trainiert und vollzog die Bergungsoperationen mit hoher Professionalität. Bereits am nächsten Tag traf die USS „Leonard F. Mason“ mit ihren Passagieren und der Gemini-​Kapsel in Okinawa ein.
Die Öffentlichkeit reagierte erleichtert auf die glückliche Rückkehr der Astronauten. Trotz des Zwischenfalls wertete die NASA den Flug sogar als Erfolg, wenn auch für den Durchschnittsbürger ein anderer Eindruck entstanden war. Klar erkannte die NASA, daß die Mission hätte gerettet werden können, wenn jederzeit Funkkontakt zum Raumschiff bestanden hätte. Die Telemetriewerte hätten nämlich sofort angezeigt, welches der OAMS Triebwerke für die Probleme verantwortlich war. Die eigentliche Ursache des Problems konnte übrigens nie 100 %ig geklärt werden, da das defekte Triebwerk mit der Antriebssektion in der Atmosphäre verglüht war. Vermutet wurde aber ein Kurzschluß. Und so wurden einige Kabel bei Gemini IX zunächst provisorisch weiter gesichert. Für alle anderen Gemini Kapseln wurden aber konstruktive Änderungen eingeführt, die die Wiederholung eines solchen Zwischenfalls ausschließen sollten.