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Überreste von Sond 6
der Doppelkrater Wawilow aufgenommen von Sond 6
Sond 6 Aufnahme von Mond und Erde
Nachdem auch der Flug von Sond 5 nicht den erhofften Durchbruch im sowjetischen Mondflugprogramm gebracht hatte, schwanden die Chancen, den USA wenigstens mit einer bemannten Mondumrundung zuvorzukommen, immer mehr. Trotzdem fand am 10.11.1968 noch der Start eines unbemannten Sojus/Sond-​Raumschiffs statt. Bei einem erfolgreichen Missionsverlauf bestand die Aussicht auf eine Freigabe bemannter Flüge durch die zuständige staatliche Kommission. Damit hätte sich die Möglichkeit eröffnet, diesen Teil des Wettlaufs zum Mond zugunsten der Sowjetunion zu entscheiden. Immerhin sah die NASA-​Planung damals den ersten Apollo-​Flug zum Mond erst für das Frühjahr 1969 vor. Zwei Tage nach dem Start der Proton-​K 8K82 K mit Block-​D 11S824  Fluchtstufe mit Sond 6 am 10.11.1968 von Baikonur war der Wettlauf noch spannender geworden, als der NASA Administrator Thomas O. Paine bekanntgab, daß doch schon Apollo 8 zu Weihnachten 1968 den Mond umkreisen sollte. Alle Hoffnungen der sowjetischen Experten ruhten somit auf Sond 6. Zunächst verlief der Flug scheinbar auch ohne ernste Probleme. Aus einer sehr erdnahen Parkbahn beschleunigte die Block-​D Beschleunigungsstufe mit dem Raumschiff am 11.11.1968 um 02:18 UTC auf Fluchtgeschwindigkeit. Zwar hatte sich ein Ausleger mit einem der Stellar-​Sensoren nicht ausklappen lassen, doch ein zweiter Sensor, der die Sonne und den Stern Sirius als Referenz nahm, arbeitete wie vorgesehen. Nach einer Bahnkorrektur am 12.11.1968 um 11:41 UTC in etwa 250.000 km Entfernung zur Erde schwenkte Sond 6 also zwei Tage später auf eine Bahn „hinter“ dem Mond ein. Dabei wurde der Mond aus etwa 11.000 und 3.300 km (andere Quellen nennen 8.000 und 2.600 km) Entfernung fotografiert. Die Aufnahmen deckten dabei sowohl Gebiete auf der sichtbaren Seite als auch auf der erdabgewandten Seite des Mondes ab. Die maximale Annäherung an den Mond wurde mit 2.420 km angegeben. Zwei Zündungen des Triebwerks am 16.11.1968 um 12:40 UTC (etwa 236.000 km Erdabstand) und 17.11.1968 um 11:36 UTC (etwa 120.000 km Erdabstand) brachten Sond 6 schließlich wieder auf die korrekte Rückkehrbahn zur Erde. Auf dem Rückflug entschieden sich die Ingenieure für eine Reorientierung der Sonde im Raum, um die Temperatur in den Wasserstoffperoxid-​Tanks wieder in die zulässigen Grenzen zu bringen. Doch bereits am 16.11.1968 wiesen Telemetriewerte auf ein noch ernsteres Problem mit dem Raumschiff hin. Der Kabineninnendruck hatte sich halbiert. Ursache waren Verformungen der Luke unter der direkten Sonneneinstrahlung, die von der Dichtung nicht mehr kompensiert werden konnten. Trotz dieser teilweisen Dekompression arbeiteten die weiteren Bordsysteme scheinbar normal und so war beschlossen worden, erstmals einen Wiedereintritt nach dem komplizierten „double skip“ Verfahren vorzunehmen. Planmäßig trat Sond 6 über der Antarktis mit 11,2 kms–1  in die Erdatmosphäre ein, wurde auf 7,6 kms–1  abgebremst und prallte von der Atmosphäre wieder ab, um über sowjetischem Territorium endgültig mit nur noch 200 ms–1  zur Landung anzusetzen. Die Verzögerungswerte lagen dabei im Bereich zwischen 4 und 7 g während des ersten Eintritts und unterhalb von 4 g während des zweiten. In etwa 10 km Höhe wurde das mehrstufige Fallschirmsystem ausgelöst. Der Abstieg verlief zunächst planmäßig. Doch in etwa 5.300 m Höhe wurde irrtümlich der Fallschirm abgetrennt. Ursache war vermutlich die inzwischen nahezu totale Dekompression der Kapsel, die auch die Funktion des Höhenmessers beeinträchtigte. Jedenfalls stürzte die Landekapsel von Sond 6 ungebremst aus dieser Höhe zur Erde und schlug nur 16 km vom Proton Startkomplex in Baikonur auf. Die Kapsel wurde weitgehend zerstört, doch in den Trümmern befanden sich noch intakte Ausrüstungsgegenstände. Deren Bergung mußte aber mit äußerster Vorsicht erfolgen, da der Sprengsatz des Selbstzerstörungsmechanismus mit 10 kg TNT auch unter den Trümmern lag. Dieser konnte dann jedoch glücklicherweise geborgen und in der Steppe gesprengt werden, so daß ohne Gefahr auch die Trümmer untersucht werden konnten. Die Filme des Kamerasystems waren unversehrt (nach anderen Quellen lediglich ein Negativ) und die Bilder wurden später publiziert, um den Anschein einer geglückten Mission zu unterstreichen. Denn im offiziellen Pressekommuniqué war von einer erfolgreichen Landung der Kapsel die Rede. Alle Versuchstiere (ob auch bei dieser Mission Schildkröten mitgeführt wurden ist unsicher, aber wahrscheinlich) hatten den Flug nicht überlebt. Bei der Untersuchung der Unfallursachen entdeckten die Experten die fehlerhafte Gummidichtung, die für die Enthermetisierung der Kabine verantwortlich war. Nach dem niederschmetternden Verlauf dieser Mission war klar, daß der Siegeszug des bemannten amerikanischen Mondflugprogramms kaum noch aufzuhalten war. Die für die Mondmission ausgebildeten Kosmonauten hielten sich zwar bereit und drängten sogar auf ihren Einsatz, erhielten aber keine Startfreigabe. Und nach der erfolgreichen Mondumrundung von Apollo 8 im Dezember 1968 verlor die politische Führung der Sowjetunion jedes Interesse an den Plänen für eine bemannte Mondumrundung. Bis zur Einstellung des Programms erfolgten nur noch drei Testflüge mit dem Sojus 7 K-​L1  Gerät, wovon jeweils einer ein Startversager endete, einer ein teilweiser und einer endlich auch ein voller Erfolg war.