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Fotomontage, die das Spacelab im Inneren der „Columbia“ zeigt
Blick in die Nutzlastbucht von STS-9 mit dem Spacelab
Forschen an Bord des Spacelab
Forschen an Bord des Spacelab
Landung der „Columbia“ nach der STS-9 Mission

Der erste Einsatz des europäischen Raumlabors Spacelab war nach den fortwährenden Verzögerungen, von denen das gesamte Shuttle Programm betroffen war, für die STS-​9 Mission und deren Start für den 30.09.1983 angesetzt worden. Doch dann kamen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Triebwerksdüse des rechten SRB Feststoffboosters der „Columbia“ auf. Nach der Bergung der ausgebrannten Booster von STS-​8  war eine deutliche und in dieser Form zuvor nicht beobachtete Erosion der Düsen festgestellt worden. Der gesamte Stack wurde von der Startrampe zurück ins VAB gerollt, wo das kritische Booster Segment getauscht wurde. Außerdem waren die Tests mit dem ersten TDRS Satelliten, der nur mit Mühe seinen Arbeitsorbit erreicht hatte, noch immer nicht vollständig abgeschlossen. Als neuer Starttermin wurde nun der 28.11.1983 ins Auge gefaßt. Der Countdown für die neuartige Wissenschaftsmission STS-​9  „Columbia“ F-​6  verlief diesmal reibungslos. Exakt am 28.11.1983 um 16:00 UTC hob die „Columbia“ von Pad 39 A in Cape Canaveral ab. An Bord Kommandant John Young, der bereits seinen sechsten(!) Raumflug absolvierte, Pilot Brewster Shaw, die Missionsspezialisten Owen Garriott (ein Skylab Veteran) und Robert Parker sowie die beiden Nutzlastspezialisten Byron Lichtenberg und Ulf Merbold. Der bundesdeutsche Astronaut Merbold hatte von der NASA sozusagen einen „Freiflug“ erhalten, da das Spacelab in Deutschland entwickelt und gebaut worden war. Die Verträge sahen jedoch auch vor, daß lediglich beim ersten Flug das Spacelab kostenlos zur Verfügung stand. Schon bei der kommenden rein deutschen Spacelab D-​1  Mission waren mehr als 100 Mio. $ fällig. Die Bundesrepublik bejubelte ihren Eintritt in die bemannte Raumfahrt dennoch ausgiebig. Mit Merbold flog, wie damals getitelt wurde, der erste „freie Deutsche“ ins All. Dem konnte die DDR, die 1978 aus Anlaß des Fluges von Sigmund Jähn (damalige Schlagzeile des Neuen Deutschland: „Der erste Deutsche im All — ein Bürger der DDR“) hämische Kommentare der bundesdeutschen Boulevardpresse erdulden mußte, nun ihrerseits nur einige spitzfindige Presseverlautbarungen entgegensetzen. Doch abgesehen von der Politik im Hintegrund war das Unternehmen eine perfekt geplante wissenschaftliche Mission. Erstmals arbeiteten sechs Raumfahrer an Bord eines Raumlabors und dies in zwei rotierenden Schichten, so daß eine optimale Ausnutzung aller Anlagen an Bord des Spacelab möglich wurde. Für die Spacelab Missionen hatte die NASA die Kategorie der Nutzlastspezialisten eingeführt. Dabei handelte es sich erstmals nicht um Berufsastronauten, sondern um Wissenschaftler, die lediglich eine vereinfachte raumfahrerische Grundausbildung erhalten hatten (wiederum vergleichbar den Interkosmos Forschungskosmonauten). 38 Instrumentenanordnungen wurden bei der STS-​9  Mission mitgeführt, die 73 verschiedene Experimente ermöglichten, an deren Vorbereitung Wissenschaftler aus 14 Ländern beteiligt gewesen waren. Mehr Komfort boten auf dieser Mission die erstmals mitgeführte Galley (Miniküche) und die neu eingerichteten „Schlafstationen“. Bereits im Vorfeld der Mission hatte die NASA Kontakt zu sowjetischen Wissenschaftlern gesucht. Für die Mission war eine Bahn mit einer Inklination von 57° gewählt worden, die somit erstmals einen Space Shuttle auch über erhebliche Teile sowjetischen Territoriums führte. Man ließ sie wissen, daß man weder beim Überflug der UdSSR noch Afghanistans, wo die von den USA unterstützten Mudschahedin gegen sowjetische und afghanische Truppen einen Guerillakrieg führten, Aufnahmen anfertigen werde. Während die Experimente keine gravierenden Probleme bereiteten (es kam zu einigen frühen Ausfällen und dem Verlust von Daten), fielen ausgerechnet beim TDRS Satelliten zwei Antennen aus. Wissenschaftler und Cockpit-​Crew mußten sich nun die beschränkten Sprechfunk-​Kapazitäten teilen. Instruktionen für die Experimentatoren wurden notgedrungen per Fernschreiber übermittelt. Um der Crew Zeit für Reparaturversuche bei ihren Experimenten und der Bordausrüstung zu geben und die angespannte Situation an Bord etwas zu entspannen, verlängerte Mission Control den Flug der „Columbia“ um einen Tag. Tatsächlich gelang es Merbold die Mirror Heating Facility (ein materialwissenschaftliches Experiment) wieder in Gang zu setzen, während Parker im abgedunkelten Zwischendeck die metrische Kamera des DLR zerlegte und den Filmstau behob. In der letzten Flugphase bei der Vorbereitung der Landung gab es dann auch mit dem Orbiter einige Schwierigkeiten, als gleich zwei sogenannte General Purpose Computer (GPC) Probleme entwickelten und eine Inertial-​Meßeinheit ausfiel. Das verzögerte die Landung um 7¾ Stunden, keiner der Defekte bedeutete aber eine ernste Gefahr für die Mission. Doch da der Hintergrund der Ausfälle nicht sicher zu klären war, blieb ein gewisses Maß an Unsicherheit. Kritischer war schon die Tatsache, daß zwei der drei APUs (Auxiliary Power Units), die das Hydrauliksystem des Orbiters speisten, während der Landung Feuer fingen und eine von ihnen sich abschaltete. Dennoch setzte die „Columbia“ nach einem Flug von 247:47 h am 08.12.1983 um 23:47 UTC sicher auf Runway 17 der Edwards AFB auf. Als auch das Bugfahrwerk aufsetzte, versagte erneut der vor der Landung wieder in Gang gebrachte GPC #2. Bei der Landung wurde eine der Bremsen am Hauptfahrwerk beschädigt. Zudem stellten die Bodenmannschaften fest, daß das TPS (Thermal Protection System) am Backbord OMS (Orbital Maneuvering System) beim Wiedereintritt beschädigt worden war. Das gesamte Pod mußte getauscht werden, weil die unter dem TPS liegende Struktur durchgebrannt war. Konsequenzen für nachfolgende Spacelab-​Missionen hatte auch die erkennbar zu hohe Arbeitsbelastung für die Wissenschaftsastronauten während der Spacelab 1 Mission. Die Lehren aus diesem Flug kamen späteren Mannschaften zugute.