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Start der ersten Atlas-G Centaur-D1AR

Das letzte Exemplar eines Intelsat V Satelliten sollte am 09.06.1984 beim ersten Einsatz eines verbesserten Modells der Atlas-​Centaur seine Bahn erreichen. In den 1970er Jahren schien der Weg eigentlich klar vorgezeichnet. Das Space Shuttle sollte alleiniges Transportmittel für wissenschaftliche wie kommerzielle Nutzlasten werden. Konkurrenzlos günstig und mit hoher Startrate. Mit dem Beginn der regelmäßigen Einsätze des STS sahen sich aber schon bald die Kritiker dieses Konzepts bestätigt. Ausgerechnet die europäische Ariane Rakete, ein in vieler Hinsicht eher konservativer Entwurf, hatte sich binnen kürzester Zeit 50% der kommerziellen Startaufträge sichern können. Dem konnte die US Raumfahrtindustrie zunächst nicht viel entgegensetzen, hatte man doch zuletzt auf Weiterentwicklungen bestehender Modelle verzichtet. Denn „Wegwerfraketen“ war nach Auffassung von NASA und USAF ja keine Zukunft mehr beschieden. Doch die kommerziellen Kunden stimmten mit den Füßen ab und forcierten ein Umdenken. Vor allem General Dynamics mit seiner Atlas-​Centaur stand in dieser Situation gleich von zwei Seiten unter Druck. Denn schon vor dem Markteintritt der Ariane waren die meisten Startaufträge an Modelle der günstigeren McDonnell Douglas Delta 2000 und Delta 3000 Baureihen gegangen. Die neue Atlas-G Centaur-D1AR war der Versuch, mit möglichst überschaubarem Einsatz und Risiko den Kunden, zu denen auch die USAF mit ihren FltSatCom zählte, ein verbessertes Modell vor allem für die schweren Kommunikationssatelliten anzubieten. Dazu wurde die Atlas Grundstufe um mehr als drei Meter verlängert. Daraus resultierte eine längere Brenndauer der zudem leistungsgesteigerten Triebwerke. Obwohl die Centaur-​D1AR ihre Typenbezeichnung behielt, war auch sie erheblich überarbeitet worden. So entfielen z.B. die sogenannten „boost pumps“ zugunsten eines Druckgas-​Systems, ein neues RCS auf Hydrazin-​Basis hielt Einzug und der Düsen-​Hals der Triebwerke erhielt eine Silber-​Vergütung. Am 09.06.1984 hob das erste Exemplar der neuen Modellvariante zunächst auch normal von Cape Canaveral ab. Doch bei Zündung der Centaur Oberstufe wurde unmittelbar klar, daß Intelsat V F-​9  (Intelsat 509) seine geplante Bahn nicht erreichen würde. Eine unerwartet raue Stufentrennung bewirkte einen wenige Zentimeter langen Riß im Tankzwischenboden der Oberstufe. Bereits die erste Brennphase der Centaur fiel daher wegen des Sauerstoffverlusts 8 s zu kurz aus. Nach der zweiten Zündung geriet die Stufe innerhalb weniger Sekunden außer Kontrolle. Zwar wurde der Satellit noch ausgesetzt, strandete aber auf einer 178×1.112 km Bahn. Unter Einsatz der Lageregelungstriebwerke konnte er stabilisiert und das Perigäum leicht angehoben werden. Das Schicksal der Mission war dennoch besiegelt. Bereits im Oktober 1984 trat Intelsat 509 in die Atmosphäre ein und verglühte.
Für General Dynamics kam der Fehlstart nach beeindruckenden achtundzwanzig aufeinanderfolgenden erfolgreichen Atlas-​Centaur Einsätzen natürlich sehr ungelegen. Denn bis zum Abschluß der Untersuchungen blieb die Atlas-​G Centaur-​D1AR am Boden. Dabei waren die drei nächsten Missionen bereits fest gebucht. Erst im August 1985 lag der Abschlußbericht vor (die Starts hatte man dann aber doch schon fünf Monate früher wieder aufgenommen) und zeigte u.a. auf, daß beim Hersteller auf abschließende Drucktests der Tanks verzichtet worden war. Und dies, obwohl bei der neuen Centaur-​Variante der Druck im Sauerstofftank sogar um 25% erhöht worden war. So blieb der zunächst unbedeutende Ermüdungsriß unentdeckt.