Address:
Start der STS-36R Geheim-Mission
Missionsspezialist David Hilmers mit einer Aero Linhof Technika 45 Kamera für ozeanografische Aufnahmen
mit einer Aero Linhof Technika 45 aufgenommenes Großformat Foto von Cape Cod, Massachusetts
die gelandete „Atlantis“ auf der Edwards AFB

Nach insgesamt vier Startverschiebungen seit dem 22.02.1990 (Erkältung des Kommandanten und später weiterer Crew-​Mitglieder, Wetter) hob am 28.02.1990 um 07:50 UTC von LC-​39 A in Cape Canaveral die Raumfähre „Atlantis“ F-​6  zur Mission STS-​36R ab. Die Mission erfolgte exklusiv im Auftrag des Pentagon und so wurden nur wenige Details zum Verlauf der Mission bekanntgegeben. Fest steht, daß Kommandant John Creighton (US Navy), Pilot John Casper (USAF) sowie die drei Missionsspezialisten David Hilmers (USMC), Richard Mullane (USAF) und Pierre Thuot (US Navy) eine große militärische Nutzlast aussetzten. Hierzu startete die „Atlantis“ auf eine Bahn mit einer Inklination von 62°, wobei bis dahin 57° als maximal zulässige Bahnneigung für Starts von Cape Canaveral galten. Höhere Werte führen zwangsläufig zu einer Bahn nahe der Ostküste der USA und gefährden somit die Bewohner dieser Regionen. Ein Abweichen von dieser Regelung kann nur als Hinweis auf die Bedeutung der Mission verstanden werden. Am 01.03.1990 wurde die streng geheime Nutzlast dann aus der Ladebucht der „Atlantis“ ausgesetzt. Dabei kam erstmals ein neuer von Rockwell International entwickelter von Eletromotoren angetriebener Mechanismus zum Einsatz. Das SPDS (Stabilized Payload Deployment System) ermöglichte die Handhabung von Nutzlasten bis zu fast 23 t. Auch das dürfte ein Hinweis auf eine ungewöhnliche Nutzlast sein. Diese wurde lediglich unter dem Codenamen AFP-​731  bekannt. Was sich dahinter verbarg, ist bis heute umstritten. Manche Experten vermuten einen Fotoaufklärer des Typs KeyHole KH-​12. Andere halten einen Radaraufklärer oder eine Aufklärungsplattform mit Sensoren für verschiedene Spektralbereiche sowie zusätzlicher ELINT Kapazität für wahrscheinlicher. Noch verwirrender wurde die Situation durch das Verhalten von USA 53 nach dem Aussetzen. Am 03.03.1990 absolvierte der Satellit zunächst ein kleineres Bahnmanöver, bei dem die Bahn leicht angehoben wurde. Doch am 07.03.1990 beobachteten sowjetische Bahnverfolgungsradars vier große Teile, die ihren Ursprung eindeutig in AFP-​731  hatten. Am 16.03.1990 ging daher die Meldung um die Welt, der Satellit sei explodiert. NORAD in den USA registrierte insgesamt sogar sechs Objekte und auch das DoD bestätigte, daß Teile der von STS-​36  ins All beförderten „Hardware“ bald verglühen würden. Damit war die Mission des geheimnisvollen Satelliten offenbar gescheitert. Im Gegensatz dazu standen jedoch Beobachtungen von Amateur-​Astronomen, die am 07.03.1990 ein Bahnmanöver von USA 53 beobachteten, bei dem die Inklination auf rund 65° stieg und die Bahnhöhe etwa 811 km erreichte. Danach verloren auch sie den Kontakt. Es gibt sogar Vermutungen, nach denen AFP-​731  über eine Art Stealth-​Technologie verfügte, die seine Ortung erschweren sollte. 1998 kam eine neue Theorie über die Mission von AFP-​731  auf. Danach handelte es sich um einen Radar-​Aufklärer, was jedoch erstaunlich wäre, da die USA mit LACROSSE bereits über ein solches System verfügten. Nach dieser Theorie kam es nach dem Aussetzen zu ernsten Problemen, entweder beim Entfalten der Radarantennen oder aufgrund eines Antriebsfehlers (Teleskopbeobachtungen im März 1990 deuteten darauf hin, daß zu dieser Zeit die Antriebsstufe noch an dem Satelliten angekoppelt war). Am 19.03.1990 verglühte demnach der Satellit, Trümmer blieben teilweise noch länger im Orbit. Als Energiequelle für den Satelliten wurden Radioisotopen-​Generatoren oder ein bzw. mehrere Kernreaktor(en) angenommen. Demnach wurden diese nach sowjetischem Vorbild vor dem Wiedereintritt auf eine Sicherheitsbahn geschossen und es handelte sich bei ihnen um jenes Objekt, das noch im Herbst 1990 beobachtet wurde. Allerdings ist es unerklärlich, daß dieses Objekt auch später offensichtlich noch Bahnmanöver ausführte. Und warum hätte die Bahnneigung unter hohem Energieaufwand erhöht werden sollen? AFP-​731  „Misty“ bleibt jedenfalls die geheimnisvollste Nutzlast, die die USA bis heute gestartet haben. Auch wenn die Einordnung schwer fällt, wird heute allgemein angenommen, daß die Mission des Satelliten entgegen des ersten Anscheins erfolgreich verlaufen war.
Welche Aufgaben die zu 100% aus US Militärs bestehende Crew der „Atlantis“ während des viereinhalbtägigen Fluges neben dem Aussetzen des „Misty“ Satelliten noch hatte, unterliegt bis heute ebenfalls der Geheimhaltung. Jedenfalls wurden die Bodenmannschaften, unmittelbar nachdem der Orbiter nach einem Flug von 106:18 h am 04.03.1990 um 18:09 UTC auf der Edwards AFB gelandet war, Zeugen eines einmaligen Vorgangs. Noch bevor die gesamte Bodenausrüstung herangeschafft war, näherte sich eine von mehreren Jeeps eskortierte Limousine dem Shuttle. Bewaffnete Posten bezogen Stellung, während ein Offizier die Treppe zum Cockpit nahm. Minuten später erschien er mit einem großen Packen an Unterlagen in der Tür, bestieg den Wagen und der kleine Konvoi verließ ohne jede Erklärung die Landestelle… Erst jetzt konnten auch die zivilen Bodenmannschaften der Crew bei den Prozeduren nach der Landung assistieren.