Address:
Anik-E Satellit

Erstmals kam am 04.04.1991 eine Ariane-​44P zum Einsatz, also die Ausführung mit vier Feststoffboostern. Sie beförderte den kanadischen Kommunikationssatelliten Anik-​E2 . Nach dem Start vom südamerikanischen Kourou wurde der Satellit auf eine Synchronbahn befördert, wo seine Systeme in Betrieb genommen wurden. Dabei kam es gleich zu mehreren Anomalien. Zunächst entfaltete sich die Ku-​Band Antenne nach der Zündung der Pyroladungen nicht. Erst eine Umkehr der Rotation des Satelliten brachte zwei Tage später (am 15.04.1991) den Erfolg. Und die C-​Band Antenne von Anik-​E2  war scheinbar vollständig blockiert, vermutlich durch Teile der Thermoisolierung, die sich beim Start gelöst hatten. Erst am 03.07.1991, nach einer Serie von abrupten Manövern (u.a. wurde die Spinrate kurzzeitig auf bis zu 4 min–1  angehoben, dem 20-​fachen des Design-​Grenzwertes) und mehreren extremen thermischen Zyklen, konnte die Blockade überwunden werden. Über 107,3° West nahm der Satellit dann seinen Betrieb auf. Telesat Canada hatte bei SPAR Aerospace zwei dieser Satelliten in Auftrag gegeben, die dort auf der Basis der General Electric AS-​5000 Plattform gefertigt wurden. Jeder der beiden Satelliten, die für Telesat bereits die fünfte Satellitengeneration bedeuteten, verfügte über 24 C-​Band Transponder mit 12 W Sendeleistung und 16 Ku-​Band Transponder mit 50 W Sendeleistung. Hinzu kamen je sechs bzw. zwei Reservetransponder. Am 20.01.1994 geriet der Satellit unerwartet außer Kontrolle. Als Ursache wurde ein starker magnetischer Sturm ausgemacht, der das on-​Bord Stabilisierungssystem irreparabel schädigte. Durch den Ausfall brach die Versorgung von 1.600 entlegenen kanadischen Gemeinden mit Fernsehprogrammen und Telefon zusammen. Kurzfristig konnten sogar insgesamt 3,6 Millionen Kanadier kein Satelliten-​TV mehr empfangen. Verschärft wurde die Situation noch dadurch, daß fast zeitgleich auch der später gestartete Anik-​E1  außer Kontrolle geraten war. Bei diesem konnte aber unter Einsatz der Reservesysteme die Orientierung wesentlich schneller wiederhergestellt werden. Bei Anik-​E2  dauerte das erheblich länger. Nachdem wieder Funkkontakt bestand, entwickelte Telesat Canada während der nächsten sechs Monate eine Möglichkeit, die Steuerung des Satelliten vom Boden aus zu übernehmen. Das Ground Loop Attitude Control System (GLACS) konnte ausschließlich auf 14 (von 22) Lageregelungstriebwerken und die Magnetorquer zurückgreifen. Alle paar Minuten mußten nun die Triebwerke für Sekundenbruchteile gezündet werden, da die Drallräder nicht wieder online gebracht werden konnten. Tatsächlich funktionierte das Verfahren bis zum November 2005 und konnte selbst einen erneuten Kontrollverlust am 30.07.1999 kompensieren. Derart überschritt Anik-​E2  sogar noch die Auslegungs-​Betriebdsauer von zwölf Jahren! Telesat Canada hatte der Ausfall der beiden Anik-​E Satelliten extrem unter Druck gesetzt. Erstmals in der Geschichte kommerzieller Satellitendienstleistungen hatte sich die zunehmende Abhängigkeit von den Angeboten derart massiv gezeigt. Wenige Wochen vor dem 25. Jahrestag der Firmengründung drohte dem Unternehmen plötzlich die Insolvenz. Die Rettungsaktion geriet dann allerdings zu einem viel bewunderten Glanzstück.