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Rollout der „Endeavour“ zur STS-49 Mission
Pierre Thuot an der Spitze des RMS
Pierre Thuot bei seiner erfolglosen EVA am 11.05.1992
die erste 3-Mann-EVA der Raumfahrtgeschichte
der mit einer neuen Kickstufe versehene Intelsat 603
Thornton und Akers mit dem ASEM Experiment
Thornton und Akers bei Arbeiten an der MPESS (Multiple Purpose Experiment Support Structure)
STS-49 Post Flight Presentation
STS-49 Landung mit Bremsschirm

Als in den 1960er und 1970er Jahren in den USA Planungen für einen Space Shuttle begannen, war eine der Aufgaben, denen ein solches Raumfahrzeug gerecht werden sollte, die Inspektion und Wartung von anderen Satelliten. Neben dem Militär, das seine sehr speziellen Vorstellungen von solchen Missionen hatte, erkannte auch die NASA Bedarf anderartigen Einsätzen. Die zunehmend komplexeren Forschungs– und Anwendungssatelliten ließen eine Wartung und gegebenenfalls Reparatur wünschenswert erscheinen. Als das Space Shuttle schließlich im Einsatz stand, gab es jedoch nur einige wenige solche Missionen. Zu den spektakulärsten zählte sicherlich die Rettung des Kommunikationssatelliten Intelsat VI F-​3  (Intelsat 603) im Jahr 1992. Der Satellit war am 14.03.1990 mit einer Commercial Titan-3 gestartet worden, doch ein Verkabelungsfehler verhinderte zunächst die Abtrennung der Raketenzweitstufe. Der Satellit strandete ansonsten voll funktionsfähig auf einem erdnahen Orbit. Den Controllern am Boden blieb nur, die nicht gezündete Kickstufe (Perigee Kick Motor — PKM) mitsamt der ausgebrannten Endstufe der Rakete abzutrennen. Dann wurden die kleinen Flüssigkeits-​Manövertriebwerke des Satelliten genutzt, um die Bahn auf etwa 550 km Höhe anzuheben, so daß Zeit für eine eventuelle Rettungsmission gewonnen und zugleich der zerstörerische Einfluß des atomaren Sauerstoffs auf die Solarzellenflächen reduziert werden konnte. Eine Analyse der Situation ergab, daß eine Rettung nur unter Einsatz des Space Shuttle möglich war. Und die Berechnungen zeigten auch, daß die kostengünstigste Variante darin bestand, eine neue Kickstufe zum Satelliten zu bringen, statt ihn zur Erde zurückzuholen und erneut zu starten (so geschehen mit den 1984 gestrandeten Westar VI und Palapa-​B2 ). Es folgten monatelange Planungen für die anspruchsvolle Mission. Die United Technologies Corporation (UTC) lieferte eine neue Orbus 21 S Kickstufe, und Hughes fertigte einen speziellen Adapter sowie Werkzeuge, die das Einfangen des Satelliten und die Montage des neuen Triebwerks ermöglichen sollten. Ingenieure von Hughes trainierten zusammen mit den Astronauten unterwasser für die Mission. Diese wurde schließlich für den Jungfernflug des Orbiters „Endeavour“ angesetzt. Das Unternehmen STS-​49  begann am 07.05.1992 um 23:40 UTC von LC-​39 B in Cape Canaveral. Der Erstflug der „Endeavour“ hatte sich nach dem Flight Readiness Firing der SSME verzögert, als dabei Turbopumpenprobleme entdeckt wurden, was zum Austausch aller drei Triebwerke führte. Um bessere Lichtbedingungen für die visuelle Verfolgung des Shuttle beim Start zu haben, wurde der Starttermin dann vom 04.05.1992 auf den 07.05.1992 verschoben. An diesem Tag verzögerten schlechtes Wetter auf einem der Notlandeplätze sowie Schwierigkeiten mit einem der Bordcomputer den Start um 34 Minuten. Doch letztlich konnte der Start vom „Endeavour“ F-​1  freigegeben werden. Mit Kommandant Daniel Brandenstein, Pilot Kevin Chilton sowie den Missionsspezialisten Pierre Thuot, Richard Hieb, Kathryn Thornton, Thomas Akers und Bruce Melnick befand sich eine der erfahrensten und besttrainiertesten Crews der NASA an Bord. Während die Bahn von Intelsat 603 wieder etwas abgesenkt worden war, steuerte die „Endeavour“ ein Rendezvous mit ihm an. Erstmals manövrierten damit zwei Raumflugkörper gleichzeitig für ein solches Manöver. Es blieben nach dem Start des Shuttle 46 Stunden, um Intelsat in ein definiertes Raumgebiet zu steuern. 24 Stunden später mußte das Rendezvous abgeschlossen sein. Sowohl die Intelsat Controller am Boden als auch die „Endeavour“ Crew absolvierten ihre Aufgabe perfekt. Etwa sechs Stunden nach dem Rendezvous wurden die Spinstabilisierung von Intelsat 603 auf 0,65 min–1  reduziert und die Systeme des Satelliten gesichert, um ein gefahrloseres Arbeiten für die Astronauten zu gewährleisten. Am 10.05.1992 begann schließlich das Außenbordmanöver von Thuot und Hieb. Thuot stand dabei an der Spitze des RMS Manipulatorarms, den Melnick bediente. Thuot sollte eine spezielle Halteklaue an dem Satelliten anbringen und die verbliebene Rotation stoppen. Dann hätte das RMS diesen Adapter gegriffen und Intelsat in die Nutzlastbucht gezogen. Viereinhalb bis sechs Stunden hatte die NASA für das ganze Manöver eingeplant. Doch Thuots Bemühungen blieben erfolglos. Mal driftete der Satellit in eine Position, in der er mit dem Manipulatorarm nicht erreichbar war, mal begann der Satellit unkontrolliert zu oszillieren. Nach drei erfolglosen Versuchen mußte das Manöver abgebrochen werden und Thuot und Hieb kehrten nach 3:43 h in die Endeavour zurück, während die Intelsat Controller die Fluglage ihres Satelliten wieder stabilisierten. Grundsätzlich von der Richtigkeit des Vorgehens überzeugt, setzte die NASA am nächsten Tag eine Wiederholung des Manövers an. In absoluter Dunkelheit erfolgte das Rendezvous und mit Sonnenaufgang versuchte Thuot erneut, die Struktur an dem Satelliten zu montieren. Doch trotz besonderer Vorsicht beim Manövrieren des RMS blieben alle fünf Versuche erfolglos. Der Adapter rastete einfach nicht wie vorgesehen ein. Nach 5:30 h kehrten die frustrierten Astronauten zurück. Analysen zeigten, daß die „Endeavour“ über genügend Treibstoffreserven für ein weiteres Rendezvous verfügte. Doch mußte das Vorgehen überdacht werden. Die Crew schlug vor, eine Drei-​Mann-​EVA zu unternehmen. „Endeavour“ führte in der Nutzlastbucht diverse Konstruktionselemente mit, die nach dem ursprünglichen Flugplan bei zwei weiteren Außenbordmanövern zu verschiedenen Strukturen zusammengesetzt werden sollten. Nun plante die Crew daraus eine Plattform zu errichten, mit drei Mann darauf Position zu beziehen, die Füße zu arretieren und Intelsat 603 „einfach mit den Händen zu greifen“. Simulationen am Boden zeigten, daß diese gewagte Idee durchaus Chancen auf Erfolg hatte. Also zwängten sich am 13.05.1992 Thuot, Hieb und Akers in die für zwei Personen ausgelegte Luftschleuse der „Endeavour“. Es war das 100. Außenbordmanöver der Raumfahrtgeschichte und das erste, an dem drei Raumfahrer beteiligt waren. Schnell errichteten die Astronauten ihre Plattform aus Teilen des ASEM Experiments. Dann nahm Hieb seine Position an der Steuerbordwand des Shuttle ein, während sich Akers auf der eben gebauten Struktur fixierte und Thuot an der Spitze des RMS stand. 15 Minuten studierten die Astronauten die Bewegungen des Satelliten, dann griffen sie zu. Hieb und Akers hielten Intelsat während Thuot den Adapter anbrachte und die Halteklammern arretierte. Endlich konnte Melnick den Satelliten mit dem RMS zur in der Nutzlastbucht verstauten Kickstufe befördern, wo diese von den Astronauten montiert wurde. Nach 8:29 h zogen sich Thuot, Hieb und Akers in die Luftschleuse zurück, während ihr Crewmitglied Thornton die Federn freigab, die Intelsat 603 wieder aus der Nutzlastbucht katapultierten. Am 14.05.1992 folgte dann schließlich die vierte EVA während dieser Mission. Diese diente der Erprobung von Konstruktionselementen und Verfahren für den Aufbau der Gitterstrukturen der projektierten US Raumstation „Freedom“. McDonnell-​Douglas hatte das ASEM (Assembly of Station Methods) Experiment geliefert. Im Gegensatz zu den für die Montage durch Astronauten optimierten Teilen des EASE/ACCESS Experiments bei STS 61-​B kamen diesmal Elemente zum Einsatz, die strukturell den Erfordernissen für den Aufbau der Raumstation entsprachen, die dafür aber schwerer zu handhaben waren. Dennoch gelang Thornton und Akers der Aufbau einer Pyramidenstruktur. Allerdings benötigten sie mehr Zeit als erwartet und so mußte das Programm gekürzt werden, einige Punkte entfielen sogar ganz. Bedeutsam war die Simulation von Montagearbeiten vor dem Bug der Raumfähre unter Einsatz des RMS. Dann wurden Elemente des Crew Self Rescue Systems erprobt, welches einem Astronauten die Rückkehr zur Raumfähre ermöglichen sollte, falls sein Sicherungsseil riß. Zeitnot reduzierte die Tests auf die Erprobung einer kleinen Druckgas-​Pistole. Während des Außenbordaufenthalts gab es Probleme mit Thorntons Raumanzug und die Ku-​Band Antenne der Endeavour fiel aus. Nach 7:44 h war das Außenbordmanöver vorbei. Am nächsten Tag wurde vom Boden die Kickstufe von Intelsat 603 gezündet und der Satellit auf eine supersynchrone Bahn befördert. In den nächsten Wochen steuerte er seine Postion über 34,5° West an, von der aus er u.a. die Olympischen Spiele aus Barcelona übertrug. Die Crew der „Endeavour“ bereitete sich hingegen auf die Rückkehr zur Erde vor. Lediglich das Commercial Protein Crystal Growth (CPCG) Experiment auf dem Kabinen-​Zwischendeck mußte noch betreut werden. Am 16.05.1992 um 20:58 UTC nach einem Flug von 213:18 h landete das Space Shuttle auf Runway 22 der Edwards AFB. Dabei kam erstmals der neue Bremsschirm zur Verkürzung der Ausrollstrecke zum Einsatz, über den die „Endeavour“ als erster Orbiter verfügte. Allerdings wurde er diesmal aus Sicherheitsgründen erst in der Ausrollphase ausgestoßen.