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Start der „Columbia“ zur USMP-3 Mission
Blick auf die USMP-3 Nutzlast einschließlich des TSS 1R Satelliten
TSS 1R auf den ersten Metern seines Weges
die gebrochene Trosse des TSS-1R Experiments
STS-75 Post Flight Presentation
Landung der „Columbia“ nach der STS-75 Mission

Zu einer mit Spannung erwarteten Forschungsmission startete die US Raumfähre „Columbia“ am 22.02.1996 um 20:18 UTC von Cape Canaveral. Abgesehen von den üblichen Terminanpassungen im Vorfeld des Unternehmens war der Countdown selbst ohne Auffälligkeiten verlaufen. Für die Mission STS-​75  „Columbia“ F-​19  waren die Astronauten Andrew Allen (Kommandant), Scott Horowitz (Pilot), Franklin Chang-Dìaz, Maurizio Cheli, Jeffrey Hoffman und Claude Nicollier (Missionsspezialisten) sowie Umberto Guidoni (Nutzlastspezialist) an Bord. Cheli (Italien) und Nicollier (Schweiz) flogen dabei im Auftrag der ESA. Guidoni war dagegen als Vertreter der Agenzia Spaziale Italiana (ASI) an Bord. Er betreute das wichtigste Experiment an Bord, den italienischen Fesselsatelliten TSS 1R. Dieser war bereits 1992 während STS-​46  erprobt worden, doch hatten verschiedene technische Probleme damals das Experiment frühzeitig scheitern lassen. Diesmal hoffte man, die Trosse mit dem Satelliten planmäßig auf 20 km Länge abspulen zu können, um das Verhalten des Systems zu erforschen. Forscher in aller Welt setzten große Hoffnungen auf solche Fesselsatelliten. Von der Energieerzeugnung über die energiegünstige Bahnveränderung von Satelliten bis hin zum Ausbringen von Experimenten von Bord einer Raumstation reichten die Vorstellungen. Nach einem aufregenden Start — die Instrumente im Cockpit der „Columbia“ zeigten fälschlich an, daß eines der drei SSME nur 45% Schub lieferte — aktivierte die Crew die mitgeführten Experimente. Neben dem TSS Satelliten flog ein umfangreicher Forschungskomplex im Rahmen der USMP 3 (United States Microgravity Payload) Nutzlast an Bord der „Columbia“. Die Apparaturen waren teils in der Nutzlastbucht montiert, teils auf dem Zwischendeck. Geforscht wurde u.a. auf den Gebieten der Materialwissenschaft, der Biotechnologie, zum Verhalten von Fluiden unter Mikrogravitationsbedingungen und zum Verbrennungsverhalten. Das Freisetzen des Fesselsatelliten wurde zunächst um 24 Stunden verschoben, um Zeit für zusätzliche Überprüfungen des Computersystems zu gewinnen, welches zuvor in einen Notmodus gegangen war. Überhaupt waren umfangreiche Vorkehrungen getroffen worden, die den Erfolg des TSS Experiments sicherstellen sollten. Nicht wie üblich zwei, sondern drei Teams sollten eine Rund-​um-​die-​Uhr Betreuung des Experiments sicherstellen. Die rote Schicht übernahmen Horowitz, Cheli und Guidoni. In der blauen arbeiteten Nicollier und Chang-​Diaz. Und als weiße Schicht waren Allen und Hoffman eingeteilt. Das blaue Team hielt sich zudem für eine Not-​EVA bereit, sollten gravierende Probleme einen solchen Einsatz erforderlich machen. Am 25.02.1996 war es dann soweit. Um 20:45 UTC begann das Abrollen der Trosse. Nach fast fünf Stunden fehlten nur noch wenige 100 m bis zum vollständigen Entrollen der Trosse. Dann passierte das Unerwartete. Bei einem Zählerstand von 19.695 m brach am 26.02.1996 um 01:30 UTC die Trosse am oberen Ende des in der Nutzlasbucht aufgerichteten Gittermastes. TSS 1R driftete rasch davon. Damit war auch der zweite Versuch mit einem solchen System gescheitert. Allerdings war das Experiment bis zum Verlust des Satelliten weitaus reibungsloser verlaufen als beim ersten Versuch. Und so konnten vielfältige wertvolle Meßdaten gewonnen werden. Auch noch nach dem Bruch der Trosse. Denn der batteriebetriebene Telemetriesender übertrug noch einige Zeit Statusmeldungen, die allerdings auch den Ausfall von zwei der vier Gyroskope signalisierten. Bis heute kam es zu keiner Wiederholung der Experimente in solch großem Maßstab, so daß der Nutzen der Technologie weiter umstritten ist. Die enttäuschte Crew holte zunächst den Rest der Trosse wieder ein und sicherte den Mast, dann widmete sie sich nach dem Zwischenfall ihren anderen Experimenten. Rasch angestellte Berechnungen hatten unterdessen ergeben, daß eine Bergung von TSS 1R mit den Treibstoffreserven der „Columbia“ nicht sicher zu bewerkstelligen gewesen wäre. Die Idee wurde daher verworfen. Um der Crew mehr Zeit bei der Arbeit mit den USMP Experimenten zu geben, verlängerte das Kontrollzentrum die Mission um einen Tag. Am 08.03.1996 war die geplante Landung in Florida wetterbedingt aber unmöglich, woraufhin man sich für einer erneute Missionsverlängerung um einen Tag entschied. Zunächst schien an diesem Tag ein Ausweichen auf die Edwards AFB die einzige Option zu sein. Doch nach einem zusätzlichen Orbit kehrte die „Columbia“ am 09.03.1996 doch noch in Florida zur Erde zurück. Nach 377:40 h setzte der Orbiter am 09.03.1996 um 13:58 UTC sicher auf Runway 33 des KSC auf.