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Start der ersten Ariane-5
zwei der Cluster-Satelliten vor der Einkapselung in die Nutzlastverkleidung
(Fehl-)Start der ersten Ariane-5
Bergung der Trümmer eines der Cluster Satelliten

Von Wissenschaftlern und Ingenieuren gleichermaßen sehnsüchtigst erwartet, startete am 04.06.1996 von Kourou in Französisch Guyana die erste Ariane-​5  Rakete. Angesichts des Booms bei den kommerziellen Satellitenstarts in den späten 1980er Jahren und einer Prognose, die von immer schwereren zu transportierenden Nutzlasten ausging, hatte die die ESA die Ablösung der bewährten Ariane-​4  durch einen vollkommen neuen Schwerlastträger beschlossen. Die neue Rakete sollte noch kostengünstiger betrieben werden können und zudem später für bemannte Einsätze qualifiziert werden. Gegen die Stimmen der Kritiker ließ man das Ariane-​4  Programm auslaufen und setzte voll auf die neue Rakete. Deren Entwicklung gestaltete sich aber alles andere als einfach. Schließlich wurde der Jungfernflug für Ende 1995 ins Auge gefaßt. Eine Reihe von teils tragischen Zwischenfällen verzögerte aber die Vorbereitungen auf den ersten Start und dann kamen auch noch Zweifel an der Stabilität der großvolumigen Nutzlastverkleidung auf. So dauerte es bis zum 04.06.1996, bis die Rakete vom neuen Startkomplex ELA-​3  abheben konnte. Mit vier Cluster Forschungssatelliten an Bord stieg die Rakete vor den Augen zahlreicher Ehrengäste zunächst perfekt in den Himmel. Doch dann ging alles ganz schnell. Plötzlich wich die Ariane-5G erkennbar vom Kurs ab und schwenkte auf eine viel zu flache Flugbahn ein. Als das vom Sicherheitsoffizier ausgelöste Signal zur Selbstzerstörung der Rakete eintraf, war dem der Bordcomputer bereits zuvorgekommen. Trümmer im Wert von 720 Mio. DM (368 Mio. €) regneten aus knapp 4.000 m Höhe vom Himmel. Vor allem für die Wissenschaftler war der Verlust unersetzlich. Die vier Satelliten Cluster FM1, Cluster FM2, Cluster FM3 und Cluster FM4 hätten im Verbund komplexe Untersuchungen der Magnetosphäre unternehmen sollen. Die mit einem eigenen Antrieb versehenen und daher manövrierfähigen Satelliten waren für eine zeitlich und räumlich koordinierte Erforschung der Phänomene ausgerüstet, die durch die Wechselwirkung von Sonnenwind und Erdmagnetfeld entstehen. Eine derart umfangreiche Sondierung, wie mit den Cluster Satelliten, war zuvor zudem nie versucht worden. Glücklicherweise konnte die ESA den Bau von vier Ersatzsatelliten für die Cluster Mission sicherstellen. Unter Verwendung von noch vorhandener Hardware aus dem Test– und Qualifizierungsprogramm wurden die Satelliten FM5 bis FM8 gebaut und schließlich vier Jahre später bei zwei Sojus Starts von Baikonur paarweise gestartet.
Die Ursache für den Fehlstart der Ariane L501 war schnell gefunden. Ein Teil der Flugsoftware war unverändert und ungeprüft von der Ariane-​4  übernommen worden. Da die leistungsstärkere Ariane-​5  aber schneller aufstieg und einer anderen Bahn folgte, lieferte das Inertiallenksystem Werte, die sich deutlich von denen bei einem Ariane-​4  Start unterschieden. Ein unbehandelter Operandenfehler in einer Unterroutine des Steuerungsprogramms konnte nur unter diesen Umständen zu einem arithmetischen Überlauf führen. Beide INS fielen daraufhin aus und übertrugen nur noch Diagnoseinformationen, die wegen eines weiteren Designfehlers vom Bordcomputer aber als echte Flugdaten interpretiert wurden. Als der Bordcomputer eine vermeintliche Kursabweichung registrierte und versuchte gegenzusteuern, war die Mission verloren. Die Aktuatoren schwenkten die Triebwerksdüsen von Hauptstufe und Boostern auf maximale Auslenkung, was die Rakete einer enormen Belastung aussetzte. Als sie auseinanderzubrechen begann, löste die Selbstzerstörung aus. Arianespace geriet nach dem Fehlstart in eine ernste Krise. Zwar konnte man mit Ariane-​4  Starts die Lücke vorläufig noch überbrücken. Doch war vor allem das Vertrauen der Kunden in die neue Rakete angeschlagen. Zudem mußte ein kostspieliger zusätzlicher Qualifikationsstart eingeschoben werden. Und auch diesem war kein 100 %iger Erfolg beschieden. Erst 1999 ging die Rakete dann wirklich in Dienst. Tatsächliche dominierte Arianespace dann mit der Ariane-​5  über ein Jahrzehnt den Markt für kommerzielle Startdienstleistungen. Der Raumgleiter „Hermes“, der usprünglich ein wichtiges Argument für das Design der Ariane-​5  gewesen war, war zwar längst eingestellt. Doch die Doppelstartstrategie der Ariane erlaubte viele Jahre einen relativ wirtschaftlichen Einsatz der eigentlich überdimensionierten Rakete. Allerdings kaschierte der Erfolg lediglich oberflächlich ein Problem, das seine Wurzeln auch in dem Fehlstart der ersten Ariane-​5  hatte. Die damals aufgelaufenen Kosten hatten all die Jahre die eigentlich dringend notwendige und prinzipiell auch beschlossene Entwicklung einer noch leistungsfähigeren und vor allem wiederzündbaren Oberstufe verhindert. Anfang des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts war das Doppelstart-​Konzept der Ariane-​5  endgültig überholt und der Zwang, stets zwei Satelliten unterschiedlicher Gewichtsklassen für eine Mission zu paaren, wurde zunehmend zu einem Problem.