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Jerry Linenger mit Atemschutzmaske

Eine lebensbedrohliche Situation mußte die sechsköpfige Besatzung des Orbitalkomplexes Mir am 23.02.1997 meistern. Am 20.02.1997 hatten die Kosmonauten noch der Tatsache gedacht, daß die Mir sich an diesem Tag seit sensationellen elf Jahren im All befand. Außerdem wollte man an diesem Tag den 43. Geburtstag von Wassili Ziblijew feiern. Doch in der vorangegangenen Nacht war ein Kreiselblock im „Kvant“ 2 Modul ausgefallen, so daß die russischen Kosmonauten den Kurskreisel-​Block bei einem außerplanmäßigen Einsatz austauschen mußten. Nun kam es am 23.02.1997 aber zu einem weitaus gefährlicheren Zwischenfall. Im „Kvant“ Modul hatte sich eine der „Vika“ Sauerstoffkerzen auf Basis von Natriumchlorat, die immer zum Einsatz kamen, wenn das Lebenserhaltungssystem allein die Sauerstoffversorgung der Besatzung nicht sicherstellen konnte (also z.B. bei mehr als drei Personen an Bord), soweit erhitzt, daß es zu starker Rauchentwicklung kam. Der Rauch breitete sich rasch in der gesamten Station aus. Und drohte, eine Evakuierung mit den beiden angedockten Raumschiffen unmöglich zu machen. Während Jerry Linenger und Reinhold Ewald angewiesen wurden, sich auf eine eventuelle Evakuierung der Station vorzubereiten, bekämpften alte und neue Stammbesatzung gemeinsam den Schwelbrand. Dieser konnte zwar rasch mit Handfeuerlöschern eingedämmt werden, doch hielt die exotherme Reaktion das Feuer für etwa 10 Minuten am Leben. Angesichts einer typischen Reaktionstemperatur von etwa 600 °C bestand die akute Gefahr, daß ein Loch in die Außenhaut der Station gebrannt wurde. Dazu kamen es nicht. Doch auch so waren die Auswirkungen nicht unerheblich. Die Kosmonauten, die Atemschutzmasken angelegt hatten, beseitigten gemeinsam binnen weniger Stunden die erkennbaren Schäden. Nach zwei Stunden war die Luft durch die Filter des Lebenserhaltungssystem wieder soweit gereinigt, daß der Atemschutz abgelegt werden konnte. Obwohl weder die russische, noch die amerikanische oder deutsche Seite dem Vorfall in der Öffentlichkeit große Bedeutung beimaßen, wurde er hinter den Kulissen doch intensiv diskutiert. Und die später bekanntgewordenen persönlichen Erinnerungen der Beteiligten ließen die Dramatik der Ereignisse erahnen. Das auch in Krisenzeiten noch immer gute Training der Besatzungen hatte schlimmeres verhindert. Doch hätte nicht viel gefehlt, und die Situation wäre außer Kontrolle geraten.