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Milstar-II F1 in Startkonfiguration

Zwei Wochen nachdem eine Titan-​IVB nach dem Start von der Westküste der USA mit ihrer Nutzlast auf einem nutzlosen Orbit gestrandet war, ereilte eine andere Titan-​IVB, diesmal jedoch mit Centaur Oberstufe, an der Ostküste dasselbe Schicksal. Der Start der Titan-​401 B Centaur-​T erfolgte am 30.04.1999 von Cape Canaveral. Die Nutzlast wurde als USA 143 bezeichnet, wobei es jedoch kein Geheimnis war, daß sich darunter ein militärischer Datenrelais-​Satellit mit der Bezeichnung Milstar 2 F1 verbarg. Diese großen Satelliten arbeiteten in einem speziellen Frequenzband und mit modernsten Techniken, um so eine störungsfreie Kommunikation zwischen militärischen Dienststellen und stationäre wie mobilen Einheiten weltweit zu gewährleisten. Und dies unter allen meteorologischen Bedingungen sowie selbst im Falle eines Atomkrieges. Sie waren hierzu mit hochentwickelten UHF– und EHF-​Transpondern ausgerüstet, was die Kommunikation mit Terminals in Landfahrzeugen, Flugzeugen, auf Schiffen und sogar U-​Booten ermöglichte. Die ersten beiden Exemplare der Milstar Baureihe zählten noch zum Entwicklungsprogramm DFS (Development Flight Satellite) und unterstützten nur Low-​Data-​Rate Verbindungen (75 bps bis 2.400 bps). Milstar 2 F1 verfügte nun erstmals auch über eine Medium-​Data-​Rate Nutzlast (4,8 kbps bis 1,544 Mbps). Die Millionen Dollar teure Nutzlast verfehlte jedoch die angestrebte Synchronbahn. Wegen eines Softwarefehlers absolvierte die Centaur Oberstufe nicht korrekt die vorgesehenen multiplen Zündungen, die nach dem Erreichen einer vorläufigen Parkbahn die Nutzlast zunächst auf einen Transferorbit und später auf eine Synchronbahn befördern sollten. Bei der Flugvorbereitung war eine Konstante falsch in das Steuerungsprogramm der Oberstufe eingegeben worden. Der Fehler blieb zwar nicht vollkommen unerkannt, wurde aber in seinen Konsequenzen nicht verstanden und auch nicht korrigiert. Die Stufe verlor daher nach der Trennung von der Titan-​Zweitstufe die Rollkontrolle und verbrauchte bei den vergeblichen Versuchen gegenzusteuern rasch den gesamten Lageregelungstreibstoff.
Dieser neuerliche Verlust ließ in den USA heftige Diskussionen über das Qualitätsmanagement bei den USAF Zulieferern aus der Raumfahrtbranche aufkommen. Denn seit August 1998 hatten aus unterschiedlichen Gründen bei drei Starts der Titan-​IV in Folge alle Nutzlasten nicht ihren vorgesehenen Orbit erreicht. Und bei der Untersuchung der Ursachen waren teilweise erhebliche Mängel und Versäumnisse aufgedeckt worden. Aber auch die Milstar Satelliten selbst rückten ins Zentrum der Kritik. Insbesondere ihre weiterhin unzureichende Datenübertragungsrate für eine angemessene Sprach-​, Daten-​, Teletype– und Facsimile-​Kommunikation wurde bemängelt und ließ den Nutzen der mehr als 800 Mio $ teuren Satelliten fraglich erscheinen. Eine Neubewertung des Projekts aus der Zeit des Kalten Krieges zeigte deutlich die Mängel des Systems, das nur schwer an die aktuellen neuen Einsatzgebiete (beispielsweise den Krieg im ehemaligen Jugoslawien) angepaßt werden konnte.