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Start einer Titan-IVB mit einer geheimen Nutzlast am 22.05.1999

Nach drei vorangegangenen Fehlstarts in Folge konnte die Titan IV endlich wieder einen Erfolg verbuchen, als sie am 22.05.1999 mit einer geheimen Nutzlast von der Vandenberg AFB abhob. Eingesetzt wurde erstmals die Version Titan-​404 B der Titan IVB. Was sich unter der offiziell als USA 144 bezeichneten Nutzlast verbarg, die von der Rakete in einem ungewöhnlichen Orbit in rund 3.000 km Höhe ausgesetzt wurde, ist umstritten. Zunächst verlautete inoffiziell, es handele sich um einen Radaraufklärungssatelliten vom Typ LACROSSE. Doch die eingesetzte 50-​ft. Nutzlastverkleidung war für diesen Satellitentyp zu klein. Die einzige Nutzlast, die in der Vergangenheit mit dieser Verkleidung gestartet worden war, war 1992 ein sogenannter „improved CRYSTAL“. Möglicherweise wurde also auch diesmal ein solcher Satellit mitgeführt oder es handelte sich um einen maritimen Überwachungssatelliten. Diese bestanden zwar gewöhnlich aus einem Mutter– und mehreren Subsatelliten, doch deren Fehlen hätte sich aus der Klassifizierung der Subsatelliten als „Weltraumschrott“ erklären können. Allerdings würde sich eine solche Verschleirung nicht mit dem Vorgehen bei anderen Starts der NOSS Reihe decken. Vieles spricht jedoch für einen großen Fotoaufklärungssatelliten, ein letztes Relikt aus der Zeit des kalten Krieges. Nach dem Golfkrieg hatten US Militärs verstärkt einen Fotoaufklärer gefordert, der das gesamte Gefechtsfeld bei hoher Auflösung überwachen konnte. Das ließ sich nur aus einer höheren Umlaufbahn bewerkstelligen, bedingte jedoch eine enorm leistungsfähige und somit auch große Kameraoptik. Somit entstand entgegen dem üblichen Trend zu kleineren Satelliten ein wahres Monstrum. Unter dem Codenamen „8X“ wurde seit den 1980er Jahren an mehreren Nachfolgeprojekten für die KeyHole KH-​11  Reihe gearbeitet. Der vielleicht letzte dieser Dinosaurier, der verwirklicht wurde, war möglicherweise USA 144. Daß der Satellit zudem eine lange Vorgeschichte hatte, ließ sich auch aus der Core-​Nummer (K-​12) der Trägerrakete ablesen. Bei den vorangegangenen Starts waren K-​32  bzw. K-​26  zum Einsatz gekommen. Das paßte auch dazu, ihn als Nachfolger eines 1990 bei der STS-​36  Space-​Shuttle Mission gestarteten Geheimsatelliten anzusehen. Doch gab der Satellit noch weitere Rätsel auf. Amateurbeobachtungen zeigten ein von diesem Start herrührendes Objekt weiterhin auf einer 63,4° geneigten Bahn zwischen 2.700 und 3.100 km Höhe. Nicht nur, daß diese für eine fotografische Aufklärung ziemlich ungeeignet gewesen wäre. Eine genauere Bahnverfolgung ließ auf ein Objekt mit einer Masse von wenigen 100 kg bei 5 bis 10 m Querschnitt schließen. Somit konnte es sich keinesfalls um die Hauptnutzlast des Starts handeln. Angenommen wird daher, daß es sich dabei um ein Fragment oder einen Täuschkörper (engl. decoy) handelt, während der eigentliche, MISTY 2 getaufte, Satellit in 700 bis 800 km Höhe kreiste.