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Start der Ariane 5 mit Artemis und BSat 2b
Artemis vor der Nutzlastverkleidung der Ariane
BSat 2b vor der Nutzlastverkleidung der Ariane

Ausgerechnet der zehnte Start einer Ariane-5G Rakete von Kourou endete am 12.07.2001 damit, daß die beiden Nutzlasten auf einem viel zu niedrigen Orbit strandeten. Dabei war einer von ihnen, der europäische experimentelle Kommunikationssatellit Artemis (Advanced Relay and Technology Mission Satellite), von der japanischen H-​II Rakete auf die Ariane 5 umgebucht worden, nachdem mehrere Fehlstarts Zweifel an der Zuverlässigkeit der ursprünglich gewählten Trägerrakete hatten aufkommen lassen. Nun endete der Satellit auf einem 590×17.487 km Orbit mit 2,94° Bahnneigung. Unabhängig davon war der Satellit aber vollkommen unter Kontrolle und alle Systeme arbeiteten normal. Fieberhaft arbeiteten Experten der ESA und von Alenia Spazio-​Telespazio an einer Rettung der Mission. Entgegen kam ihnen dabei, daß der Satellit nicht nur über einen konventionellen chemischen Antrieb, sondern auch über vier experimentelle Ionen-​Triebwerke verfügte. Also wurde der konventionelle Antrieb zwischen dem 18. und 20.07.2001 fünfmal gezündet, um das Apogäum auf 31.000 km anzuheben und den Satelliten aus den gefährlichen Strahlungsgürteln herauszubringen. Auch das Perigäum wurde drastisch angehoben. In einem zweiten Schritt wurde zwischen dem 22. und 24.07.2001 die Bahn zirkularisiert und die Bahnneigung auf 0,8° verringert. Nun konnten auch die Solarzellenflächen und Hauptantennen entfaltet werden. Nachdem eine neue Software für den Betrieb des Ionen-​Antriebs an den Bordcomputer übermittelt war (rund 20% der ursprünglichen Steuerungssoftware mußten überarbeitet werden), begann am 19.02.2002 eine mehrmonatige Phase, in der sich Artemis mit seinen 15 mN Triebwerken allmählich auf 36.000 km Höhe „schraubte“. Etwa 15 bis 20 km betrug der Höhengewinn pro Tag. 18 Monate nach dem Start, am 31.01.2003, erreichte Artemis schließlich doch noch seinen geostationären Orbit. Auf dem Weg dorthin hatte Artemis bereits eine Reihe von erfolgreichen Kommunikationsexperimenten absolviert. Er fungierte als Datenrelais für Übertragungen anderer Satelliten im S– und Ka-​Band und demonstrierte erfolgreich einige Kernkomponenten des geplanten europäischen Navigationssatellitensystems EGNOS. Die L-​Band Nutzlast erlaubte die mobile Daten– und Sprach-​Kommunikation zwischen Handys in Europa und Nordafrika. Besondere Beachtung fand aber das SILEX Experiment zur Laserkommunikation. Nicht nur mit einer ESA Bodenstation auf Teneriffa konnte kommuniziert werden, auch Bilddaten des auf einer niedrigeren Bahn fliegenden Erderkundungssatelliten SPOT 4 wurden am 30.11.2001 erstmals via Artemis nach Toulouse übertragen. Im März 2003 wurden Bilddaten von Envisat übermittelt und kurz darauf eine Verbindung im Ka– und S-​Band zwischen Artemis und dem japanischen Erderkundungssatelliten ADEOS II hergestellt. Am 09.12.2005 gelang auch die Demonstration einer Laser-​Kommunikation zwischen dem japanischen OICETS (Optical Inter-​orbit Communication Engineering Test Satellite) und Artemis. Mit einem Treibstoffvorrat für immerhin noch zehn Jahre stand Artemis über 21,5° Ost für vielfältige Kommunikationsexperimente bereit und wurde immer wieder für nicht-​kommerzielle Übertragungen beispielsweise im Katastrophenfall eingesetzt. Allerdings wurde bewußt darauf verzichtet, Treibstoff für die Stabilisierung der Bahnneigung aufzuwenden. Diese wuchs daher im Laufe der Jahre zunehmend an, so daß die Antennen am Boden nun dem Satelliten nachgeführt werden mußten. Im Laufe des Jahres 2014 übertrug die ESA ihre Rechte an dem Satelliten auf das britische Unternehmen Avanti Communications, die seine Kapazitäten fortan kommerziell vermarkteten. 2016 wurde Artemis auf 123° Ost verschoben, um die L-​Band Frequenzrechte Indonesiens auf dieser Position zu erhalten. Nach dem Ausfall von Garuda 1 Mitte 2015 drohte die ungenutzte Frequenz anderweitig vergeben zu werden. Im November 2017 endete auch dieser Einsatz und Artemis wurde auf einen sicheren „Friedhofsorbit“ befördert.
Während also die Artemis Mission in einer spektakulären Anstrengung noch gerettet werden konnte, war das Schicksal des zweiten Passagiers der Ariane V142 Mission weitaus profaner. BSat 2 b war ein kleiner Ku-​Band Satellit mit lediglich vier Hochleistungstranspondern. Die japanische Broadcasting Satellite System Corporation hatte ihn im November 1998 zusammen mit dem bereits im März 2001 gestarteten Schwestersatelliten BSat 2a bei der Orbital Sciences Corporation bestellt. Glücklicherweise sollte BSat 2 b zunächst als in in-​Orbit Reserve für BSat 2a fungieren und so bedeutete sein Verlust kein unmittelbares Problem für den Betreiber. Denn im Gegensatz zu Artemis verfügte BSat 2 b lediglich über ein Feststofftriebwerk als Apogäumsstufe. Auch unter Einsatz der MMH-​Triebwerke, die eigentlich für die Korrektur der Drift in der Synchronbahn vorgesehen waren, ließ sich die Mission nicht retten. Der Satellit wurde daher aufgegeben und die Versicherungssumme fällig. Im September 2001 erhielt die OSC den Auftrag, einen Ersatzsatelliten, BSat 2c, zu bauen. Dieser erreichte im Juni 2003 seine Bahn.
Nach dem Zwischenfall mit der Ariane V142 Mission setzten Arianespace und ESA eine Untersuchungskommission ein. Einige Wochen später veröffentlichte sie ihre Erkenntnisse. Danach bestand eine bis dahin nicht erkannte hydraulische Kopplung zwischen dem Treibstoffspeisesystem und den internen Kreisen der Brennkammer des „Aestus“ Oberstufentriebwerks. Das führte bei diesem Flug zu einer unsauberen Zündung des Triebwerks mit Verbrennungsinstabilitäten. Diese wiederum bewirkten einen zu hohen Treibstoffverbrauch bei verringertem Schub und eine vorzeitige Abschaltung des Triebwerks. Als Konsequenz dieser Erkenntnisse wurden konstruktive Änderungen an der Brennkammer eingeführt und diese bei einer Reihe von Prüfstandläufen erfolgreich verifiziert. Ein vergleichbares Problem trat danach auch bei keiner Ariane 5 wieder auf.