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Superbird 6

Im September 2001 erteilte der japanische Satellitenbetreiber Space Communications Corporation seinem langjährigen Lieferanten Boeing Satellite Systems (vormals Hughes Space and Communications) den Auftrag zum Bau eines weiteren BSS-​601  Satelliten. Der Startvertrag wurde mit International Launch Services unterschrieben, die eine Atlas-​IIAS für diese Mission bereitstellten. Die mit vier Feststoffboostern verstärkte Rakete hatte einen derartigen Leistungsüberschuß, daß sich die Missionsplaner diesen zunutze machten, um den Satelliten besonders treibstoffsparend auf eine Synchronbahn zu befördern. Man wählte eine sogenannte „supersynchrone“ Transferbahn, bei der das Apogäum weit höher als die üblichen 36.000 km einer Standard-​Transferbahn ins All reichte. Diesmal lag das Apogäum bei sensationellen 122.343 km! Der Vorteil einer solchen Bahn liegt darin, daß für die folgenden Bahnmanöver deutlich weniger Treibstoff aufgewendet werden muß. Nach dem erfolgreichen Start des Satelliten am 16.04.2004 wurde diese Ersparnis auch groß herausgestellt, erhoffte sich der Betreiber SCC doch eine Verlängerung der Lebensdauer des Satelliten von mehreren Jahren. Während aber noch entsprechende Pressemitteilungen veröffentlicht wurden, kämpften die Experten im Kontrollzentrum hektisch um die Rettung des Satelliten. Denn die Kehrseite des hohen Apogäums war auch ein sehr niedriges Perigäum von 167 km. Wie sich zeigte, hatte Boeing, wo die Bahnvorgaben erarbeitet worden waren, den Gravitationseinfluß des Mondes nicht genügend einkalkuliert. Ehe man darauf reagieren konnte, war das Perigäum auf unter 100 km abgesunken, wodurch Superbird 6 (Superbird-​A2) beim Durchflug durch die Atmosphäre extremer Reibungshitze ausgesetzt war. Als es gelang, das Triebwerk des Satelliten zu zünden und das Perigäum anzuheben, hatte er bereits schwere Schäden erlitten. Kritisch war die Situation auch, weil sich die Batteriekapazität des Satelliten dem Ende näherte, die Solarzellenflächen aber wegen der großen Erdnähe noch nicht entfaltet werden konnten. Die äußeren Segmente der Solarzellenflächen waren bereits beschädigt worden und lieferten nur noch einen Bruchteil der projektierten Leistung. Außerdem war ein Großteil des Treibstoffs bei dem Notmanöver und zum Einflug in die geostationäre Bahn aufgebraucht worden. Die erwarteten dreizehn Jahre Lebensdauer konnten keinesfalls mehr erreicht werden. Auch war ein gleichzeitiger Betrieb aller 23 Ku-​Band und 4 Ka-​Band Transponder aufgrund der verringerten Leistungsausbeute der Solarzellen nicht mehr möglich. Daraufhin verschob die SCC als Eigner des Satelliten die für Juli 2004 geplante Indienststellung. Als am 28.11.2004 dann auch noch einer der Treibstofftanks die Druckbeaufschlagung einbüßte, gab man diese Pläne wohl endgültig auf. Jedenfalls wurde Superbird 6 nie offiziell in Dienst gestellt. Bereits ab Dezember 2005 operierte der Satellit nur noch auf einem inklinierten Orbit. Für den Verlust zahlten die Versicherer der SCC 243,4 Mio. $ an Kompensationszahlungen. Der Versuch der Versicherungsunternehmen, ihrerseits Schadenersatz von Boeing zu erhalten, endete Anfang des Jahres 2009 mit einem Vergleich, in dem Boeing lediglich eine geringe Erstattung auferlegt wurde.