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die Delta 7920 mit der GP-B Sonde
GP-B vor dem Schließen der Nutzlastverkleidung

Bereits 1976 hatten NASA Wissenschaftler den Versuch unternommen, mit einer suborbitalen Sonde einen Teilaspekt der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein experimentell zu bestätigen. Dazu wurde ein Wasserstoff-​Maser als hochpräzise „Atomuhr“ mit einer Scout Rakete von Wallops Island auf rund 10.000 km Höhe befördert. Während des 1:55 h dauernden Fluges wurden die Zeitmeßdaten kontinuierlich übertragen. Tatsächlich gelang es, die von Einstein vorausgesagte Beschleunigung des Zeitflusses bei verringerter Gravitation experimentell mit der Gravity Probe A (GP-​A) Mission zu bestätigen. Daraufhin wandten sich die Wissenschaftler einer noch anspruchsvolleren zweiten Mission zu. Diese war bereits 1959 konzipiert worden und wurde seit 1964 von der NASA finanziert. Mit Gravity Probe B (GP-​B) sollten zwei andere Aussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie überprüft werden. Einstein hatte vorhergesagt, daß eine Masse im Raum die lokale Raumzeit verformt („gekrümmte Raumzeit“). Der Lense-​Thirring-​Effekt hingegen, den zwei Kollegen Einsteins formuliert hatten, sagte voraus, daß die Rotation einer Masse im Raum die lokale Raumzeit mitreißt und sich diese dadurch „verdrillt“. Um den experimentellen Nachweis dieser Effekte anzutretetn, entwickelten die Wissenschaftler extrem präzise kryogen gekühlte Gyroskope. Die Gravity Probe sollte nun exakt auf einen Stern ausgerichtet werden, während man die allmähliche Auslenkung der Gyroskope beobachtete. Vorausgesagt wurde eine Neigung der Kreiselachse um 6,606 Bogensekunden (0,0018°) pro Jahr aufgrund der Raumzeit-​Krümmung. Nur ein Bruchteil (0,039 Bogensekunden bzw. 0,000011°) dieser ohnehin winzigen Abweichung wurde dagegen vom Lense-​Thirring-​Effekt erwartet. Nicht nur die Instrumentierung der Gravity Probe B mußte höchsten Standards genügen. Auch der Start mußte auf die Sekunde genau zur berechneten Zeit erfolgen und die Bahn mit höchster Präzision erreicht werden. Der Auftakt der Mission, der Start der Delta 7920 am 20.04.2004 von der Vandenberg AFB, gelang nach mehrmaliger Verschiebung mit der notwendigen Exaktheit. Nachdem auch die Bahn präzise bestimmt und vermessen war, konnten im August 2004 die Messungen aufgenommen werden. Drei Jahre später wurden die ersten Ergebnisse vorgestellt. Zwar hatten unerwartet elektrostatisch bedingte Ablagerungen zu Abweichungen in den Drehparametern der Gyroskope geführt. Diese mußten nun mühsam herausgerechnet werden. Während die Mehrzahl der Wissenschaftler trotzdem in den bereinigten Meßwerten eine Bestätigung der Relativitätstheorie sah, zweifelten andere diese auch weiterhin an. Insofern änderte die 760 Mio. $ teure Mission nichts an der Spaltung der weltweiten Wissenschaftsgemeinde. Diejenigen, deren Weltbild auf Einsteins Theorien aufbaute, verfügten nun aber auch über experimentelle Daten, die dieses — nach ihrer Meinung — stützte. Weitere Zweifel sollte die Gravity Probe C ausräumen, die angesichts der damit verbundenen Herausforderungen aber wohl noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen dürfte. Falls das ambitionierte Projekt jemals eine Finanzierung erhalten sollte.