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Start der Delta 7920 mit EOS „Aura“
EOS-Chem 1 bei Northrop Grumman

1989 entstand bei der NASA der Vorschlag für zwei je 15 Tonnen schwere Forschungsplattformen, die mit einer umfangreichen und vielfältigen Sensorausstattung die komplexen Prozesse im Ökosystem der Erde erstmals umfassend erforschen sollten. Die Studie trug den Namen EOS (Earth Observing System) und sah vor, die Mission über einen Zeitraum von zwölf bis fünfzehn Jahren laufen zu lassen. Um dieses Ziel zu erreichen, waren im Abstand von jeweils fünf Jahren je zwei Titan IVB Starts mit einem dieser großen Forschungsplattformen vorgesehen. Doch angesichts der enormen Kosten und hohen Risiken des Projekts mußte die NASA auf einen anderen Ansatz ausweichen. Statt die Fülle der Instrumente auf nur zwei Satelliten zu verteilen, verfolgte sie nun den Ansatz, ein vergleichbares Ergebnis unter Einsatz vielfältiger Satelliten zu erreichen. Einige Sensoren flogen daraufhin als sekundäre Instrumente bei anderen Missionen mit. Der größte Teil wurde aber auf eine neu konzipierte Flotte von dedizierten EOS Satelliten verteilt. Um dennoch zeitlich und räumlich abgestimmte Messungen mit den auf verschiedene Satelliten verteilten Instrumenten auführen zu können, konzipierten die Missionsplaner das „A-​Train“ Konzept, bei dem die Satelliten einander auf einer exakt abgestimmten Bahn im Abstand von wenigen Minuten oder gar nur Sekunden folgten. Eine der zentralen Missionen war dabei EOS Chemistry 1 (EOS-​Chem 1). Dieser Satellit wurde mit folgenden Instrumenten ausgerüstet: HIRDLS - High Resolution Dynamics Limb Sounder, MLS - Microwave Limb Sounder, OMI - Ozone Monitoring Instrument und TES - Tropospheric Emission Spectrometer. Diese Suite von Sensoren war speziell für Untersuchungen der horizontalen und vertikalen Verteilung von Treibhausgasen, Aerosolen und anderen klimarelevanten Stoffen konzipiert. Die Messungen sollten auch vor allem Informationen zur zeitlichen und räumlichen Verteilung dieser Stoffe geben. Nach jahrelanger Vorbereitung war der Start des inzwischen EOS „Aura“ genannten Satelliten schließlich für den 29.01.2004 geplant. Doch auch Starttermine im Februar und März 2004 konnten nicht wahrgenommen werden. Erst am 01.04.2004 traf der Satellit auf der Vandenberg AFB ein. Der Start wurde nun für den 17.06.2004 angekündigt. Bei den Startvorbereitungen trat jedoch ein Problem mit der Helium Druckbeaufschlagung der zweiten Stufe der Delta II Rakete für „Aura“ auf. In Verbindung mit technischen Problemen an einer anderen Delta II verzögerte sich der Start daraufhin weiter bis auf den 08.07.2004. Da das Startfenster für die zeitkritsche Mission nur ca. 3 Minuten lang war, gab es nur einen geringen Spielraum, technische Probleme mit der Rakete während eingebauter „Holds“ im Countdown zu lösen. Deshalb wurde besonderer Wert auf eine perfekt durchgecheckte Rakete gelegt. Und so wurde auch eine weitere Verzögerung in Kauf genommen, um eine Elektronikbox einer nochmaligen Inspektion zu unterziehen, nachdem deren Hersteller auf ein potentielles Problem aufmerksam gemacht hatte. Schließlich konnte der Countdown für einen Start am 14.07.2004 aufgenommen werden. Doch als auf die interne Stromversorgung der Delta 7920 umgeschaltet wurde, lag die Kapazität einer der Batterien in der Zweitstufe unter dem Grenzwert. Daraufhin mußte der Start nochmals um 24 Stunden verschoben werden. Trotz schlechter Wetterprognosen gelang am 15.07.2004 der Start. Mit großer Perfektion nahm „Aura“ seine Position am Ende des „A-​Train“ ein. Nach einer Kalibrierungsphase wurde schließlich mit der routinemäßigen Sammlung von Daten am 14.10.2004 begonnen. Im Laufe seiner langen Mission lieferte der Satellit nicht nur eine Fülle wissenschaftlicher Daten, er mußte auch mit einer Reihe technischer Probleme fertig werden. Darunter waren der Verlust einiger Solarzellen, teils auch als Folge eines Mikrometeoriten-​Treffers, und ein temporärer Ausfall eines Reaktionsrades. Sie alle gefährdeten den Erfolg des Unternehmens nicht. Doch ab 2010 kam es zu sporadischen Blockaden der Mechanik des TES Instruments. Das Ausmaß des Problems wuchs zunehmend, 2017 ging ein halbes Jahr an Meßdaten verloren. Und so wurde TES Ende Januar 2018 außer Betrieb genommen. Eigentlich war der Start von mindestens zwei Nachfolgemissionen im Abstand von jeweils fünf Jahren geplant gewesen. Doch wurde nie das nötige Budget bereitgestellt. Und so hofften die Wissenschaftler darauf, „Aura“ mit möglichst vielen seiner Instrumente auch noch weit über das berechnete Missionsende 2023 hinaus betreiben zu können.