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die erste Ariane-5G+ auf dem Starttisch
letzte Startvorbereitungen für „Rosetta“ (links sichtbar der „Philae“ Lander)
„Rosetta“ (Blick auf die Parabolantenne) bei der finalen Startvorbereitung
Bildmosaik aus OSIRIS Aufnahmen des Asteroiden Steins
OSIRIS Aufnahme von Lutetia im Moment der maximalen Annäherung
Aufnahme der OSIRIS Kamera von 67P/​Churyumov-​Gerasimenko vom 03.08.2014
die CIVA Kamera des Kometenlanders „Philae“ lieferte am 13.11.2014 dieses Bild
NavCam Aufnahme von 67P/​Churyumov-​Gerasimenko mit deutlichen Zeichen von Aktivität auf der Oberfläche
Philaes Landeanflug rekonstruiert

Mit über einjähriger Verzögerung hob am 02.03.2004 die Ariane-5G+, das erste Exemplar dieses leistungsgesteigerten Interimsmodells, mit der Raumsonde „Rosetta“ von Kourou ab. Die Mission, die die Entwicklung eines Orbiters und eines kleinen Landers für einen Kometen vorsah, war 1993 von den ESA Mitgliedsstaaten beschlossen worden. Als Ziel hatten die Experten den Kometen 46P/Wirtanen ausgewählt. Zwei Lander, der europäische „Roland“ und der amerikanisch-​französische „Champollion“, sollten die Kometenmaterie untersuchen, in der viele Wissenschaftler nahezu unverändertes Material aus der Urzeit unseres Sonnensystems sehen. Das „Rosetta“ Projekt war im Laufe seiner langen Entwicklungszeit immer wieder Anpassungen unterworfen. So zogen sich die USA aus dem Projekt zurück und die Flugbahn wurde zugunsten anderer Prioritäten mehrfach geändert. Ende 2002 schien der Weg aber frei für ein Rendezvous mit der Geschichte, als der Fehlstart der Ariane-5ECA bei ihrem Jungfernflug am 11.12.2002 alles veränderte. Niemand wollte die Verantwortung übernehmen, die wertvolle „Rosetta“ Mission der nächsten Ariane-​5  anzuvertrauen, ohne daß die Ursache des Fehlstarts aufgeklärt war. Bis zum Ende des vom 13. bis 29.01.2003 reichenden Startfensters lag aber noch kein Bericht der Untersuchungskommission vor. Daher mußte der Start zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Eine daraufhin untersuchte Option war der Start im Herbst 2003 mit einem zusätzlichen fly-​by Manöver an der Venus. Doch bei dieser Variante wären die Sonde und ihre Instrumente zu starken Temperaturschwankungen ausgesetzt gewesen. Schließlich wurde eine neue Mission ausgearbeitet. Das ursprüngliche Ziel, 46P/Wirtanen, mußte man allerdings fallenlassen. Stattdessen wurde 67P/Churyumov-​Gerasimenko ausgewählt, der sich bei einem Start mit einer Ariane 5G+ im Februar 2004 binnen elf Jahren erreichen ließ. Mit einem Kerndurchmesser von etwa 4 km ein typischer Komet, war das neue Ziel doch etwa viermal so groß wie der ursprünglich gewählte 46P/Wirtanen. Das bedeutete eine stärkere Gravitation und damit auch eine höhere Belastung für das Landegestell von „Roland“. Dennoch erschien diese Variante unter den gegebenen Umständen als die beste. Als neuer Starttermin wurde schließlich Ende 2003 der 26.02.2004 festgesetzt. Doch an diesem Tag verhinderten zu starke Höhenwinde einen Start. Am nächsten Tag fanden Techniker ein etwa 10×15 cm großes Stück Dämmmaterial, das sich von der Rakete gelöst hatte, auf der Startrampe. Aus Sicherheitsgründen wurde daraufhin der Countdown abgebrochen, die Rakete enttankt. Im Montagegebäude wurde der Schaden dann mit einem extra aus Europa eingeflogenen Spezialkunststoff ausgebessert. Im dritten Anlauf gelang dann schließlich ein perfekter Start. Die Endstufe der Ariane mit ihrer Nutzlast bewegte sich nach der Stufentrennung für die nächsten 105 min auf einer ballistischen Bahn bis in 3.800 km Höhe. Bei ihrem planmäßigen Rücksturz wurde in 650 km Höhe das „Aestus“ Triebwerk für 17 Minuten gezündet, woraufhin die Erde in 225 km Entfernung passiert wurde. „Rosetta“ und der inzwischen auf den Namen „Philae“ getaufte ehemalige Rosetta Lander („Roland“) waren damit auf dem Weg zu einem mehr als 11-​jährigen Abenteuer. Die wissenschaftliche Ausrüstung der Muttersonde bestand aus den Experimenten ALICE — einem abbildendes Ultraviolett-​Spektrometer, CONSERT (Comet Nucleus Sounding Experiment by Radio Wave Transmission) — einem Sender/Empfänger für langwellige Radiosignale zur Erkundung des Kometenkerns, COSIMA (Cometary Secondary Ion Mass Analyser) — einem Detektor und Analysekomplex für Staubpartikel, GIADA (Grain Impact Analyser and Dust Accumulator) zur Bestimmung der Anzahl, Größe und Geschwindigkeit der Staubkörnchen in der Koma, MIDAS (Micro-​Imaging Dust Analysis System) zur Analyse der Mikrostruktur der Staubteilchen, MIRO (Microwave Instrument for the Rosetta Orbiter) zur Ermittlung der Produktionsrate von Gasmolekülen sowie der Temperatur nahe der Oberfläche des Kometenkerns, OSIRIS (Optical, Spectroscopic, and Infrared Remote Imaging System) — einem Kamerasystem zur Beobachtung des Kerns und seiner Umgebung, ROSINA (Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis) — einem Spektrometer u.a. zur Bestimmung des Atomgewichts von Gaskomponenten und zur Unterscheidung von Isotopen, dem RPC (Rosetta Plasma Consortium) — einem Komplex von Ionen– und Elektronendetektoren zur Beobachtung von Wechselwirkungen von Koma und Schweif mit dem Sonnenwind, RSI (Radio Science Investigation) zur Bestimmung von Gravitation, Form und Dichteverteilung des Kometenkerns anhand von Dopplermessungen und schließlich VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) — einem Spektrometer zur Ermittlung der Zusammensetzung und Temperatur der Oberfläche und zur Charakterisierung der Gasmoleküle in der Koma. Auch der winzige Lander war umfassend instrumentiert. An Bord waren APXS ((Alpha Particle X-​ray Spectrometer) — ein Röntgenspektrometer zur Untersuchung der Verteilung chemischer Elemente auf der Oberfläche des Kometen, CIVA (Comet Infrared and Visible Analyzer) — zur fotografischen Erkundung des Landeumfeldes und der gewonnenen Bodenproben, CONSERT (Comet Nucleus Sounding Experiment by Radio Wave Transmission) — das Gegenstück zu dem gleichnamigen Experiment auf dem Orbiter, COSAC (Cometary Sampling and Composition) — zur Bestimmung der chemische Zusammensetzung der gefrorenen Oberfläche bis in 30 cm Tiefe, MUPUS (Multi-​Purpose Sensors for Surface and Sub-​Surface Science) — zur Messung der Oberflächentemperatur und der thermische Leitfähigkeit des Bodens, PTOLEMY (Methods Of Determining and Understanding Light elements from Unequivocal Stable isotope compositions) zur Untersuchung der isotopischen Zusammensetzung der Bohrproben durch ein Massenspektrometer mit vorgeschaltetem Gaschromatographen, ROLIS (Rosetta Lander Imaging System) — ein nach unten gerichtetes Kamerasystem u.a. zur Gewinnung von Bildern während des Landeanflugs, ROMAP (Rosetta Lander Magnetometer and Plasma Monitor) — zur Messung des Magnetfeldes von 67P/Churyumov-​Gerasimenko, SD2 (Sample, Drill and Distribution) — ein Probenentnahmengerät für bis zu 20 cm lange Bohrkerne und SESAME (Surface Electrical, Seismic and Acoustic Monitoring Experiments) — bestehend aus einem Sensorpaket zur Messung der mechanischen und elektrischen Eigenschaften der Kometenoberfläche sowie aus einem Staubeinschlagmonitor.
Am 04.03.2005 unternahm „Rosetta“ ein erstes fly-​by Manöver an der Erde, ein weiteres folgte am 25.02.2007 am Mars und am 13.11.2007 holte die Sonde nochmal Schwung an der Erde. Ein erster echter Test der Instrumente von „Rosetta“ fand am 05.09.2008 statt, als die Sonde den Asteroiden Steins in nur 800 km Entfernung passierte. Der Vorbeiflug erfolgte mit 8,62 kms–1 , so daß zum Ausgleich die Sonde nachgeführt werden mußte. Das Manöver gelang recht gut und das OSIRIS Instrument lieferte gut detaillierte Bilder des nur 5 km großen diamantförmigen Himmelskörpers. Fasziniert waren die Wissenschaftler vor allem davon, daß der Asteroid den Einschlag eines Objektes überstanden hatte, der immerhin einen Krater von 1,5 km Durchmesser hinterließ. „Rosetta“ hatte den ersten Großeinsatz seiner wissenschaftlichen Instrumente erfolgreich bestanden. Nach einem letzten Vorbeiflug an der Erde am 13.11.2009 sah der Flugplan für den 10.07.2010 die Begegnung mit dem Asteroiden Lutetia vor. Auch dieses Manöver gelang präzise. Wieder lieferten die Instrumente hochinteressante Meßwerte und Bilder. Die maximale Annäherung lag diesmal bei 3.162 km. Markantestes Merkmal des Asteroiden war eine gewaltige Depression. Ein Jahr nach dem Vorbeiflug an Lutetia wollten die Wissenschaftler die Sonde in einen 2½-​jährigen Tiefschlaf versetzen, aus dem sie erst ein halbes Jahr vor der Ankunft an 67P/Churyumov-​Gerasimenko wieder aufgeweckt werden sollte. Für den Mai 2014 war das Einschwenken in einen Orbit um den Kometen geplant, das Absetzen des Landers „Philae“ für den November 2014. Tatsächlich erfolgten am 21.05., 04.06. und 18.06.2014 drei große Bremsmanöver, bei denen das Haupttriebwerk von „Rosetta“ fast 17 Stunden brannte. Damit verringerte sich die Relativgeschwindigkeit zwischen Sonde und Komet um fast 650 ms–1 . Bis zum 06.08.2014 folgten noch sechs weitere keine Bremsmanöver, bei denen weitere rund 100 ms–1  Relativgeschwindigkeit abgebaut wurden. „Rosetta“ flog nun etwa 100 km vor dem Kometen mit einer Geschwindigkeitsdifferenz zu 67P/Churyumov-​Gerasimenko von unter 1 ms–1 . In einem Wechsel aus antriebslosen Phasen und solchen unter Triebwerksschub navigierte die Sonde nun im Umfeld des Kometen, bis Mitte September 2014 ein echter, noch elliptischer, Orbit in etwa 30 km Höhe angesteuert wurde. Gefolgt von einem 10 km Orbit im Oktober. Das Absetzen des Landers „Philae“ erfolgte am 12.11.2014. Dessen Landung verlief als einziges Element der Mission leider nicht nach Plan. „Philae“ setzte zwar in dem ausgewählten Zielgebiet auf, doch die Mikrotriebwerke, die den Lander auf die Kometenoberfläche pressen sollten, bis ihn Harpunen und Eisschrauben fixieren konnten, ließen sich nicht aktivieren. „Philae“ prallte bei der extrem geringen Gravitation des Kometen wieder ab, flog eine beachtliche Distanz, setzte erneut auf und vollführte noch mindestens einen weiteren Sprung, bis der Lander auf zwei Beinen, offenbar an einem Vorsprung lehnend, endlich zum Stillstand kam. Die Position war leider so günstig, daß nicht alle Instrumente aktiviert werden konnten und die Sonneneinstrahlung so gering, daß die Batterien bald erschöpft waren. Dennoch konnten wertvolle Meßdaten und Bilder von der Kometenoberfläche übertragen werden, bevor der Kontakt abbrach. Zwar konnten am 13.06.2015, kurz vor der größten Sonnenannäherung, nochmal Signale von „Philae“ empfangen werden, brauchbare Daten waren aber wohl nicht darunter. „Rosetta“ begleitete den Kometen unterdessen weiter auf seiner Bahn um die Sonne und lieferte detaillierte Bilder und umfangreiche Daten. Zum Ende der Mission planten die ESA Wissenschaftler im September 2016 die „Landung“ auf dem Kometen. Natürlich war die Sonde dafür nie ausgelegt worden. Doch hatte die NASA Sonde NEAR Shoemaker Anfang 2001 unter vergleichbaren Umständen eine sanfte Landung auf dem Asteroiden „Eros“ vollzogen und noch zwei Wochen Daten von dessen Oberfläche gesendet. Das Terrain von 67P/Churyumov-​Gerasimenko war allerdings schwieriger und die riesigen Solarzellenflächen von „Rosetta“ denkbar ungeeignet für das Manöver. Dennoch schien ein solcher Versuch sinnvoller, als die Sonde einfach abstürzen zu lassen. Tatsächlich setzte „Rosetta“ am 30.09.2016 sanft auf dem Kometen auf. Um 11:19 UTC brach das Funksignal ab. Erwartungsgemäß hatte die Sonde die Landung trotz der nur etwa 0,9 ms–1  Aufprallgeschwindigkeit nicht überstanden. Doch zuvor waren noch einige großartige Nahaufnahmen übertragen worden. Die letzte Aufnahme, die etwa 5 s vor dem Aufprall aus ca. 20 m Abstand entstanden war, war schon nicht mehr fokussiert und mußte aus Zeitmangel hochkomprimiert übertragen werden. Dennoch war sie ein historisches Dokument und der würdige Abschluß einer denkwürdigen Mission. Einen Monat zuvor, am 02.09.2016, hatte die Kamera allerdings ein Foto aufgenommen, das mehr Aufmerksamkeit erregt hatte. Denn darauf war der seit fast zwei Jahren verschollene Lander „Philae“ zu sehen, auf der Seite liegend, am Fuße eines Felsüberhangs.