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die startbereite Ariane-5ES mit dem dritten ATV
André Kuipers im Inneren des ATV
ATV-3 im Anflug auf die ISS

Mit dem Beginn des permanenten bemannten Betriebs der ISS machte sich eine enge Abstimmung der Versorgungsflüge zur Raumstation zwischen den Partnern erforderlich. Dabei mußten vielfältige Belange berücksichtigt werden. Insbesondere bei Missionen des Space Shuttle zur ISS spielte der Sonnenstand eine bedeutende Rolle. Andererseits vermieden die russischen Missionsplaner die Rückkehr bemannter Sojus Raumschiffe im tiefsten Winter. Zwischen den bemannten Flügen mußten die unbemannten Progress Raumtransporter in möglichst regelmäßigen Abständen ihren Nachschub anliefern. Nachdem auch Japan mit dem HTV und Europa mit dem ATV begannen, ihren Teil zur Versorgung der Raumstation beizutragen, mußten auch deren Belange Berücksichtigung finden. Bereits Probleme mit einem der Raumtransportsysteme zogen daher leicht eine Kette an Terminverschiebungen nach sich. So auch im Jahr 2011, als zunächst das Space Shuttle außer Dienst gestellt wurde und unmittelbar danach eine Sojus-​Rakete mit einem Progress-​Transporter einen Fehlstart erlitt. Dann verschob sich auch noch der erste Demonstrationsflug des privaten „Dragon“ Versorgungsraumschiffs des US Unternehmens SpaceX auf das Frühjahr 2012. Betroffen von den fortwährenden Terminänderungen waren auch die für 2012 geplanten ATV– und HTV-​Flüge. Die japanische Mission war bereits auf den Sommer verschoben worden und auch der Flug des ATV 3 „Edoardo Amaldi“ verzögerte sich um einige Wochen. Ende 2011 wurden die Beladung abgeschlossen und die letzten Vorbereitungen für einen Start im Februar 2012 aufgenommen. Anfang des Jahres präzisierte man den Starttermin auf den 09.03.2012. Doch eine Woche vor diesem Termin gab die ESA überraschend bekannt, daß der Start wegen Zweifeln an der Sicherheit des ATV verschoben werden müsse. Konkret wurde aufgeführt, daß Zweifel bestanden, ob das Spannschloß eines Sicherungsgurtes im Frachtraum des ATV korrekt gesichert war. Daher entschied man sich, die Nutzlastverkleidung wieder abzunehmen, die Frachtluke des ATV zu öffnen und die Fixierung der Trockenfracht nochmals zu verifizieren. Zwar bestand nach Meinung der Experten nur ein minimales Risiko, daß sich einer der Frachtbeutel lösen und unkontrolliert durch den Laderaum fliegen könnte. Doch schloß man auch dieses besser aus. Am 23.03.2012 um 04:34 UTC hob die Ariane-5ES dann schließlich von Kourou ab. Planmäßig erreichte der mit 6.960 kg Fracht beladene Frachter seine Ausgangsbahn für die Bahnmanöver, die ihn zu einem Docking mit der ISS am 28.03.2012 führen sollten. Zunächst war befürchtet worden, daß sich der Mast einer Kommunikations-​Antenne nicht ausgeklappt hatte. Doch mit einigen Stunden Verspätung meldete der entsprechende Sensor doch noch, daß der Proximity Link Antenna Boom korrekt eingerastet war. Mit der bereits bei den vorangegangenen Missionen demonstrierten Präzision näherte sich das 20 Tonnen Raumschiff der ISS und dockte am 28.03.2012 um 22:31 UTC am „Swjesda“ Modul an. Am folgenden Tag öffnete die Besatzung die Luke zum ATV. Wegen seines großen Innenvolumens wurden die ATV von den ISS Crews gern als zusätzliches Raumstationsmodul bezeichnet und auch als solches genutzt, z.B. als Schlafquartier. Am 30.03.2012 unterbrach aber zunächst ein Zwischenfall die Aktivitäten mit dem ATV. Das Fehlerdetektionssystem hatte eine Unterbrechung im elektrischen Einspeisesystem von „Edoardo Amaldi“ erkannt. Daraufhin wurde zunächst auf die interne Stromversorgung und dann auf das Backup-​System umgeschaltet. Das stellte sicher, daß die Batterien des ATV während des Aufenthalts an der ISS nachgeladen werden konnten. Allerdings wurden damit eine Reihe von Notfallprozeduren in Kraft gesetzt. So wurden der Energieverbrauch des ATV minimiert und die Crew angewiesen, Frachtgüter gemäß einer Prioritätenliste rasch zu entladen. Nachdem die stabile Funktion der Backup-​Systeme aber bestätigt war, ging man wieder zu den Routine-​Abläufen über und auch ein erster Test der Manövrierfähigkeit der ISS unter Einsatz der ATV Triebwerke konnte am 31.03.2012 erfolgreich unternommen werden. Am 05.04.2012 wurde dann die Bahn um 3,86 km angehoben. Zur Vorbereitung der Landung von Sojus TMA-​22 folgte am 25.04.2012 eine weitere 16-​minütige Zündung, durch die die mittlere Bahnhöhe um weitere 4,1 km wuchs. Insgesamt acht Bahnmanöver wurden bis zum 22.08.2012 unter Einsatz der ATV-​Triebwerke unternommen. Auch die für den 25.09.2012 geplant Abkopplung des ATV verzögerte sich um einige Tage, als Kommunikationsprobleme zwischen dem Frachter und dem russischen „Swjesda“ Modul registriert wurden und dann auch noch die Notwendigkeit eines Debris Avoidance Maneuver (DAM) diskutiert wurde. Am 28.09.2012 um 21:44 UTC löste sich schließlich die Verankerung. Der zerstörerische Wiedereintritt in die Atmosphäre war dann am 03.10.2012 um 01:23 UTC vollzogen. Daten von dieser letzten Flugphase lieferte ein Reentry Breakup Recorder. Nachdem die Apparatur bei der ATV 2 Mission versagt hatte, war diesmal ein weiter von den Triebwerken und Treibstofftanks entfernter Montageort gewählt worden. Das zahlte sich offenbar aus.