Address:
„Shi­zuku“ im All
Demonstratorsatellit SDS 4
KOMPSat 3 im All

Die japanischen Bemühungen um einen Anteil am kommerziellen Satellitenstartgeschäft waren auch nach Einführung der im internationalen Vergleich wettbewerbsfähigen H-​IIA Rakete nur von bescheidenem Erfolg gekrönt gewesen. Lediglich der Mitflug eines kleinen Subsatelliten aus Australien war realisiert worden, als es gelang, tatsächlich den Auftrag zum Start des südkoreanischen Mehrzwecksatelliten Kompsat 3 zu erringen. Die H-IIA Mod. 202 wurde für diese Mission mit einer Doppelstartvorrichtung ausgestattet, da sie außerdem den japanischen Forschungssatelliten GCOM-​W1  und zwei kleinere sekundäre Nutzlasten auf ihre Bahnen befördern sollte. Am 17.05.2012 gelang ein fehlerfreier Start vom Raumfahrtzentrum Tanegashima.
Der inzwischen auf den Namen „Shizuku“ getaufte GCOM-​W1  Satellit bildete den japanischen Beitrag zum GEOSS (Global Earth Observation System of Systems) Forschungsprogramm. Die JAXA setzte mit ihm das ADEOS II (Advanced Earth Observing Satellite) Unternehmen fort. Dieser Satellit war leider nicht einmal ein Jahr nach seinem Start ausgefallen. Eine der Lehren aus diesem Mißerfolg war, zukünftig derart bedeutsame Sensoren eher auf mehrere Satelliten zu verteilen. Die Global Change Observation Mission wurde daher aufgesplittet in GCOM-​W („Water“) und GCOM-​C („Climate“). Um die Messungen optimal mit denen anderer Klimaforschungssatelliten abstimmen zu können, war die Integration in den „A-​Train“ geplant, bei dem diverse Satelliten internationaler Partner in enger zeitlicher und räumlicher Abfolge ein bestimmtes Gebiet überflogen und Messungen vornahmen. Die GCOM-​W Mission konzentrierte sich dabei auf den Wasserzyklus. Beobachtet und vermessen werden sollte dabei u.a. die Wasserverdunstung über großen Gewässern, der Wasserdampfgehalt und die Windgeschwindigkeit über den Meeren, die Oberflächentemperatur der Ozeane, die Bodenfeuchte an Land und die Schneehöhen. Das Instrument hierfür war das AMSR 2 (Advanced Microwave Scanning Radiometer). Dessen Antenne rotierte kontinuierlich und erreichte somit eine Schwadbreite von 1.450 km. Alle zwei Tage konnten somit rund 99% der Erdoberfläche abgetastet werden. Die GCOM Mission war langfristig angelegt — erwartet wurde eine Dauer von zehn bis fünfzehn Jahren, wobei die Lebensdauer der einzelnen Satelliten jeweils bei etwa fünf Jahren lag. Planmäßig wurde „Shizuku“ auf der vorgesehenen Bahn ausgesetzt. Wenig später übertrugen Miniaturkameras Bilder von der erfolgreichen Entfaltung der Solarzellenflächen und der Radarantenne. Nachdem alle Tests erfolgreich abgeschlossen waren, wurde „Shizuku“ am 29.06.2012 in die „A-​Train“ Formation integriert. Konkret nahm der Satellit die führende Position ein.
Südkorea erwartete den Satellitenstart ebenfalls mit Spannung. Denn mit KOMPSat 3 alias „Arirang“ 3 war ein leistungsfähiger kleiner Erderkundungssatellit an Bord der Rakete. Der vom KARI mit Unterstützung durch Astrium entwickelte Satellit sollte nach offiziellen Angaben Bilder für GIS (Geographical Information Systems) Anwendungen liefern mit einer Auflösung im „Submeter-​Bereich“. Mit Details zur Ausrüstung des Satelliten hielt man sich aber auffällig zurück. Das lag vermutlich an der militärischen Komponente, die die Mission zweifelsohne hatte.
Der zweite Satellit der JAXA, der am 17.05.2012 von Tanegashima aus seine Bahn erreichte, war SDS 4. Mit dem Small Demonstration Satellite sollten verschiedene technologische Lösungen kostengünstig erprobt werden. Das FOX (Flat Heat Pipe On-​orbit Experiment) diente der Erprobung neuartiger Heatpipes zur Wärmeregulierung. QCM (Quartz Crystal Microbalance) sollte Grundlagen zur Entwicklung zukünftiger Sensoren liefern. Mit IST (In-​flight experiment of Space Materials using THERME) wurde ein französisches Material unter Weltraumbedingungen erprobt. Und SPAISE (Space-​based Automatic Identification System Experiment) unternahm Versuche zum Empfang von Signalen des AIS (Automatic Identification System) hochseegehender Schiffe. SDS 4 war dazu mit zwei dedizierten Antennen ausgerüstet.
Die Gelegenheit zum Mitflug nutzte auch das Kyushu Institute of Technology mit seinem Satelliten „Horyu“ 2. Der Satellit diente als Demonstrationsobjekt zur Entwicklung eines eigenständigen Nanosatelliten durch die Studenten der Universität. Grund– und Mittelschüler sollten im Rahmen des Projekts die Gelegenheit erhalten, die Kamera des Satelliten zu steuern sowie Daten und Kommandos zu empfangen bzw. zu übermitteln. Wichtigster Aspekt der Mission war aber der Einsatz von Hochspannungs-​Solarzellen im erdnahen Weltraum. Bis zum Start von „Horyu“ 2 hatte die ISS mit einer Spannung von 160 V den Rekord gehalten. Die japanischen Studenten steigerten die direkte Ausgangsspannung ihrer Solarzellen nun auf 300 V. Dazu mußten sie vor allem das Problem von unkontrollierten elektrostatischen Entladungen lösen, das bisher der weiteren Verbreitung von Hochspannungs-​Solarzellen in der Raumfahrt entgegen gestanden hatte. Die Mission war aus Anlaß des 100. Jahrestages der Gründung des KIT konzipiert worden. Zunächst erfüllte der Satellit auch alle Erwartungen. Doch am 05.06.2012 brachen wichtige Systeme zusammen und konnten nicht reaktiviert werden. Aus den wenigen verfügbaren Informationen ließ sich rekonstruieren, daß es an diesem Tag beim Durchfliegen der Südatlantischen Anomalie zum Latch-​Up eines Prozessors gekommen war. Nachdem sich ein weiteres derartiges Ereignis am 30.06.2012 mit dem zweiten Prozessor ereignet hatte, mußte der Satellit aufgegeben werden.