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Start der Falcon 9 v1.0 mit der Dragon-C2
Startvorbereitung der Dragon-C2
Dragon-C2 kurz vor der ISS
Dragon-C2: noch 10 m...
Dragon-C2 am Manipulatorarm der ISS
Blick in den Frachtraum der „Dra­gon“
die „Dra­gon“ schwimmend vor der Küste Mexikos

Weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurden die Vorbereitungen des Unternehmens SpaceX zur Mission COTS C+. Nach einem ersten Demonstrationsflug der „Dragon“ Kapsel im Dezember 2010 waren die nächsten Schritte im Rahmen der Commercial Orbital Transportation Services Verträge mit der NASA eigentlich klar definiert. Demnach hätte SpaceX bei zwei weiteren Testflügen die Funktion des Raumschiffs unter Beweis stellen müssen, wobei erst bei COTS 3 ein Docking mit der Raumstation vorgesehen war. Frühzeitig begann SpaceX aber damit, bei der NASA für die Idee einer Zusammenlegung der beiden Testflüge zu werben. Die Weltraumbehörde stand dem kritisch gegenüber und verlangte umfangreiche Nachweise, bevor sie sich dem Vorschlag öffnete. Bei SpaceX war man optimistisch, diese problemlos erbringen zu können. Doch insbesondere die Software zur Flugsteuerung erwies sich als noch nicht ausgereift. In umfangreichen Simulationen ließen sich immer wieder Situationen provozieren, in denen die „Dragon“ nicht angemessen reagierte. Daher ging weitaus mehr Zeit ins Land, als ursprünglich bis zum nächsten Start veranschlagt worden war. Als problematisch erwies sich auch die Integration der COTS 2+ Mission in den Flugplan der ISS und das Startgeschehen in Cape Canaveral. Während die Falcon 9 Block 1 bereits im Juli 2011 in Florida eingetroffen war, kam das Raumschiff erst am 23.10.2011 dort an. Zu dieser Zeit war noch unklar, ob es die ursprüngliche COTS 2 oder eine kombinierte COTS 2/3 Mission fliegen würde. Erst am 09.12.2011 stimmte die NASA der Zusammenlegung der beiden Testflüge zu. Bis zum Probecountdown (Wet Dress Rehearsal) am 01.03.2012 vergingen nochmals drei Monate. Nachdem die Flight Readiness Review abgehalten worden war, konnte der 30.04.2012 als frühester Starttermin festgesetzt werden. Doch nun mußte SpaceX die noch immer nicht vollkommen gelösten Softwareprobleme offenlegen und den Start verschieben. Und so fand am 30.04.2012 lediglich eine Testzündung der Falcon Erststufentriebwerke statt. Am 11.05.2012 erhielt SpaceX die Abnahme der „Dragon“ Flugsoftware durch die NASA. Damit konnten die letzten Vorbereitungen zum Start aufgenommen werden. Zwar sah der COTS Vertrag mit der NASA keine Mitnahme von Versorgungsgütern für die ISS vor. Dennoch war man übereingekommen, mit 460 kg Fracht (entsprechend einem Bruttogewicht von 520 kg) zur ISS zu fliegen und 660 kg zur Erde zurückzuführen. Am Widerstand der NASA war hingegen der ursprüngliche Plan gescheitert, zwei kleine Orbcomm Datenrelais-​Satelliten gemeinsam mit der „Dragon“ zu starten. Der Countdown zum Start der COTS 2+ Mission am 19.05.2011 verlief bis zuletzt ohne Auffälligkeiten. Doch 500 ms vor dem Start, die Triebwerke hatten bereits gezündet, brach der Computer den Vorgang ab. In Triebwerk #5 hatten Sensoren einen unzulässig hohen Druck festgestellt. Wie sich zeigte, hatte sich ein Ventil in einer Zuleitung für die Stickstoffspülung des Triebwerks nicht vollständig geschlossen. Der Fehler war rasch gefunden und behoben, so daß das nächste Startfenster genutzt werden konnte. Am 22.05.2012 um 07:45 UTC hob die Rakete dann tatsächlich pünktlich zu Beginn des nur wenige Sekunden langen Startfensters von Cape Canaveral ab. Aufstieg und Bahneinschuß knapp 10 min später verliefen ebenfalls programmgemäß. Während der nächsten Tage wurden die Bordsysteme der „Dragon“ umfassend getestet, vor allem die Orientierung im Raum und Bahnmanöver wurden intensiv geprobt. Unterdessen war bekanntgeworden, daß sich an Bord der zweiten Stufe der Falcon 9 eine spezielle „sekundäre Nutzlast“ befunden hatte. Das Unternehmen Celestis Inc., bekannt für seine Weltraumbestattungen, hatte die Gelegenheit genutzt, auf dem „New Frontier Flight“ die Kapseln mit wenigen Gramm Asche Verstorbener ins All zu befördern. SpaceX wiederholte damit den 2008 gescheiterten „Explorers Flight“ an Bord seiner Falcon 1 . Zu den prominenten „Teilnehmern“ dieser beiden Flüge gehörten der Mercury Astronaut Gordon Cooper und James Doohan, Darsteller des unverwüstlichen Chefingenieurs „Scotty“ aus „Star-​Trek“. Freunde und Fans der beiden betrachteten das als gutes Omen für die Mission. Am 24.05.2012 hatte sich die Dragon C2 der ISS mit vordefinierten Manövern bis auf wenige Kilometer genähert, um dann zunächst wieder Position in sicherem Abstand zu beziehen. Der finale Anflug begann am folgenden Tag. Über mehrere Zwischenstationen näherte sich die Dragon der ISS. Die Manöver verliefen erfreulich reibungslos. Doch in der letzten Phase wurden widersprüchliche Informationen eines LIDAR (Light Detection And Ranging) registriert. Daraufhin wurde der Anflug unterbrochen und das Schiff zunächst auf 150 m zurückgezogen. Einen weiteren außerplanmäßigen Halt schob man bei 70 m ein. Schließlich wurde der Blickwinkel des LIDAR Systems der Dragon verringert, da es offenbar von einem Laserreflektor am japanischen „Kibō“ Modul irritiert wurde. Nach einer Analyse der Situation gab die NASA die Freigabe zum Endanflug. Aus der letzten Halteposition in 30 m Entfernung näherte sich die Dragon bis auf 9 m und kam zum Stillstand. Von der „Cupola“ aus steuerte nun Donald Pettit den Greifarm der Station zu einem Fixpunkt am Raumschiff und ergriff dieses am 25.05.2012 um 13:56 UTC. Assistiert von André Kuipers setzte er die Dragon dann zum „Harmony“ Modul um, wo sie um 16:02 UTC mit 16 Schraubbolzen am Common Berthing Mechanism gesichert wurde. Bald darauf durften die Raumfahrer an Bord der ISS erstmals unter den üblichen Sicherheitsvorkehrungen den Frachtraum der Dragon betreten. Die Fracht, darunter Lebensmittel, Wasser, Kleidung, Ausrüstungsgegenstände und das NanoRacks Module 9, ein studentisches Experiment, wurden entladen. Dann galt es, die Kapsel mit den Dingen zu beladen, die mit ihr zur Erde zurückkehren sollten. Darunter waren Proben diverser Experimente, ausgetauschte Apparaturen u.a. aus dem Urin-​Recyclingsystem der Station, und individuelle Teile (insbesondere Handschuhe) von EMU Raumanzügen früherer Besatzungsmitglieder. Am 31.05.2012 um 08:07 UTC löste sich die Dragon wieder von der Station und wurde um 09:49 UTC vom Canadarm2 freigegeben. Eine Serie von Triebwerkszündungen brachten das Raumschiff dann aus dem Umfeld der Station, bevor mit der Zündung der „Draco“ Triebwerke um 14:51 UTC die Rückkehrsequenz initiiert wurde. In Sichtweite der Bergungsschiffe ging die Kapsel schließlich am 31.05.2012 um 15:42 UTC etwa 900 km südwestlich der Baja California vor der Küste Mexikos im Meer nieder. Die Kapsel wurde per Kran auf die „American Islander“ verladen und gesichert. Über den Hafen von Los Angeles kehrte die Dragon Kapsel dann ins SpaceX Herstellerwerk nach McGregor in Texas zurück, während die Fracht der NASA übergeben wurde.
SpaceX war mit der COTS 2+ Mission der Nachweis gelungen, daß das Unternehmen in der Lage war, alle Phasen eines solch komplexen Raumfluges in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber NASA abzuwickeln. Die wenigen aufgetretenen Probleme bewegten sich dabei in einem Rahmen, wie er für einen solchen Demonstrationsflug zu erwarten gewesen war. Die US Medien widmeten dem Flug eine umfangreiche Berichterstattung und würdigten ihn als bedeutenden Beitrag zur Wiederherstellung eines eigenen Zugangs zur ISS nach dem Ende des Shuttle Programms. Tatsächlich markierte der Flug einen wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Weiterbetrieb der Internationalen Raumstation. Bedeutsam insbesondere durch die einmalige Möglichkeit, nun auch wieder in signifikantem Ausmaß Fracht zur Erde zurückzubringen. Inwieweit die Verlagerung der bisher in den Händen der beteiligten Raumfahrtagenturen liegenden Versorgung der ISS (im Fall der USA) in den privatwirtschaftlichen Bereich tatsächlich einer Revolution gleichkommt, muß aber wohl erst noch die Zukunft zeigen. Auch mußten SpaceX und die Orbital Sciences Corporation erst noch ihre Fähigkeit nachweisen, eine stabile Versorgung der Station mit regelmäßigen Flügen über einen Zeitraum von mehreren Jahren sicherstellen zu können. Ein Jahrzehnt später konnte das Experiment aber wohl als gelungen angesehen werden.