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die Falcon Heavy mit ViaSat 3 Americas im Dämmerlicht
ViaSat Americas beim Hersteller
der Arcturus Satellit von Astranis
Präsentation des G-Space 1 Satelliten

Erstmals wurde beim Start einer Falcon Heavy Rakete am 01.05.2023 komplett auf die Landung und Bergung aller drei Booster-​Stufen verzichtet. Dabei war der Center-​Core komplett werksneu, während die beiden äußeren Booster ihre Karriere mit dem dritten bzw. achten Start beendeten. Entsprechend des Einsatzszenarios flogen alle drei Booster komplett ohne Landegestell und Grid-​Fins. Das gesparte Gewicht kam der Nutzlast zugute. Denn die Rakete mußte nicht nur den 6,4 Tonnen schweren Kommunikationssatelliten ViaSat 3 Americas direkt auf einen Orbit knapp unterhalb der geostationären Bahn befördern, sondern auch zwei kleinere sekundäre Nutzlasten, Arcturus und G-​Space 1 . Sowohl die Hauptnutzlast als auch der Start selbst blickten auf eine wechselvolle Geschichte mit zahlreichen Verschiebungen zurück. Die Viasat Inc., ein auf Angebote für den Internetzugang für Fluggesellschaften sowie US-​Behörden und die Streitkräfte spezialisiertes Unternehmen, plante mit seinen ViaSat 3 Satelliten den Aufbau einer neuen globalen Konstellation. Jeder der drei Satelliten sollte dank einer eigens entwickelten Kommunikationsnutzlast einen Durchsatz von mehr als 1.000 Gbps erreichen. Die ersten beiden Satelliten waren im Juli 2016 bei Boeing bestellt worden, gefolgt von einem weiteren im Februar 2019. Starts wurden bei Arianespace, SpaceX und ULA gebucht und sollten 2020 beginnen. Der auf einer Ariane-5ECA gebuchte erste Start wechselte im Sommer 2019 auf die neue Ariane-64 und einen Termin im Jahr 2021. Im Gefolge der COVID-​19  Pandemie verzögerte sich der Start auf frühestens 2023. Und schließlich zeichnete sich ab, daß selbst der Jungfernflug der Ariane-​6  im Jahr 2023 zunehmend unrealistisch wurde. Damit geriet Viasat zunehmend unter Druck, seine Frequenznutzungsrechte zu verlieren. Vertraglich war man eigentlich verpflichtet, den Sendebetrieb bis 31.10.2022 aufzunehmen. Und auch bezüglich des zweiten Satelliten für die EMEA Region war bereits eine Warnung der ITU eingegangen. Dabei lag Boeing mit der Übergabe des ersten Satelliten inzwischen weit hinter dem Plan. Der mittlerweile bei SpaceX gebuchte Start wurde (nach einer Fristverlängerung durch die FCC) seitens Viasat schließlich für Ende 2022 angekündigt. Spätestens im November des Jahres wurde aber deutlich, daß mit einem Start nicht vor dem ersten Quartal 2023 zu rechnen war. Davon waren auch die Eigner der beiden kleineren Passagiere der Falcon Heavy massiv betroffen. So hatte die Astranis Space Technology Corp. den Start ihres kleinen Arcturus HTP Satelliten (mit immerhin einem Durchsatz von 7,5 Gbps) ursprünglich für Ende 2020 auf einer Falcon 9 v1.2 gebucht gehabt. Die Mission kam aber in der angedachten Form nicht zustande, so daß man große Hoffnungen auf den Mitflug auf der Falcon Heavy gesetzt hatte. Denn das Start-​Up hatte mit der Pacific Dataport Inc. einen wichtigen Ankerkunden gewonnen, der über den Satelliten Alaska einschließlich der Aleuten mit schnellem Internet versorgen wollte. Ein Projekt, das nun bereit zwei Jahre in Verzug war. Tatsächlich konnten auch einige erste Kommunikationstests erfolgreich absolviert werden, bis die (zugekauften) Antriebe beider Solarzellenausleger versagten und die Mission zu einem vorzeitigen Ende brachten. Astranis hoffte jedoch, seinen kurz vor der Fertigstellung stehenden „UtilitySat“ bis zum Jahresende als Ersatz starten zu können. Bis zum Start von G-​Space 1  war die Situation bei Gravity Space ähnlich der von Astranis gewesen. Gravity’s kleiner 16U CubeSat bot Raum für mehrere gehostete Nutzlasten. Neben dem Space Situational Awareness Sensor „Orbit Guard“ von Infinite Orbits handelte es sich dabei vor allem um die Nusantara H-​1 A Nutzlast von (für) PT Pasifik Satelit Nusantara. Der indonesische Satellitenbetreiber lief Gefahr, seine Ka– und Ku-​Band Frequenznutzungrechte für eine der wichtigsten geostationären Positionen zu verlieren. G-​Space 1  flog daher eine extrem wichtige und zeitkritische bring into use (BIU) Mission bis zur Indienststellung der noch mehr verzögerten großen Kommunikationssatelliten Satria (Nusantara Tiga) bzw. Nusantara Lima. Doch auch für die BIU Mission hatte Nusantara bereits alle Fristverlängerungen bei der ITU ausschöpfen müssen. Alle drei Satelliten setzten zudem auf einen elektrischen Antrieb, benötigten also unter normalen Umständen Monate bis zum Erreichen des finalen geostationären Orbits. Daher also wohl die Entscheidung, die Falcon Heavy diesmal bis an ihre Leistungsgrenzen zu fliegen und auf eine Booster-​Bergung zu verzichten, so daß die Satelliten die fehlenden Kilometer innerhalb weniger Tage bis Wochen aufholen konnten (obwohl die Falcon Heavy laut Hersteller theoretisch diese Mission auch mit Booster Bergung hätte fliegen können). Der Start der Rakete wurde im Frühjahr 2023 aus ungenannten Gründen immer weiter „durchgereicht“. Tatsächlich traf die Hauptnutzlast aber auch erst Anfang April in Cape Canaveral ein. Am 13.04.2023 wurde das static fire der 27 „Merlin“ Erststufentriebwerke abgeschlossen und ein Start für den 18.04.2023 angekündigt. Doch dann wurde ein Aufschub auf zunächst unbestimmte Zeit verkündet. Nach unbestätigten Insider-​Informationen hatte sich SpaceX zum Austausch von zwei Triebwerken entschieden. Schließlich wurde der Countdown für einen Start am 27.04.2023 eingeleitet. Doch nun verschlechterten sich die Wetterbedingungen. Der Wetterdienst gab sogar eine Tornado-​Warnung für Merrit Island und Umgebung aus. Kaum war die Entscheidung gegen die Fortführung des Countdowns gefallen, als auch schon mehrere Blitz neben Pad-​39 A einschlugen. Zwar richteten sie keinen erkennbaren Schaden an, zogen aber weitere Überprüfungen nach sich. Dennoch war man am 28.04.2023 startbereit — doch bei T –59 s brach der Computer den Countdown ab. Ein neuer Versuch wurde am 28.04.2023 eingeleitet. Und in der Abenddämmerung (kurz nach Mitternacht Weltzeit) hob die Rakete endlich ab. Bis zum Erreichen des Zielorbits vergingen allerdings noch mehr als vier Stunden und drei Zündungen der Oberstufe. Dann wurden die drei Satelliten auf einem Orbit in etwa 34.600 km Höhe bei annähernd 0° Bahnneigung ausgesetzt. Unterdessen hatten die beiden Hälften der Nutzlastverkleidung den schnellsten und heißesten Wiedereintritt des Falcon 9 Programms absolviert. Knapp 2.000 km von der Küste Floridas entfernt hatte das SpaceX Schiff „Doug“ Position bezogen und konnte sie tatsächlich aus dem Atlantik bergen. Während der Start aus SpaceX Sicht nach all den Verzögerungen doch noch erfolgreich verlaufen war, stellte sich beim Eigner der Hauptnutzlast bald darauf Ernüchterung ein. Der 700 Mio. $ Satellit ViaSat 3 Americas konnte nämlich seine riesige, von Northrop Grumman gebaute, Antenne nicht ausklappen. Beim Versuch, die komplexe Struktur zu entfalten, war ein „unerwartetes Ereignis“ eingetreten. Damit drohte der Totalverlust. Und der war in diesem Fall mit 420 Mio. $ versichert. Was einen schweren Verlust für die Versicherer bedeutete, für Viasat aber eine Katastrophe darstellte.