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M-​3 S

Trägerrakete

M-3S

Der ursprüngliche Plan des Institute of Space and Aeronautical Science (ISAS) an der Universität von Tokio sah nach dem gelungenen ersten Satellitenstart mit der L-​4 S die Entwicklung einer weiteren Rakete vor, die besser zum Start der geplanten Forschungssatelliten geeignet war. Im Rahmen der Entwicklung und Erprobung der L-​4 S hatte man die grundlegenden Probleme beim Start eines Satelliten gemeistert. Die ebenfalls vierstufige M-​4 S war bereits deutlich leistungsfähiger. Ein großes Defizit bestand jedoch auch weiterhin. Die Rakete war nicht lenkbar. Die Bahnparameter bestimmten sich aus dem Winkel, der Geschwindigkeit und dem Zeitpunkt des Brennschlusses. Nach dem Abschuß unter einem definierten Winkel unterlag die Aufstiegsbahn der Rakete aber vielen nicht zu beeinflussenden Faktoren. Weder lieferten die Triebwerke immer den berechneten Schub, noch brannten sie exakt zum berechneten Zeitpunkt aus. Und Höhenwinde beeinflußten die Bahn noch zusätzlich. Beim ISAS war man sich des Problems natürlich bewußt und arbeitete an verschiedenen Verfahren zur Schubvektorkontrolle. Die weitere Entwicklung sollte über die M-​4SC (lenkbare Zweit– und Drittstufe) zur M-​4SH (alle Stufen lenkbar) und schließlich M-​4SS (zusätzlich verstärkte Erst– und Viertstufe) führen. Bereits der dritte und vierte wissenschaftliche Satellit Japans war zum Start mit der M-​4SC vorgesehen. Doch die Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Triebwerke schritt unerwartet rasch voran. Die angestrebte Nutzlast konnte nun bereits mit einer dreistufigen Rakete befördert werden. Und da sich die Stufentrennung bisher als besonders kritisches Element erwiesen hatte, konnte man die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems mit dem Übergang zu einem dreistufigen Entwurf deutlich steigern. 1971 wurde daher die Entscheidung getroffen, statt der M-​4SC die M-​3 C zu entwickeln. Diese übernahm mit einigen Modifikationen die Erststufe samt Boostern von der M-​4 S. Die zweite Stufe, M-​22TVC, war eine Weiterentwicklung der M-​20  der M-​4 S. Bei weitgehend unveränderten Leistungscharakteristika erhielt sie erstmals ein Schubvektorkontrollsystem und ein Radio-​Inertial-​Navigationssystem. Die Schubvektorkontrolle bestand aus zwei Komponenten, dem Secondary Injection Thrust Vector Control (SITVC) und dem Side Jet (SJ) System. Beim SITVC wurden in der zweiten Stufe 173 kg Freon und 55 kg HO mitgeführt, die bei Bedarf in den Düsenhals eingespritzt werden konnten. Während das Freon lokal die Verbrennung störte, förderte das Wasserstoffperoxid diese. Derart konnte ein asymmetrischer Schub erzeugt werden. Die Side Jets bestanden dagegen aus einem Satz Kleinsttriebwerke außerhalb des Triebwerksstrahls für die Rollkontrolle. Bei der Drittstufe handelte es sich um eine Neuentwicklung, die auf den Erfahrungen mit der M-​40  Viertstufe der M-​4 S aufbaute. Das M-​3 A Triebwerk hatte einen deutlich höheren spezifischen Impuls und war für die Arbeit im Vakuum optimiert. Erstmals wurden Erst– und Zweitstufe über einen offenen Gitteradapter miteinander verbunden, was eine „heiße“ Stufentrennung ermöglichte. Diese Konstruktion aus sechs A-​förmigen Gittersegmenten testete man erstmals beim Flug der K-​10 C-​4  Höhenforschungsrakete am 15.09.1973. Bereits 1969 war die praktische Erprobung des Schubvektor­kontroll­systems aufgenommen worden. Diverse Flüge zwischen 1969 und 1973 u.a. mit K-​10 C und L-​4SC Raketen perfektionierten das System soweit, daß es in Verbindung mit einer radargestützten Bahnverfolgung und einem Kommandoempfänger sowie einer Inertialplattform tauglich für die Steuerung des Satellitenträgers M-​3 C wurde. Im Gegensatz zu L-​4 S und M-​4 S verjüngte sich der Durchmesser der Endstufe bei der M-​3 C nicht. Das und die Verwendung einer neuen großvolumigeren Nutzlastverkleidung ermöglichte nun auch den Transport größerer Forschungssatelliten. Die vorläufige Endstufe diese Entwicklung stellte die M-​3 S dar. Diese verfügte nun auch über ein Schubvektorkontrollsystem für die Erststufe. Es basierte auf der Einspritzung von Freon und Wasserstoffperoxid. Modifiziert wurde dagegen das Kontrollsystem der Zweitstufe. Wurde bei den ersten beiden Einsätzen der M-​3 S noch Freon und Wasserstoffperoxid eingespritzt, ersetzte man letzteres bei den folgenden Flügen durch Hydrazin (NH). Das System der Erststufe unterteilte sich in die Komponenten SMRC (Solid Motor for Roll Control) und LITVC (Liquid Injection Thrust Vector Control). Neu entwickelt worden waren die SPGGs (Solid Propellant Gas Generator), die den Schub für das System zur Rollsteuerung lieferten. Mit dieser Evolutionsstufe hatte die ISAS ihre ursprünglichen Entwicklungsziele erreicht. Die M-​3 S war zwar nicht leistungsfähiger als die M-​3 H, doch verfügte man nun über eine voll lenkbare Rakete, die eine hohe Präzision beom Bahneinschuß gewährleistete. Allerdings um den Preis eines äußerst komplexen (und damit teuren) Systems.


Gesamtsystem
Nation Japan (ISAS
Bezeichnung(en) M-​3 S, Mu-​3 S, My-​3 S
Entwicklungszeitraum
erster Start 17.02.1980 
Einsatzzeitraum 1980 – 1984 
Stufenzahl 3 + 8 Feststoffbooster 
Gesamthöhe 23,80 m 
Basisdurchmesser 1,41 m 
Spannweite der Stabilisierungsflächen 4,00 m 
max. Nutzmasse 290 kg 
Leermasse 8.383 kg 
Treibstoffmasse 41.025 kg 
Startmasse einschließlich Nutzlast 49.615 kg 
Startschub 2.211 kN 
Feststoff-​Starthilfen
Hersteller Nissan Motor Co. 
Bezeichnung(en) 8 Feststoffbooster SB-​310 
Länge 5,79 m 
Durchmesser 0,31 m 
Leermasse 8×172 kg
Treibstoffmasse 8×343 kg
Gesamtmasse 8×515 kg
Antrieb je 1 Feststofftriebwerk Nissan 
Treibstoff Feststoff UP-​10 
Startschub 8×133 kN 
spezifischer Impuls (Seehöhe) 219 s 
Brenndauer 7,7 s 
1. Stufe
Hersteller Nissan Motor Co. 
Bezeichnung(en) M-​13TVC 
Länge ohne Stufenadapter 14,98 m? 
Durchmesser 1,41 m 
Leermasse 4.439 kg 
Treibstoffmasse 29.886 kg 
Gesamtmasse 34.425 kg 
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Nissan 
Treibstoff Feststoff BP-​30 B 
Startschub 1.147 kN 
spezifischer Impuls (Seehöhe) 240 s 
Brenndauer 70 s 
2. Stufe
Hersteller Nissan Motor Co. 
Bezeichnung(en) M-​22TVC 
Länge 4,95 m
Durchmesser 1,41 m 
Leermasse 2.419 kg 
Treibstoffmasse 7.234 kg 
Gesamtmasse 9.653 kg 
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Nissan 
Treibstoff Feststoff BP-​22 B 
Vakuumschub 357 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum) 277 s 
Brenndauer 72 s 
3. Stufe
Hersteller Nissan Motor Co. 
Bezeichnung(en) M-​3 A 
Länge 2,61 m
Durchmesser unverkleidet 1,35 m 
Leermasse 150 kg 
Treibstoffmasse 1.163 kg 
Gesamtmasse 1.313 kg 
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Nissan 
Treibstoff Feststoff BP-​27 B
Vakuumschub 63 kN
spezifischer Impuls (Vakuum) 289 s
Brenndauer 60 s
Nutzlastverkleidung
Länge über Endstufe 3,98 m 
max. Durchmesser 1,41 m 

Quellen:

[1] ISAS: BULLETIN OF THE INSTITUTE OF SPACE AND AERONAUTICAL SCIENCE VOL 16, Oktober 1986{backbutton}