Nach Jahrzehnten einer eher kontinuierlichen Weiterentwicklung bedeutete das Projekt der M-V Rakete in den 1990er Jahren die Umsetzung teils vollkommen neuer Konzepte. Die neue Erststufe M-14 baute auf dem mit Abstand leistungsfähigsten Feststofftriebwerk auf, das bis dahin in Japan entwickelt worden war. Dadurch konnte auf den Einsatz von zusätzlichen Feststoffboostern verzichtet werden. Aufgrund der beachtlichen Größe bestand der Treibsatz der Erststufe nun aus zwei Segmenten. Alle drei Stufen erhielten aufbauend auf den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte eine aktive Steuerung, wobei jedoch einige neue Lösungen Einzug hielten. Für die Steuerung um die Nick– und Gierachse war die Entspannungsdüse des Erststufenantriebs schwenkbar ausgelegt (MNTVC = Movable Nozzle Thrust Vector Control). Die Rollkontrolle besorgten 16 kleine Feststofftriebwerke (SMRC = Solid Motor for Roll Control) am Heck der Rakete. Den Übergang zwischen Erst– und Zweitstufe bildete ein offener Gitteradapter. Dadurch war die Stufentrennung nach dem von russischen Raketen bekannten „fire in the hole” Prinzip, das heißt, die Zweitstufe zündete noch während das Erststufentriebwerk arbeitete. Hatte sich ein ausreichender Schub aufgebaut, lösten sich die Verankerungen und die Oberstufen beschleunigten von der nun ausgebrannten Erststufe weg. Das Triebwerk der Zweitstufe konnte aus einem Segment gefertigt werden. Auch sein Schub übertraf den früherer japanischer Feststofftriebwerke deutlich. Die Schubvektorkontrolle arbeitete diesmal als Liquid Injection Thrust Vector Control, d.h. durch Flüssigkeitseinspritzung in der Entspannungsdüse. Dazu kamen die Solid Motor for Side Jet. Die Zweitstufe beherbergte auch einen Großteil der Avionik, Batterien und Instrumente. An der Spitze hatte die Stufe die Aufnahme für die Nutzlastverkleidung und die von ihr umschlossene Drittstufe. Die Drittstufe M-34 wurde besonders kompakt ausgelegt und erhielt daher eine Entspannungsdüse, die sich nach der Stufentrennung verlängerte. Dennoch konnte auch hier eine MNTVC realisiert werden, welche von Side Jets unterstützt wurde. Nach Brennschluß stellten die Hydrazin-Triebwerke der Side Jets die Stabiliserung der Stufe allein sicher. Vier kleine Feststofftriebwerke besorgten zudem die Spinstabilisierung vor der Abtrennung der Nutzlast, welche bei Bedarf mit einer Kickstufe versehen werden konnte. Während die Motorgehäuse der beiden ersten Stufen aus hochlegiertem Stahl (HT-230M) bestanden, wurde die Drittstufe aus Kohlefaserverbundwerkstoff gefertigt. Im Jahr 2003 wurde der M-24 Zweitstufenantrieb durch das M-25 ersetzt. Jetzt bestand das Motorgehäuse ebenfalls aus Kohlefaserverbundwerkstoff. Das reduzierte einerseits das Gewicht um rund 800 kg und erhöhte andererseits die Stabilität. Dadurch wurde ein höherer Brennkammerdruck und spezifischer Impuls möglich. Das aufwändige Schubvektorkontrollsystem wurde durch das MNTVC ersetzt, wie es auch bei den anderen Stufen zum Einsatz kam. Die großvolumige Nutzlastverkleidung entstand in Form von zwei Halbschalen, gefertigt aus einer Wabenstruktur mit kohlefaserverstärktem Kunststoff als Außenhaut. Die Avionik der M-V wurde aus dem bewährten System der M-3SII abgleitet. Ein hochpräzises Radarsystem am Boden verfolgte den Aufstieg der Rakete und sendete Befehle für Kurskorrekturen. Dazu kam ein Inertiallenksystem mit Sensoren, Computern und neuentwickelten faser-optischen Gyroskopen. Dieses System fungierte als Backup für die Kontrolle vom Boden aus.
Obwohl sehr modern, leistungsfähig und zuletzt auch zuverlässig, endete die Karriere der M-V doch bereits nach sieben Starts. Die hochgezüchtete Rakete war einfach zu teuer geworden, obwohl sie einmal als kostengünstige Neuentwicklung aufgelegt worden war. Nun sollte ein Nachfolger auf der Basis der Booster der H-IIA dieses Ziel erreichen.
Gesamtsystem | |
Nation | Japan (ISAS) |
Bezeichnung(en) | M-V, Mu-V, My-V |
Entwicklungszeitraum | |
erster Start | 09.05.2003 |
Einsatzzeitraum | 2003 – 2006 |
Stufenzahl | 3 |
Gesamthöhe | 30,83 m |
Basisdurchmesser | 2,50 m |
max. Nutzmasse | ca. 1.900 kg (185 km Kreisbahn@31°) |
Leermasse | |
Treibstoffmasse | |
Startmasse | ca. 138.600 kg |
Startschub | 4.220 kN |
1. Stufe | |
Hersteller | Nissan Motors |
Bezeichnung(en) | M-14 |
Länge | 13,72 m |
Durchmesser | 2,50 m |
Maximaldurchmesser | 2,66 m |
Leermasse | ca. 12.070 kg |
Treibstoffmasse | ca. 71.490 kg |
Gesamtmasse | ca. 83.560 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk Nissan |
Treibstoff | Feststoff HTPB (BP-204 J) |
Startschub | 4.220 kN |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | (?) |
Brenndauer | 49..51 s |
2. Stufe | |
Hersteller | Nissan Motors |
Bezeichnung(en) | M-25 |
Länge | 6,61 m |
Durchmesser | 2,50 m |
Maximaldurchmesser | 2,56 m |
Leermasse | ca. 3.270 kg |
Treibstoffmasse | ca. 33.000 kg |
Gesamtmasse | ca. 36.270 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk Nissan |
Treibstoff | Feststoff HTPB (BP-208 J) |
Vakuumschub | 1.520 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 292 s |
Brenndauer | 62 s |
3. Stufe | |
Hersteller | Nissan Motors |
Bezeichnung(en) | M-34 |
Länge | 3,61 m |
Durchmesser | ca. 2,2 m |
Leermasse | ca. 1.000 kg |
Treibstoffmasse | ca. 10.000 kg |
Gesamtmasse | ca. 11.000 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk Nissan |
Treibstoff | Feststoff HTPB (BP-205 J) |
Vakuumschub | 337 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 301 s |
Brenndauer | 94..102 s |
Nutzlastverkleidung | |
Länge über Endstufe | 9,19 m |
max. Durchmesser | ca. 2,5 m |
Konstruktionsmasse | ca. 700 kg |