Die seit den 1970er Jahren in Verbindung mit verschiedenen Block-D und Block-DM Oberstufen zunehmend zum Start geostationärer Nutzlasten eingesetzte Proton-K Rakete wurde seit den 90er Jahren erfolgreich auch international von dem amerikanisch-russischen Startanbieter ILS (International Launch Services) vermarktet. Allerdings wurden auch bald die Nachteile dieser Raketenkombination spürbar. Reduzierte schon die ungünstige geographische Lage von Baikonur relativ zum Äquator die Nutzlastkapazität der Proton deutlich, so tat das starre Flugprofil der Viertstufe ein übriges. Die Proton muß die Nutzlast mitsamt Viertstufe zunächst auf eine erdnahe Parkbahn transportieren, bevor der Block-DM das erste Mal zündet, um die Bahn auf einen typischen Transferorbit anzuheben. Eine zweite Triebwerkszündung hebt dann das Apogäum abhängig von der Nutzlast auf 12.000 oder 36.000 km an. Da der vollgetankte Block-DM bereits ein Gewicht von um die 18 Tonnen aufweist, beschränkt das alles die effektive Nutzlast auf wenig mehr als 2,5 Tonnen. Denn strukturell kann die Proton-K nicht mehr als 20,9 Tonnen tragen. Das führte dazu, daß bei einigen Missionen die Treibstoffmenge im Block-DM zugunsten der Mitnahme eines schwereren Satelliten reduziert werden mußte. Allerdings mußte nun der Antrieb des Satelliten das niedrigere Apogäum der Endbahn ausgleichen, wodurch sich dessen Lebensdauer verringerte. 1992 begannen daher im KB Saljut die Arbeiten an einer grundlegend modernisierten Variante der Proton. Den größten Modernisierungsbedarf sah man bei Chrunitschew bei der Oberstufe. Diese wies nicht nur die erwähnten Nachteile auf. Sie stammte auch noch vom Konkurrenten RKK Energija, mußte also teuer eingekauft werden. Auch die Handhabung am Boden war umständlich. Denn als einzige der vier Stufen verwendete sie die Treibstoffkombination Kerosin-Flüssigsauerstoff. Und schließlich reduzierte der tiefgekühlte Oxidator die Funktionsdauer des Oberstufenantriebs auf etwa 10 Stunden. Als das russische Verteidigungsministerium 1994 eine Ausschreibung für einen Block-DM Nachfolger herausgab, konnte sich sich Chrunitschew mit dem Entwurf „Bris“ gegen Oberstufenprojekte von Energija, Lawotschkin und Makejew durchsetzen. Die Bris-M für die Proton basierte auf der in den 1980er Jahren entwickelten Bris-K, die in der modernisierten Variante Bris-KM erfolgreich auf der Rockot Rakete flog. Die extrem kompakte Oberstufe verfügt über ein in der Mitte der Stufe versenkt montiertes Triebwerk, das von Treibstofftanks umgeben ist. Der Hauptteil des Treibstoffs ist dabei in einem torusförmigen abtrennbaren Tank untergebracht. Die Mitnahme von Zusatztanks ist möglich. Für Bahnkorrektur und Lagekontrolle stehen 16 Düsen in 4 Gruppen zur Verfügung. Das S5.98 M Haupttriebwerk von Chimmasch leistet zwar nur 25% des Schubs des RD-58 M im Block-DM. Doch die Brenndauer ist um Vielfaches höher und die Möglichkeit zu wiederholten Zündungen ermöglicht einen ökonomischeren Treibstoffeinsatz. Dazu tragen auch ein hochmodernes digitales Lenksystem mit einer Trägeheitsnavigationsplattform und das neue Telemetriesystem bei, das nicht nur Daten der Oberstufe sondern auch von der Nutzlast überträgt. Als Treibstoffkombination kommt nun auch in der Endstufe Amyl-Heptyl (UDMH-N2 O4 ) zum Einsatz. Kombiniert wurde die neue Endstufe mit einer Nutzlastverkleidung aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff, die bei einem auf 4,35 m vergrößerten Durchmesser in den Längen 11,60 m, 13,20 m und 15,25 m verfügbar ist. Auch eine großvolumige Verkleidung von 5,10 m Durchmesser wurde entwickelt. Die neue Oberstufe wurde 1999 erstmals auf einer Proton-K erprobt. Doch der reguläre Einsatz war in Kombination mit dem verbesserten Modell Proton-M vorgesehen. Bei dieser Weiterentwicklung der Proton-K wurde die erste Stufe grundsätzlich übernommen. Wie beim Vorgänger wurden um einen zentralen Oxidatortank sechs Treibstofftanks kleineren Durchmessers angeordnet. Die sechs Triebwerke wurden zur Steuerung und Stabilisierung der Rakete schwenkbar ausgelegt. Beim Modell Proton-M kam das RD-275 Triebwerk zum Einsatz, das gegenüber dem RD-253 der Proton-K etwa 7% mehr Schub leistete. Die konventionell ausgelegte Zweit– und Drittstufe wurden praktisch unverändert übernommen. Jedoch waren endlich Filter nachgerüstet worden, die das Eindringen von Schmutzpartikeln in den Gasgenerator verhindern sollten. In der Vergangenheit waren Fehlstarts immer wieder auf Verschmutzungen im Treibstoffsystem zurückzuführen gewesen. Weitere Verbesserungen betrafen Details bei den Turbopumpen. Die drei Stufen der Proton-M profitierten ebenfalls von der Einführung des neuen digitalen Steuerungssystems aus dem Hause Piljugin. Einerseits war es 20% leichter als sein analoger Vorgänger, andererseits ermöglichte es eine weitaus effektivere Nutzung des Treibstoffvorrats. Das war auch unter ökologischen Aspekten bedeutsam, denn die großen Treibstoffrestmengen der Proton-K hatten in den Aufschlagzonen der Stufen zu erheblichen gesundheitlichen Problemen bei der Bevölkerung geführt.
Gesamtsystem | |
Nation | Rußland |
Bezeichnung(en) | Proton-M / Bris-M, Erzeugnis 8K82KM / 14S43 |
Entwicklungszeitraum | 1992 – 2001 |
erster Start | 07.04.2001 |
Einsatzzeitraum | 2001– |
Stufenzahl | 4 |
Gesamthöhe | 57,78 m |
Basisdurchmesser | 4,10 m |
max. Nutzmasse | 2.920 kg (GTO) 6.360 kg (GTO 2.100 × 35.786 km@31,0°) |
Leermasse | ca. 53.600..53.650 kg |
Treibstoffmasse | |
Startmasse | um 700.000 kg |
Startschub | ca. 9.650 kN |
1. Stufe | |
Hersteller | GKNPZ Khrunichev |
Bezeichnung(en) | |
Länge | 21,18 m |
Durchmesser über die Erststufenblöcke | 6,62 m |
Leermasse | ca. 30.600 kg |
Treibstoffmasse | ca. 419.410 kg |
Gesamtmasse | ca. 450.000 kg |
Antrieb | 6 Flüssigkeitstriebwerke NPO Energomasch RD-275 |
Treibstoff | UDMH + Stickstofftetroxid |
Startschub | 6 × ca. 1.600 kN = ca. 9.600 kN |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | 294 s |
Brenndauer | 130 s |
2. Stufe | |
Hersteller | GKNPZ Khrunichev |
Bezeichnung(en) | |
Länge | 17,05 m |
max. Durchmesser | 4,10 m |
Leermasse | ca. 11.400 kg |
Treibstoffmasse | ca. 156.113 kg |
Gesamtmasse inkl. Stufenadapter | ca. 172.100 kg |
Antrieb | 3 Flüssigkeitstriebwerke KB Chimawtomatika RD-465 (Erzeugnis 8D411/RD-0210) 1 Flüssigkeitstriebwerk KB Chimawtomatika RD-468 (Erzeugnis 8D412/RD-0211) |
Treibstoff | UDMH + Stickstofftetroxid |
Vakuumschub | 4 × 588 kN = 2.352 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 327 s |
Brenndauer | 230 s |
3. Stufe | |
Hersteller | GKNPZ Khrunichev |
Bezeichnung(en) | |
Länge | 6,86 m |
max. Durchmesser | 4,11 m |
Leermasse | ca. 4.350 kg |
Treibstoffmasse | |
Gesamtmasse | ca. 50.700 kg |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk KB Chimawtomatika RD-0212 (Erzeugnis 8D49) bestehend aus 1 Marschtriebwerk RD-0213 und 1 Vierkammer-Verniertriebwerk RD-0214 |
Treibstoff | UDMH + Stickstofftetroxid |
Vakuumschub | 582 kN (Hauptbrennkammer) + 31 kN (Vernier) |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 327 s (Hauptbrennkammer) + 292 s (Vernier) |
Brenndauer | 250 s (Hauptbrennkammer) / 270 s (Vernier) |
4. Stufe | |
Hersteller | GKNPZ Khrunichev |
Bezeichnung(en) | Bris-M Erzeugnis 14S43 |
Länge ohne Nutzlastadapter | 2,65 m |
Stufendurchmesser | 4,10 m |
Leermasse | 2.665 kg |
Treibstoffmasse | 19.920 kg |
Gesamtmasse | 22.170 kg |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk S5.98M (Erzeugnis 14D30) |
Treibstoff | UDMH + Stickstofftetroxid |
Vakuumschub | 20 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | |
Gesamt-Brenndauer | 3.200 s |
Nutzlastverkleidung | |
Bezeichnung(en) | Erzeugnis 14S75 |
Länge über Endstufe | 13,20 m |
max. Durchmesser | 4,35 m |
Nutzlastvolumen | 97 m³ |