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PSLV (v.1)

Trägerrakete

PSLV (v.1)

Nach insgesamt 20-​jähriger Entwicklung stand Indien mit der PSLV (Polar Satellite Launch Vehicle) ab 1993 eine eigene leistungsfähige Trägerrakete zur Verfügung, die in der Lage war, die wichtigsten Nutzlasten, nämlich Erderkundungssatelliten vom Typ IRS auf sonnensynchrone Polarbahnen zu transportieren und nach einigen Modifikationen, sogar Satelliten der 1.000 kg Klasse auf eine geostationäre Übergangsbahn. Aufbauend auf den Erfahrungen mit der SLV-​3  und der ASLV bedeutete die PSLV doch auf vielen Gebieten technologisches Neuland für Indien.
Im Vergleich zu den Vorgängermodellen bedeutete das S125 Feststofftriebwerk der PSLV Erststufe einen Quantensprung. Mit einem Durchmesser von 2,8 m bei einer Länge von 20 m zählte dieses zu den größten Feststofftriebwerken im weltweiten Vergleich. Gefertigt wurde es in fünf Segmenten mit einem Gehäuse aus hochfestem M250 Maraging-​Stahl. Jeweils 144 Bolzen übernahmen die Verbindung der Segmente. Konstruktionsbedingt geriet die Stufe damit ziemlich schwer. Bei der Treibstoffmischung setzte man auf eine HTPB Mixtur.
Zur Steigerung der Startleistung wurden sechs Feststoffbooster an der Erststufe montiert. Sie entsprachen konstruktiv jenen der ASLV, jedoch wurde die Triebwerksdüse um 9° aus der Längsachse geneigt eingesetzt. Bei einer Länge von rund 11 m wurden auch sie aus drei Segmenten gefertigt. Die Motorgehäuse bestanden aus 3,5 mm dickem 15CDV6 Stahl. Anfangs zündete man zwei der Booster gemeinsam mit dem Haupttriebwerk („ground lit“) und die restlichen 30 s später („air lit“). Später wurde das Verhältnis umgekehrt. Jeweils einer der „ground lit“ bzw. „air lit“ Booster wurde mit einem Secondary Injection Thrust Vector Control System (SITVC) ausgestattet, das die beiden RCTs (Reaction Control Thusters) der Erststufe bei der Rollkontrolle unterstützte. In zwei externen Tanks zwischen den Boostern wurde der Vorrat einer Strontium-​Perchlorat-​Lösung mitgeführt, der über 24 Düsen auch in die Entspannungsdüse des Haupttriebwerks eingespritzt werden konnte. Darüber wurde die Schubvektorkontrolle um die Nick– und Gierachse realisiert. Die RCTs wurden hingegen mit der Treibstoffkombination MMH/MON-​3  (Monomethylhydrazin/Mixed Oxides of Nitrogen) betrieben.
Die Zweitstufe beruhte auf dem „Viking“ Triebwerk der europäischen Ariane-​4  Rakete. Indien hatte Ende der 1980er Jahre von Frankreich die Lizenzen für einen Nachbau erworben und das „Vikas“ Triebwerk abgeleitet. Obwohl es sich beim „Viking“ nicht gerade um ein Hochleistungstriebwerk handelte, machte auch der Nachbau dieses Triebwerks die Einführung zahlreicher neuer Fertigungsverfahren und Technologien erforderlich. Während die erste, dritte und vierte Stufe sowie die Feststoffbooster noch konventionelle Triebwerke waren, handelte es sich bei der Zweitstufe um ein modernes Flüssigkeitstriebwerk. Allerdings beruht das „Vikas“ Triebwerk weitgehend auf französischen Lizenzen für das „Viking“ Triebwerk der europäischen Ariane-​Rakete. Dennoch machte auch der Nachbau dieses Triebwerks die Einführung zahlreicher neuer Fertigungsverfahren und Technologien erforderlich. Das „Vikas“ Triebwerk arbeitete ursprünglich noch mit UDMH (Unsymmetrisches Dimethylhydrazin) und Stickstofftetroxid, während das „Viking“ im Laufe der Ariane Entwicklung bereits auf UH25, eine Mischung aus 75% UDMH und 25% Hydrazinhydrat, umgestellt worden war. Die Treibstoffkomponenten wurden von zwei am Triebwerk angeflanschten Turpobumpen auf einer gemeinsamen Welle gefördert. Der Wasservorrat für die Turbopumpe stammte aus einem Toroid-​Tank oberhalb des Triebwerks. Die Treibstoffkomponenten wurden in zwei Aluminiumtanks mit gemeinsamer Trennwand gespeichert. Das elektro-​hydraulisch bis zu 4° um zwei Achsen schwenkbare „Vikas“ Triebwerk besorgte die Steuerung um die Nick– und Gierachse, während ein separates HRCM (Hot Gas Reaction Control System) für die Rollkontrolle vorgesehen war.
Als dritte Stufe kam wieder ein HTPB Feststofftriebwerk zum Einsatz. Das Motorgehäuse wurde aus hochfestem Polyaramidfaser-​Verbundwerkstoff („Kevlar“) gewickelt. Die Entspannungsdüse konnte elektro-​machanisch geschwenkt werden, was die Steuerung um die Nick– und Gierachse erlaubte. Das RCS (Reaction Control System) der Viertstufe übernahm auch die Rollkontrolle der Drittstufe, sowohl während der angetriebenen als auch in der antriebslosen Phase.
Die Viertstufe wurde um eine leichtgewichtige Gitterstuktur herum konstruiert. Diese nahm sowohl den Tank für die Treibstoffkomponenten MMH/MON-​3 auf als auch die beiden, elektro-​mechanisch um zwei Achsen schwenkbaren, Triebwerke. Unterhalb der Viertstufe befand sich eine Instrumentensektion mit dem Inertiallenksystem der Rakete. Das redundante System überwachte und steuerte von hier alle vier Stufen. Während des Durchfliegens der unteren Atmosphärenschichten (also etwa 160 bis 170 s lang) arbeitete das Steuerungssystem nach dem „open loop“ Schema. Bis zur Abtrennung der Nutzlast(en) wurde dann aber eine adaptive („closed loop“) Steuerung aktiviert.
Die voluminöse Nutzlastverkleidung, die auch die Endstufe umschloß, bestand aus zwei Aluminium-​Halbschalen in Isogrid Wabenstruktur. Der auf der Viertstufe aufgesetzte Nutzlastadapter wurde aus CFRP (Carbon Fibre Reinforced Plastics), kohlefaserverstärktem Kunststoff, gefertigt.


Gesamtsystem
Nation Indien (ISRO
Bezeichnung(en) PSLV
Entwicklungszeitraum 1982 – 1993 
erster Start 20.09.1993 (Fehlstart)
Einsatzzeitraum 1993 – 1996 
Stufenzahl 4 + 6 Feststoffbooster
Gesamthöhe ca. 44,3 m
Basisdurchmesser ca. 2,8 m
Spannweite über Booster ca. 5,1 m
max. Nutzmasse ca. 1.000 kg@817 km SSO
Leermasse
Treibstoffmasse
Startmasse ca. 283.000 kg
Startschub ca. 6.140 kN
Feststoff-​Starthilfen
Hersteller ISRO
Bezeichnung(en) {tip::PSOM = Abk. für PSLV Strap On Motor“>PSOM (S9)
Länge ca. 11,0 m
Durchmesser ca. 1,0 m
Leermasse
Treibstoffmasse 6× 8.628 kN
Gesamtmasse 6× ca. 10.930 kg
Antrieb je 1 Feststofftriebwerk
Treibstoff Feststoff HTPB
Startschub bei Zündung am Boden 6× 440 kN
Vakuumschub bei Zündung im Flug 6× 580 kN
spezifischer Impuls (Seehöhe) 229 s
spezifischer Impuls (Vakuum) 252…253 s
Brenndauer 45…47 s
1. Stufe
Hersteller ISRO
Bezeichnung(en) PS1 (S125)
Länge ca. 20,3 m 
Durchmesser ca. 2,8 m 
Leermasse
Treibstoffmasse ca. 129.000 kg
Gesamtmasse ca. 156.000 kg
Antrieb 1 Feststofftriebwerk 
Treibstoff Feststoff HTPB
Startschub ca. 3.500 kN
spezifischer Impuls (Seehöhe) {tip:: im Vakuum 264…266 s“>#
Brenndauer 102…107 s
2. Stufe
Hersteller ISRO
Bezeichnung(en) PS2 (L37.5)
Länge ca. 11,5 m
Durchmesser ca. 2,8 m
Leermasse ca. 5.300 kg
Treibstoffmasse ca. 37.500 kg
Gesamtmasse ca. 42.800 kg
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk „Vikas“
Treibstoff UDMH + Stickstofftetroxid
Vakuumschub 724…725 kN
spezifischer Impuls (Vakuum) 295 s
Brenndauer 149 s
3. Stufe
Hersteller ISRO
Bezeichnung(en) PS3 (S7)
Länge 3,54 m
Triebwerksdurchmesser ca. 2,0 m
Stufendurchmesser ca. 2,8 m
Leermasse
Treibstoffmasse {tip::missionsspezifische Reduktion möglich“>ca. 7.260 kg
Gesamtmasse ca. 8.400 kg
Antrieb 1 Feststofftriebwerk
Treibstoff Feststoff HTPB
Vakuumschub {tip:: Maximalschub, durchschnittlich 340 kN“>386 kN
spezifischer Impuls (Vakuum) 293 s
Brenndauer 73…76 s
4. Stufe
Hersteller ISRO
Bezeichnung(en) PS4 (L2)
Länge 2,65 m
Durchmesser (unverkleidet) 1,34 m
Leermasse 920 kg
Treibstoffmasse ca. 2.000 kg
Gesamtmasse ca. 2.890 kg
Antrieb 2 Flüssigkeitstriebwerke
Treibstoff MMH + MON-​3 
Vakuumschub {tip:: 2× 7,5 kN“>15 kN
spezifischer Impuls (Vakuum) 308 s
Gesamt-​Brenndauer {tip:: missionsspezifisch, Angabe für PSLV-​D1; PSLV-​D2 = 397 s“>425 s
Nutzlastverkleidung
Länge über Endstufe ca. 8,3 m
max. Durchmesser ca. 3,2 m