Ende der 1980er Jahre suchte das wichtigste russische Konstruktionsbüro für große Feststofftriebwerke, das Moskauer Wärmetechnische Institut, nach kommerziellen Absatzmöglichkeiten seiner Produkte. Mit Hilfe privater Investoren konnte schließlich die Finanzierung des Projekts einer leichten Trägerrakete sichergestellt werden, ein Novum in der russischen Raumfahrt. 1991/92 begannen die konkreten Arbeiten des neuen Unternehmens НТЦ „Комплекс-МИТ“ (dt. Wissenschaftlich-Technisches-Zentrum „Komplex-MIT“). Ausgehend von der mobilen Interkontinentalrakete RT-2PM (Erzeugnis 15Sh58 „Topol“) wurde eine vier– bzw– fünfstufige Feststoffrakete konzipiert. Die „Topol“ war in der 70er Jahren entworfen und ab 1982 erprobt worden. Da die Rakete noch im aktiven militärischen Einsatz steht, sind technische Details nur spärlich verfügbar. Bekannt ist jedoch, daß alle drei Stufen der „Topol“ über ein Feststofftriebwerk mit starr montierter, teilversenkter, Düse verfügten. Zur Steuerung verfügte die Erststufe über Strahlruder aus Wolframguß und vier aerodynamische Gitterruder. Dazu kamen vier fixe aerodynamische Stabilisatoren, ebenfalls in Form von ausklappbaren Gittern am Heck der Rakete. Die Zweit– und Drittstufe verfügten über ein Schubvektorkontrollsystem mit Gasdüsen, die von einem Gasgenerator gespeist wurden. Dazu kam ein System von Kaltgasdüsen für die Rollkontrolle. Die Drittstufe erhielt zudem ein Schub-Unterbrechungssystem mit acht Öffnungen, aus denen auf Kommando der Schub abgeleitet werden konnte. Das ermöglichte eine präzise Steuerung des Brennschlusses. Für eine sichere Stufentrennung waren an der Erststufe kleine Feststofftriebwerke montiert, die diese auf Kommando verzögerten. Die „Topol“ wurde weitgehend unverändert als Basis der neuen Rakete übernommen. Benötigt wurden allerdings eine zusätzliche Viertstufe und ein neuer Kopfblock mit Nutzlastverkleidung. Bei der Viertstufe wurde mit Sicherheit auf eine vorhandene Entwicklung zurückgegriffen, möglicherweise aus dem Entwicklungsprogramm der Mittelstreckenrakete 15Sh53 „Pionier“ (bekannter als SS-20). Dieses Triebwerk verfügte über eine hydraulisch schwenkbare Düse sowie Kaltgasdüsen (zur Rollkontrolle). Letztere übernahmen auch die 3-Achsen-Kontrolle in der antriebslosen Flugphase bis zur Abtrennung der Nutzlast bzw. bis zur Aktivierung eines optionalen Post Boost Propulsion System, einer Konstruktion aus drei Sätzen von Kleintriebwerken, die durch einen Feststoff-Gasgenerator gespeist wurden. Das Gewicht dieses optionalen Systems reduzierte zwar die Nutzlastkapazität um bis zu 100 kg, erhöhte aber die Präzision beim Bahneinschuß signifikant. Die Nutzlastverkleidung wurde als Halbschalen-Konstruktion aus Verbundwerkstoffen mit einer Basis aus Aluminium ausgeführt. Da die „Topol“ als hochmobile Rakete zum Abschuß von siebenachsigen Spezialtransportern oder aus Eisenbahnwaggons konzipiert war, verfügte sie über ein sehr modernes und präzises Steuerungssystem. Mit einigen Anpassungen hinsichtlich des Flugprofils konnte diese Avionik-Plattform im Kopfblock der Rakete auch für Satellitenstarts genutzt werden. Denn der Abschuß der Start Rakete unterscheidet sich kaum von der der militärischen Variante. Auch sie rollt mit dem MAS-7917 Spezialtransporter zum Startplatz, wird dort aufgerichtet und aus dem Transportcontainer abgefeuert. Dazu zündet zunächst eine Pulverkartusche, die die Rakete aus dem Container ausstößt, bevor in sicherer Höhe über dem Transport– und Startfahrzeug die Erststufe zündet.
Zur Vermarktung der Rakete wurde mit dem amerikanischen Partner United Start Corporation das Unternehmen ЗАО „Пусковые услуги“ gegründet. Obwohl ein Einsatz praktisch von jedem Ort aus möglich ist, erfolgten Starts bisher nach Abschluß der Erprobung aussschließlich vom Kosmodrom Swobodnij, das jedoch nach nur wenigen Einsätzen wieder geschlossen wurde. Inwieweit das das ohnehin nur wenige erfolgreiche Projekt beeinflußt, ist nicht ganz klar. Pläne für den Einsatz der Start von ausländischen Startplätzen oder der reaktivierten italienischen Plattform „San Marco“ vor der Küste Kenias materialisierten sich jedenfalls bisher ebenfalls nicht.
Gesamtsystem | |
Nation | Rußland |
Bezeichnung(en) | Start-1 |
Entwicklungszeitraum | 1991 – 1993 |
erster Start | 25.03.1993 |
Einsatzzeitraum | 1993– |
Stufenzahl | 4 |
Gesamthöhe | ca. 22,70 m |
Basisdurchmesser | 1,84 m |
max. Nutzmasse | 488 kg (200 km@90° Polarbahn — mit PBS) 550 kg (200 km@98° sonnensynchrone Bahn — ohne PBS) |
Leermasse | |
Treibstoffmasse | |
Startmasse | ca. 47.000 kg |
Startschub | ca. 890 kN |
1. Stufe | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | |
Länge | ca. 8,5 m |
Durchmesser | 1,84 m |
Leermasse | ca. 3.000 kg |
Treibstoffmasse | ca. 23.000 kg |
Gesamtmasse | ca. 26.000 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk |
Treibstoff | Feststoff |
Startschub | ca. 890 kN |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | 238 s |
Brenndauer | 63 s |
2. Stufe | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | |
Länge | ca. 6,0 m |
Durchmesser | |
Leermasse | ca. 1.500 kg |
Treibstoffmasse | ca. 11.500 kg |
Gesamtmasse | ca. 13.000 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk |
Treibstoff | Feststoff |
Vakuumschub | ca. 490 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 280 s |
Brenndauer | 60 s |
3. Stufe | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | |
Länge | ca. 3,0 m |
Durchmesser | |
Leermasse | ca. 1.000 kg |
Treibstoffmasse | ca. 5.000 kg |
Gesamtmasse | ca. 6.000 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk |
Treibstoff | Feststoff |
Vakuumschub | ca. 245 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 280 s |
Brenndauer | 63 s |
4. Stufe | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | |
Länge | ca. 2,5 m |
Triebwerksdurchmesser | |
Leermasse | ca. 300 kg |
Treibstoffmasse | ca. 700 kg |
Gesamtmasse | ca. 1.000 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk |
Treibstoff | Feststoff |
Vakuumschub | ca. 100 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 295 s |
Brenndauer | 53 s |
Nutzlastverkleidung | |
Länge einschließlich Adaptersektion | 3,86 m |
max. Durchmesser | |
max. Nutzlastvolumen | 2,55 m³ |