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Thor-​DM18 Able-​3 

Trägerrakete

Thor-DM18 Able-3

Die Thor Rakete, Ausgangsmuster der viele Jahrzehnte im Einsatz stehenden Delta Raketen, geht auf eine Mittelstreckenrakete (IRBM — Intermediate Range Ballistic Missile) der US Air Force zurück. Im Jahr 1955 hatte die USAF Studien für eine derartige Rakete angestellt und war zu der Auffassung gekommen, daß eine Rakete mit einer Reichweite von um die 3.000 km relativ rasch entwickelt werden konnte. Nachdem die USAF im Vergleich zu den anderen Waffengattungen bei der Raketenentwicklung ins Hintertreffen geraten war, erhielt das Projekt TWS-​315 A höchste Priorität. Im November 1955 wurde das Programm vom DoD bestätigt und am 27.12.1955 erhielt die damalige Douglas Aircraft Company den Entwicklungsauftrag. Unteraufträge gingen an Rocketdyne für die Entwicklung des XLR-​79  Raketentriebwerkes und an die Ramo Wooldridge Corp. (später Space Technology Laboratories). Bereits im Juli 1956 waren die Konstruktionsarbeiten abgeschlossen und der Bau der Prototypen bei Douglas in Santa Monica, Calif. begann. Und am 26.10.1956 wurde die erste XSM-​75  Thor an die USAF ausgeliefert! Eine derart schnelle Entwicklung eines solch komplexen Waffensystems gelang später nie wieder. Dabei hatte Triebwerkshersteller Rocketdyne eine Reihe bemerkenswerter Neuerungen in seinem LR-​79  Triebwerk für die Thor Erststufe verwirklicht. Grundsätzlich entsprach es weitgehend dem Starttriebwerk der Atlas und war damit eine Weiterentwicklung des Jupiter Triebwerks, das wiederum aus dem unglücklichen Navaho Marschflugkörper Programm abgeleitet worden war. Beim LR-​79  wurde auf Strahlruder verzichtet zugunsten eines schwenkbaren Haupttriebwerks, das von zwei kleinen LR-​102  Verniertriebwerken unterstützt wurde. Diese übernahmen die Rollstabilisierung und glichen Differenzen im Schub des Haupttriebwerks aus. Dadurch war eine Lageregelung um alle drei Achsen sichergestellt und ein präziserer Brennschluß gewährleistet. Vier Flossen am Heck der Rakete unterstützten in der unteren Atmosphäre die aerodynamische Stabilisierung. Bei der Brennkammer ging man von der bis dahin gebräuchlichen Doppelwand weg und setzte auf ein Röhren-​System zur Regenerativkühlung von Brennkammer und Entspannungsdüse. Bei der Treibstofförderung setzte man auf Turbopumpen. Im Gegensatz zu dem hochmodernen Triebwerk wurde die Zelle noch konventionell aus Edelstahl 410 Halbschalen mit Stringern und Spanten gefertigt und war damit technologisch wesentlich anspruchsloser als bei der Atlas ICBM. Die Testflüge mit der Thor begannen am 25.01.1957 und konnten im August 1958 nach einigen Fehlschlägen erfolgreich abgeschlossen werden. Noch während der Erprobung im November 1957 erhielt die Ramo-​Wooldridge Corp. den Auftrag, einige Raketen mit einer leicht verbesserten Vanguard Oberstufe mit Aerojet AJ10-​41  Antrieb auszurüsten. Zwar war die Zweitstufe für einige der Fehlstarts im Vanguard Programm verantwortlich gewesen, doch gab es zu dieser Zeit keine Alternative. Die Zweit– und Drittstufe der Vanguard waren die einzigen erfolgreich im Flug erprobten Oberstufen für Mehrstufenraketen, die für andere Programme zur Verfügung standen. Also wurde die Vanguard Zweitstufe in den Space Technology Laboratories von Ramo-​Wooldridge strukturell angepaßt, um auf eine Thor Grundstufe aufgesetzt werden zu können. Vor allem die Länge wurde etwas verkürzt, eine Übergangssektion zwischen Erst– und Zweitstufe entworfen. Damit war die Zelle praktisch eine Neukonstruktion. Einzige Maßnahme zur Lagestabilisierung war die Einführung von acht kleinen Drallraketen, die für eine Rotation um die Längsachse sorgten. Die Grundstufe wurde gleichfalls für die Aufnahme der Oberstufe modifiziert und an das geänderte Flugprofil angepaßt. Die so entstandene zweistufige Version mit den Bezeichnungen LV-​12  bzw. Thor-​Able hatte ihren Erstflug im April 1958. Der erste Start endete zwar mit einer Explosion nach 146 s Flug, die nächsten waren aber erfolgreich. Dabei wurden Wiedereintrittskörper über Entfernungen von 9.758 km bzw. 9.712 km transportiert, konnten allerdings nicht geborgen werden. Im März 1958 entstanden dann Pläne für eine dreistufige Variante, mit der die USAF eine kleine Sonde zum Mond schießen wollte um der Sowjetunion in der Raumfahrt Paroli zu bieten. In wenigen Monaten, bis zum Sommer 1958, wurde auch diese Entwicklung abgeschlossen. Die Able Zweitstufe wurde nochmals modifiziert und als Drittstufe das ABL Modell von der Vanguard übernommen. Mit jeweils geringen missionsspezifischen Modifikationen flogen so 1958 bis 1960 einige der seinerzeit aufsehenerregendsten US Raumfahrtmissionen auf der Thor-​Able. Das Modell Thor-​Able III wurde speziell zum Start dex Explorer VI (S-​2) Satelliten auf eine hochelliptische Bahn modifiziert. Vor allem kam ein verbessertes Steuerungssystem zum Einsatz. Da auf ein (beim militärischen Ausgangsmodell vorhandenes) Funklenksystem aus Gewichtsgründen verzichtet werden mußte, wurde die Flugbahn von einem Autopiloten in der Thor Grundstufe bestimmt, der einen vorprogrammierten Kurs steuerte. Bei Brennschluß der Zweitstufe und unmittebar vor der Abtrennung der Drittstufe versetzen acht Spin-​Raketen den Oberstufen-​Stack in eine stabilisierende Rotation von 168 min–1 . Neu wurde die aus faserverstärktem Kunststoff gefertigte Nutzlastverkleidung, die aus zwei Halbschalen bestand, für das Thor-​Able Programm entwickelt. Bei der Thor-​Able III entsprach die Nutzlastverkleidung, die die Drittstufe mit umschloß und sehr schlank ausgeführt war, weitgehend derjenigen der Thor-​Able I, war jedoch leicht konisch. Offiziell galten Thor-​Able I und Thor-​Able III als vierstufige Raketen, da die Nutzlasten selbst über ein Feststofftriebwerk verfügten, das auf Funkkommando vom Boden gezündet werden konnte. Nach heutiger Terminologie qualifizieren sie sich damit aber als dreistufige Rakete.
Lediglich eine Thor-​Able III wurde eingesetzt: Thor #134 am 07.08.1959 zum Start von Explorer VI (S-​2). Dieser Satellit verfügte über ein ARC (Atlantic Research Corporation) Feststofftriebwerk des Typs 1KS 420 mit 1.930 N Schub. Trotz einer beträchtlichen Abweichung im Apogäum nach dem Bahneinschuß wurde eine Zündung des Triebwerks jedoch nicht für nötig erachtet (das Triebwerk war nur zur Erhöhung des Apogäums vorgesehen gewesen — dieses lag aber ohnehin höher als erhofft).


Gesamtsystem
Nation USA (NASA)
Bezeichnung(en) Thor-​DM18 Able-​3, Thor-​Able III 
Entwicklungszeitraum 1956 – 1959 
erster Start 07.08.1959 
Einsatzzeitraum 1959 
Stufenzahl
Gesamthöhe ca. 27,1 m
Basisdurchmesser 2,44 m 
max. Nutzmasse 250 kg (500 km Kreisbahn) 
Leermasse
Treibstoffmasse
Startmasse ca. 47.800 kg
Startschub 682 kN
1. Stufe
Hersteller Douglas Aircraft Corp. 
Bezeichnung(en) Thor DM-​18 (DM-​1812 – 6) 
Länge mit Adapter 19,19 m 
max. Durchmesser 2,44 m 
Leermasse
Treibstoffmasse
Gesamtmasse
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk Rocketdyne MB-​3-​I (1× LR-​79-​NA9 + 2× LR-​102-​NA7
Treibstoff Kerosin RP-​1 + Flüssigsauerstoff 
Startschub 682 kN
spezifischer Impuls (Seehöhe) 249 s
Brenndauer ca. 160 s
2. Stufe
Hersteller Aerojet General Corp.
Bezeichnung(en) Able III 
Länge mit Gerätesektion
max. Durchmesser 0,84 m 
Leermasse
Treibstoffmasse
Gesamtmasse
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk Aerojet General AJ10-​101 A 
Treibstoff UDMH + weißrauchende Salpetersäure (WIFNA
Vakuumschub 34 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum) 271 s
Brenndauer ca. 100 s
3. Stufe
Hersteller
Bezeichnung(en)
Länge 1,53 m
Triebwerksdurchmesser 0,46 m
Leermasse ca. 23 kg
Treibstoffmasse
Gesamtmasse ca. 250 kg
Antrieb 1 Feststofftriebwerk ABL X-​248-​A-​3 
Treibstoff Feststoff BUU (doppel-​basisch)
Vakuumschub 14 kN
spezifischer Impuls (Vakuum) 251 s
Brenndauer ca. 40 s
4. Stufe
Hersteller
Bezeichnung(en)
Länge
Triebwerksdurchmesser
Leermasse
Treibstoffmasse
Gesamtmasse
Antrieb 1 Feststofftriebwerk ARC MARC-​7 1KS 420 
Treibstoff Feststoff
Vakuumschub 1,93 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum) 248 s
Brenndauer
Nutzlastverkleidung
Länge über Endstufe 2,65 m
max. Durchmesser 0,84 m 

Quellen:

THE THOR HISTORY SM-​41860, Februar 1964 [A]
DEVELOPMENT PLAN FOR ABLE 3 – 4, Juni 1959 [B]
SPACE PROBES PROGRAM STATUS REPORT, November 1959 [C]
NASA HISTORICAL DATA BOOK Volume II (Programs and Projects 1958 – 1968), 1988 [D]