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Voyager 2 — eine unglaubliche Reise

Hintergrundartikel

Voyager 2 StartAls am 20.08.1977 die stärkste Trägerrakete der westlichen Welt, eine Titan-​IIIE Centaur-​D1 T von Startkomplex 41 in Cape Canaveral abhob, verfolgten nicht nur zahllose interessierte Menschen weltweit mit Spannung diesen Start. Ungemein größer war die Anspannung bei den Wissenschaftlern und Technikern, die seit Jahren mit am Voyager-​Projekt gearbeitet hatten. Denn mehr als jeder andere waren sie sich bewußt, daß es im Falle eines Fehlschlags keiner Wiederholung geben würde. Geben konnte. Und das lag diesmal nicht an der angespannten Budgetsituation der NASA. Vielmehr war die geplante Mission nur bei einer bestimmten Planetenkonstellation möglich. Und diese trat perfekt nur alle 176 Jahre wieder ein.
Ziel des Voyager Programms war es, erstmals[1] zwei Raumsonden zu den äußeren Planeten Jupiter und Saturn zu schicken, mit der Option, auch Uranus und Neptun zu erkunden. In der Frühzeit der Raumfahrt schien es praktisch unmöglich, diese Planeten zu erreichen. Zu groß war der Energieaufwand für einen Flug ins äußere Sonnensystem. Abgesehen davon dauerte ein Flug dorthin länger, als damalige Systeme den kosmischen Bedingungen standhalten konnten. 1962 änderte sich plötzlich diese Einschätzung, als Michael A. Minovitch, ein 25-​jähriger Doktorand der UCLA (University of California, Los Angeles) und über den Sommer als Mathematiker in der Trajectory Group des JPL (Jet Propulsion Laboratory) beschäftigt, die Gelegenheit nutzte, unter Einsatz damaliger Mainframe-​Computer eine seiner Ideen zu überprüfen. Nachdem er im Juli 1961 die Lösung für das Problem präsentiert hatte, zu dessen Untersuchung er eingestellt worden war, begann er damit, darauf aufbauend, ein weitaus komplexeres Bahnproblem zu berechnen. Am 23.08.1961 präsentierte er sein 47-​seitiges Dokument, in dem er seine Idee des „Gravity Propelled Interplanetary Space Travel“ vorstellte. Zunächst schlug ihm Skepsis entgegen. Doch allmählich überzeugte er auch die größten Kritiker. Als erste erkannte man bei der UCLA die Bedeutung von Minovitchs Theorie. Zwischen Januar 1962 und 1964 konnte er hier einen brandneuen IBM 7070/7094 Mainframe Rechner nutzen, um seine Berechnungen fortzuführen. Der Chef der Trajectory Group beim JPL, Victor Clarke, lehnte es hingegen noch immer ab, sich mit den revolutionären Ideen auseinanderzusetzen. Sie schienen ihm zu viele Gesetze der klassischen Physik zu verletzen. Als unter Einsatz der Computer im April 1962 aber erkennbar wurde, daß Minovitch bei seinen Untersuchungen eine erste numerische Lösung für das bis dahin ungelöste „eingeschränkte Dreikörperproblem“ gefunden hatte, gewährte man ihm ab Juni 1962 auch unbegrenzten Zugriff auf die beiden leistungsfähigsten Computer des JPL.
Während die Begeisterung bei der UCLA für die Leistung ihres Studenten gewaltig war, versagte man Minovitch beim JPL aber die Anerkennung. Die genauen Hintergründe sind bis heute unklar. Vermutlich spielte aber eine Rolle, daß Minovitch kein fester Angestellter des JPL war. Jedenfalls machte man sich seine Ideen zu eigen, sprach sie aber dem JPL Ingenieur Gary Flando zu, der 1966 seine Berechnungen publizierte, nach denen Ende der 1970er Jahre die äußeren Planeten in einem Raumsektor standen und auf einer gravitations-​unterstützten Bahn erreicht werden konnten.
Während Minovitch jahrzehntelang um die verdiente Würdigung seiner Leistung kämpfte, machte die NASA davon unbeeindruckt Gebrauch für die Planung zukünftiger interplanetarer Unternehmungen. Die erste Weltraummission, die ausgehend von seinen Ideen konzipiert wurde, war der Flug von Mariner 10. Berechnungen hatten ergeben, daß es möglich war, diese Sonde bei einem Vorbeiflug an der Venus so zu beschleunigen und zugleich abzulenken, daß sie den Planeten Merkur erreichen konnte. Und das bei vertretbaren Anforderungen an den Energiebedarf (sprich die Trägerrakete) wie auch einer beherrschbaren Missionsdauer.
Auch wenn Gary Flando, ebensowenig wie anderen Experten des JPL, die im Laufe der Jahre als Entdecker der gravitations-​unterstützten interplanetaren Bahnen präsentiert wurden, diese Ehre tatsächlich zustand, war er es doch, der mit seinen Arbeiten ein neues anspruchsvolles Projekt der Planetenforschung entscheidend voranbrachte. Er verwies darauf, daß in den Jahren 1976 bis 1978 ein planetare Konstellation herrschte, wie es sie erst in 176 Jahren wieder geben würde. Und die optimal für die Erkundung des äußeren Sonnensystems war.
der TOPS Sondenentwurf ähnelte schon stark den späteren Voyager-SondenEnde der 1960er Jahre studierte die NASA bereits konkret verschiedene Szenarien zur Erkundung der äußeren Planeten unter Verwendung der neu entdeckten „slingshot“ Technik. Eines der vielen Voyager Konzepte sah den Start von Raumsonden bisher nicht gekannter Größe mit der Saturn V vor. Diese sollten auf ihrer Tour durch das Sonnensystem an jedem besuchten Planeten zusätzlich einen Orbiter zurücklassen! Verschiedene NASA Zentren entwarfen ihre Konzepte für Raumsonden zur „Grand Tour“. Dem JPL gelang es gegen starke Konkurrenz, hierbei die Führungsrolle zu behalten. Ende der 1960er Jahre entstand beim JPL das Design für ein Thermoelectric Outer Planets Spacecraft zur Erforschung des äußeren Sonnensystems. Dieses hatte bereits mehr Ähnlichkeit mit den tatsächlich gestarteten Voyager Sonden. TOPS sah insgesamt vier Starts vor. Zwei 1976 bzw. 1977 zu startende Sonden sollten die Route Jupiter-​Saturn-​Pluto fliegen, zwei weitere 1979 Kurs Jupiter-​Uranus-​Neptun nehmen. Detaillierte Missionsszenarien wurden ab 1969 ausgearbeitet, zunächst unter dem Namen Grand Tour Suite, später dann als Outer Planets Grand Tour Project. Basis war weiterhin das TOPS Sondendesign. Doch inzwischen zeichnete sich ab, daß die Saturn V nicht zur Verfügung stehen würde. Und auch das NASA Budget stürzte ab. Daher untersuchte man alternativ den Single-​Start der Sonden mit einer Titan-​Centaur Variante jeweils im Jahresabstand. Das bedeutete aber auch, daß die letzten Starts 1978/79 nur noch zu realisieren waren, wenn eine bisher nicht existente 7-​Segment Boostervariante zum Einsatz kam. 1972 geriet das Projekt in eine tiefe Krise. Einschneidende Mittelkürzungen zwangen zur Streichung der letzten Apollo-​Missionen. Das Viking-​Programm zur Erkundung des Mars sprengte den Kostenrahmen und konnte nur gerettet werden, indem es um zwei Jahre ausfgeschoben wurde. Das noch teurere OPGTP hatte keine Chance mehr auf eine Umsetzung. Jetzt galt es, wenigstens eine Minimalversion zu retten, wollte man die einmalige Chance nicht verpassen. Man reduzierte das Projekt auf nur noch zwei Sonden und deklarierte ihre Mission als Fortführung des Mariner Programms. Mariner 11 und Mariner 12 sollten wenigstens die Minimalziele des OPGTP umsetzen. Da das NASA Management vor allem die Folge– sprich Betriebskosten einer so langfristig angelegten Mission fürchtete, ordnete man explizit an, die Sonden für eine Lebensdauer von maximal vier Jahren auszulegen (was allerdings auch schon eine enorme Herausforderung bedeutete). Bei TOPS hatte man hingegen noch mit zehn Jahren geplant! Diese Beschränkung verhinderte allerdings auch die Erkundung weiterer Planeten jenseits des Saturn. Als die Mariner Jupiter/Saturn Mission 1972 in dieser Form tatsächlich genehmigt wurde, dachten allerdings weder Wissenschaftler und Ingenieure daran, sich tatsächlich an diese Vorgabe zu halten. Wenigstens bei einer Sonde wollte man sich die Option offenhalten, doch noch Uranus und wonmöglich Neptun anzufliegen. Auch das NASA Management segnete dieses schließlich ab, waren doch keine unmittelbaren Kosten mit der Entscheidung verbunden. Und die Ingenieure brachten natürlich den Erfahrungsschatz aus dem TOPS Projekt in das MJS Programm ein.
Zwischen 1974 und 1976 kalkulierten Paul Penzo, Andrey Sergeyevsky, Joseph Beerer und Charles Kohlhase zehntausende Bahnen für die Voyager Sonden quer durch unser Sonnensystem. Ihre Aufgabe war es, jene zu finden, die die maximale wissenschaftliche Ausbeute versprachen. Vor allem die Jupiter– und Saturn-​Systeme mit ihren zahlreichen Monden standen dabei im Fokus. Und der Jupiter-​Mond Io sowie der Saturn-​Mond Titan stachen nochmals heraus.
das Mariner Jupiter/Saturn FlugprofilMit der Reduzierung auf nur noch zwei MJS Sonden war allerdings der Erfolg jeder einzelnen von ihnen umso wichtiger. Und zwei grundlegende Probleme ihrer Mission waren praktisch noch nicht gelöst. Funktionierte ein swing-​by Manöver auch in der Praxis mit ausreichender Präzision? Und war es möglich, unbeschadet durch den Asteroidengürtel zu fliegen, der hinter der Marsbahn lag? Die erste Frage beantwortete die Mariner 10 Mission zum Merkur mit ihren mehrfachen komplexen Bahnmanövern zufriedenstellend. Den zweiten Punkt klärten die 1972 bzw. 1973 gestarteten Sonden Pioneer 10 und Pioneer 11. Sie erreichten als erste den Jupiter und Pioneer 11 dank eines swing-​by später noch Saturn. Dem Ames Research Center war es mit den beiden Pioneer Sonden gelungen, einen Teil der Voyager Mission vorwegzunehmen. Doch der Schwerpunkt ihres Forschungsprogramms lag auf der Strahlungs– und Teilchenphysik. Die bildgebende Instrumentierung war nur sekundärer Natur. Zur Erleichterung der Missionsplaner bewiesen die Sonden aber vor allem, daß der Asteroidengürtel wohl doch mehr aus großen „Brocken“ und weniger aus Unmengen kleiner Partikel bestand.
Die Erkenntnisse aus diesen drei Missionen flossen in die Entwicklung der MJS Sonden ein. Zwar hatte man sich grundsätzlich auf deren Design bereits festgelegt. Doch ergaben sich einige kurzfristige Änderungen. Äußerlich ähnelte der MJS Entwurf stark den beiden letzten Pioneer Sonden. Im Gegensatz zu diesen flogen sie aber nicht spinstabilisiert durchs All, sondern 3-​Achsen-​stabilisiert. Das bot natürlich erhebliche Vorteile für viele Instrumente, insbesondere die bildgebenden, brachte aber auch Nachteile mit sich. Die komplexe Steuerungselektronik der Sonde wurde in einer Box untergebracht, die das Haupttriebwerk umschloß. Auf der gegenüberliegenden Seite war die parabolische High Gain Antenna von 3,66 m Durchmesser montiert. Über sie konnten sowohl Telemetrie und Kommandos (im S-​Band) als auch die wissenschaftlichen Daten (im X-​Band) übermittelt werden. Erst die Nutzung des X-​Bands erlaubte die Übertragung der für damalige Verhältnisse gewaltigen Datenmengen in vertretbarer Zeit und über große Distanzen. Bei der Stromversorgung setzte man auf drei Radioisotopengeneratoren. Diese RTGs lieferten beim Start etwa 480 Watt an elektrischer Leistung und waren möglichst weit weg von den empfindlichen Instrumenten der Sonde an einem Ausleger montiert. Gegenüber waren an einem weiteren Ausleger die wichtigsten Instrumente montiert. Das Ultraviolet Spectrometer (UVS), das Infrared Interferometer Spectrometer (IRIS), das Imaging Science System (ISS), ein Photopolarimeter System (PPS), das Cosmic Ray Detector System (CRS), ein Plasma Spectrometer (PLS) und das Low-​Energy Charged Particles (LECP) Experiment waren hier untergebracht. Dazu kam an einem auf 13 m Länge ausfahrbaren Mast ein triaxiales Fluxgate Magnetometer.
Aufbau der Voyager SondenDie Erfahrungen der beiden Pioneer Pfadfindersonden hatten gezeigt, daß insbesondere die enorme Strahlungsbelastung am Jupiter eine Gefahr darstellte. Kurzfristig mußte daher die Abschirmung der empfindlichen Elektronik verbessert werden. Auch wurden unter den empfehlenswerten Bahnvarianten nun jene herausgesucht, die unter Beachtung der sonstigen Kriterien einen schnellen Vorbeiflug an dem Riesenplaneten sicherstellten. Dennoch mußte man mit unvorhergesehenen Situationen und dem Ausfall einzelner Systeme rechnen. Wo möglich und vertretbar plante man daher redundante Systeme ein. Eine der wegweisenden Entwicklungen aus dem TOPS Programm war der Self-​Test and Repair Computer. STAR war als fünffaches System angelegt, bei dem zwei Computer ausfallen durften. Angesichts der langen Signallaufzeiten hatte man zudem ein Voting-​System eingeführt, bei dem zwei defekte Computer von den anderen drei „überstimmt“ werden konnten. Doch die Kosten dafür waren entsprechend, so daß man auf eine einfachere Lösung ausweichen mußte. Diese sah so aus, daß man die grundlegenden Funktionen der Sonden verteilte. CCS (Communication & Command System), AACS (Attitude and Articulation Control System) und FDS (Flight Data Subsystem) bekamen jeweils ein eigenes in sich redundantes Computersystem. Dazu kamen umfangreiche Selbstdiagnosefunktion, die Fehler erkennen und automatisch auf das Reservesystem umschalten sollten.

Im März 1977 wählte die NASA den traditionsreichen Namen Voyager für die bisherige MJS Mission. Als erste der beiden Sonden sollte im August 1977 die nun Voyager 2 genannte Sonde starten. Es war diejenige, für die man sich die Option offengehalten hatte, nach Jupiter und Saturn auch noch Uranus und Neptun anzufliegen. Da sie aber auf einer langsameren Bahn unterwegs war, würde sie die primären Ziele später als die Schwestersonde erreichen. Daher die Namensgebung. Die Missionserweiterung von Voyager 2 stand aber weiter unter dem Vorbehalt, daß bereits Voyager 1 alle primären Ziele der Mission erfüllen konnte. Anderenfalls hätte man sich auf mit Voyager 2 auf eine erfolgreiche Wiederholung der Primärmission konzentriert.
Obwohl mit der Titan-​IIIE Centaur-​D1 T bereits die leistungsfähigste US Rakete für hochenergetische Bahnen zum Einsatz kam, reichte deren Schub noch immer nicht aus, um die Sonden adäquat zu beschleunigen. Man griff daher auf das TE-​364 – 4  Triebwerk zurück, wie es auch bei der Burner II zum Einsatz kam. Das abwerfbare Triebwerk wurde über Streben mit der Sonde verbunden und galt technisch als deren Bestandteil.
In den letzten Monaten vor dem Start der ersten Sonde stiegen die Zweifel am Erfolg der Mission. Immer wieder wurden defekte Baugruppen bei Tests entdeckt. Anfang August 1977 fand man gleich mehrere Anomalien im AACS und FDS von VGR77-​2 . Als eines von drei baugleichen flugqualifizierten Exemplaren der Voyager-​Sonde war es für den ersten Start vorgesehen. Stattdessen übernahm nun VGR77-​3  diese Rolle, während VGR77-​2, inzwischen repariert, später als Voyager 1 flog. Beim JPL tröstete man sich mit der Weisheit, daß viele Probleme bei den Tests in der Regel weniger Ärger im Einsatz bedeuteten. Zwar erwies sich dies später als Irrtum, doch konnten die redundanten Systeme die beiden Voyager Missionen in der Praxis immer wieder retten.
Als die erste Voyager Sonde am 20.08.1977 von LC-​41  in Cape Canaveral abhob, gab es bereits nach wenigen Augenblicken eine erste Schrecksekunde. Der primäre AACS Computer wurde als unzuverlässig erkannt und das Reservesystem übernahm seine Aufgaben, zu denen auch die Zündung des TE-​364 – 4  Triebwerks zählte. Somit war Voyager 2 tatsächlich auf dem Weg zu einem Rendezvous mit Jupiter knapp zwei Jahre später. Eines von drei Gyroskopen hatte sich nach anfänglichen Problemen in der Startphase glücklicherweise stabilisiert. Doch noch immer schien der Erfolg der Mission gefährdet, da sich scheinbar der Instrumentenausleger nicht ausfahren ließ. Schließlich wurde die Scan-​Plattform mit den Kameras so geschwenkt, daß sie auf den Sondenkörper zeigte. Anhand der Bilder ließ sich feststellen, daß sich der Ausleger mit einer Unsicherheit von 0,5° in der Endlage befand, ohne daß jedoch der Endschalter dies bestätigte. Nach einer Kurskorrektur am 13.10.1977 war Voyager 2 präzise auf Kurs. In den ersten Monaten nach dem Start mußten die Teams im Kontrollzentrum ihre Erfahrungen mit dem Betrieb der Sonden sammeln. Dabei erwies sich das neue Konzept der Eigenintelligenz als durchaus nicht unproblematisch. Überlastet mit anderen Aufgaben hatte man beispielsweise im Frühjahr 1978 einige Tage nicht mit Voyager 2 kommuniziert. Es gab aus Sicht der Experten auch keinen Grund dazu. Doch der Computer des CCS interpretierte die Funkstille als wahrscheinlichen Ausfall des primären Empfängers und schaltete am 02.04.1978 auf das Reservesystem um. Tatsächlich war bei diesem aber, bis dahin unerkannt, der Mechanismus zur Kompensation der Dopplerverschiebung defekt. Am 06.04.1978 konnte der Befehl übermittelt werden, wieder auf das Hauptsystem umzuschalten. Dieses hatte allerdings seit Ende November 1977 einige Probleme entwickelt. Nun fiel es tatsächlich komplett aus. Diesmal bewährte sich der Fehlerdetektionsmechanismus. Allerdings mußte man fortan mit den Defiziten des Reserveempfängers leben. Im Abstand von mehreren Wochen wurden einige Meßdaten aus dem interplanetaren Raum übertragen. Überhaupt hielten beide Sonden mit einer Vielzahl verschiedener Fehlfunktionen in Atem. Lageregelungstriebwerke, die zur falschen Zeit zündeten, blockierende Filterräder, zurückgewiesene Kommandos. In vielen Fällen zeigte sich, daß die auf große Autonomie ausgelegten Computer einfach überempfindlich reagierten. Schließlich wurde ein erheblicher Teil ihrer Programmierung neu geschrieben und im Flug an sie übermittelt.
Am 25.04.1979 begann dann die Bildübertragung von Jupiter. Voyager 1 hatte erst wenige Tage zuvor seine letzten Aufnahmen übermittelt. Teil des wissenschaftlichen Programms an dem Gasriesen war auch die Erkundung der bekannten Monde. Innerhalb von 35 Stunden wurden am 08. und 09.07.1979 die Monde Kallisto, Ganymed, Europa, Amalthea und Io passiert. Bis auf Io und Europa ergänzten sich die Aufnahmen zudem derart, daß zu einem großen Teil beide Hemisphären der Monde dokumentiert werden konnten. Bereits hier zeigte sich die Meisterschaft der Missionsplaner. Und diese hatten sogar noch die Gelegenheit genutzt, die Bahn von Voyager 2 anzupassen, um einige Entdeckungen näher zu untersuchen, die Voyager 1 gemacht hatte. So hatte man auf Io aktiven Vulkanismus nachgewiesen, gewaltige Gewitter auf der Nachtseite von Jupiter entdeckt und einen dünnen Ring um den Planeten. Am 05.08.1979 endete offiziell die Phase der Jupitererkundung auch für Voyager 2. Wie die Schwestersonde war sie nun auf dem Weg zum Saturn.
Während Voyager 1 den Saturn am 12.11.1980 passierte, brauchte Voyager 2 bis zum 25.08.1981 für die maximale Annäherung. Bei der Vielzahl der Saturn-​Monde war es diesmal unumgänglich, deren erkundung zwischen den beiden Sonden aufzuteilen. Voyager 2 konzentrierte sich auf Enceladus, Tethys, Hyperion, Iapetus und Phoebe. Dazu kamen einige neu entdeckte Monde und insbesondere das spektakuläre Ringsystem. Bereits Voyager 1 hatte gezeigt, daß dieses aus zahllosen einzelnen Ringen bestand, die teilweise komplexe Strukturen bildeten, miteinander verdrillt waren oder Speichen bildeten. Doch erst Voyager 2 deckte die ware Komplexität auf. Auf den Bildern der Kameras ließen sich an die 1.000 Ringe identifizieren. Doch die Daten des Photopolarimeters wiesen gar auf über 100.000 Ringe hin, wobei die Auflösung bei etwa 100 m lag. Leider forderte der intensive Einsatz der Scanplattform seinen Tribut. Etwa 110 min nach der maximalen Annäherung blockierte diese plötzlich. Das Problem konnte nicht von den autonomen Systemen der Sonde gelöst werden. Und aufgrund der langen Signallaufzeiten dauerte es, bevor man davon auf der erde Erfuhr. Tagelang wurden nun Kommandos an Voyager 2 übermittelt in der Hoffnung, die Blockade zu überwinden. Schließlich waren eingeschränkt wieder Manöver mit der Plattform möglich. Doch es waren bis dahin drei Tage vergangen, in denen zahllose wissenschaftliche Daten verloren gingen. Erst später endeckte man die wahre Natur des Problems. Der zu intensive Einsatz des Antriebs mit hoher Geschwindigkeit hatte das Schmiermittel aus den Lagern austreten lassen. Schließlich blockierte eine Welle. Fortan betrieb man die Scanplattform nur noch mit verringerter Geschwindigkeit, bis man sie am 05.09.1981 komplett deaktivierte.
Während Voyager 1 am Saturn aus der Ekliptik ausgelenkt worden war und nun keinen weiteren Planeten unseres Sonnensystems mehr passieren würde, bestand diese Geelegenheit bei Voyager 2 noch. Und der NASA war es tatsächlich gelungen, ein Budget für die Fortsetzung der Mission zu bekommen. Viel hatten dazu die sensationellen Bilder der beiden Sonden beigetragen, die eine breite Begeisterung für das Unternehmen förderten. Im Frühjahr 1981 wurde das notwendige Kurskorrekturmanöver für den Flug zum Uranus unternommen. Zwar gab es danach noch mehrfach seitens der Reagan Regierung Bestrebungen, das Unternehmen einzustellen. Doch konnte das von der NASA abgewendet werden. 1982 wurden unterdessen zwei Antennen des Deep Space Network von 26 auf 34 m Durchmesser erweitert, um besser mit dem zunehmend schwachen Signal von Voyager zurechtzukommen. Die aufgerüsteten Antennen wurden zudem mit den vorhandenen 64 m Antennen zusammengeschaltet. Voyager 2 flog dem nächsten Höhepunkt seiner Mission entgegen. Am 24.01.1986 passierte die Sonde den Planeten Uranus. In den Jahren bis dahin hatte man umfangreiche Softwareänderungen an die Sonde übermittelt. Diese erlaubten einen koordinierten Betrieb der wissenschaftlichen Instrumente angesichts eines inzwischen bereits deutlich gesunkenen Energieniveaus der RTGs. Außerdem wurde ein vollkommen neues Datenreduktionsverfahren für die Bilddaten implementiert. Dazu wurde einer der Reserve-​Bordcomputer nun für die Berechnung der Kompressionsalgorithmen abgestellt. So „einfach“ war allerdings das Problem der zunehmend langen Belichtungszeiten nicht zu lösen. Tückisch war dabei nicht nur die Eigenbewegung der Sonde. Die Datenaufzeichnung geschah bei den Voyager Sonden noch auf Magnetband. Die Erschütterungen beim Anfahren und Abbremsen des Laufwerks hätten die Langzeitbelichtungen jedenfalls vollkommen runiert. Einen Ausweg bot die auf Sekundenbruchteile genaue Zündung der Lageregelungstriebwerke in Gegenrichtung des Impulses. Doch diese waren nicht für solche ultrakurzen Zündungen konstruiert. Tests bestätigten aber, daß lediglich 5 ms dauernde Impulse möglich waren. Der extrem schnelle Vorbeiflug an den Uransu-​Monden Miranda und Ariel bedurfte zusätzlich einer weiteren Kompensation der Bewegungsunschärfe. Hierfür wurde eine Routine geschrieben, die die gesamte Sonde schwenkte. Die Einsätze der schwenkbaren Kameraplattform wurden nach den Erfahrungen am Saturn genau geplant und auf ein Minimum reduziert. Auch für den Fall einer erneuten Blockade hatte man vorgesorgt. Sollte dieser Fall eintreten, würde der Steuerungscomputer die gesamte Sonde unter Einsatz der Triebwerke schwenken. Selbst das Problem der Dopplerverschiebung bei der Signalübertragung hatte man weitgehend im Griff. Am Saturn hatten noch kleinste Temperaturänderungen im Sondeninneren für Probleme gesorgt. Nun war die Aktivierung der Instrumente so genau geplant, daß man im voraus die daraus resultierenden Temperaturänderungen bei der Anpassung der Empfangsfrequenz auf der Erde berücksichtigen konnte. All diese Änderungen bewährten sich ausgezeichnet. Zwar waren die Bilder von Uransu selbst enttäuschend. Die Voyager Instrumente konnten seine dichte Atmosphäre nicht durchdringen. Und auch eine umfassende Erkundung aller bekannten Monde war aufgrund ihrer ungünstigen Konstellation zum Zeitpunkt des Rendezvous unmöglich. Doch waren die Meßdaten für die Wissenschaftler durchaus aufschlußreich. Zur Begeisterung der Wissenschaftler erwies sich aber der kleine Uranus-​Mond Miranda als keineswegs so geologisch tot, wie man erwarten konnte. Der Vorbeiflug in nur 29.000 km Entfernung zeigte chaotische Strukturen, gewaltige geologische Verwerfungen und über 20 km tiefe Schluchten.
Obwohl bereits die Chancen für einen erfolgreichen Vorbeiflug an Uranus gering gewesen waren, nahm man nun auch noch Neptun ins Visier. Da es danach keine weiteren Ziele mehr für Voyager gab, wurden die verschiedensten Anflugvarianten kontrovers erörtert. Klar war, daß man nur einen der beiden bekannten Monde aus der Nähe erkunden konnte. Doch wußte man nur sehr wenig über das Neptun-​System. Umstritten war daher, wie nahe man sich an den Planeten bzw. seinen Mond Triton annäheren sollte. Um Triton auf kurze Distanz passieren zu können mußte man sich zwangsläufig auch Neptun stark nähern. Das war riskant, da man zwischenzeitlich Hinweise auf Ringe um den Planeten entdeckt hatte. Umgekehrt gab es auch Experten, die sogar dafür plädierten, Voyager mit einem Kamikaze-​Manöver direkt auf Triton zu steuern. Schließlich entschied man sich aber, den Planeten in knapp 5.000 km Entfernung zu passieren, wodurch Voyager auf eine Vorbeiflugbahn an Triton mit 38.500 km Entfernung abgelenkt werden würde. Am 14.02.1987 stellte ein großes Bahnmanöver die Weichen für den weiteren Verlauf der Mission. Über mehr als 93 min brannte das Triebwerk der Sonde. Am 11.11.1988 und 20.04.1989 gab es kleinere Kurskorrekturen. Auf der Erde hatte man unterdessen Anfang 1986 begonnen, die 64 m Antennen des DSN auf 70 m auszubauen.Der Vorbeiflug an Neptun erfolgte mit unwahrscheinlicher Präzision am 25.08.1989. Berechnungen zeigten, daß der Zielpunkt wohl um ganze 20 km verfehlt worden war. Wie vorgesehen wurde unmittelbar darauf auch Triton passiert. Die bereits für den Uranus Vorbeiflug vorgenommenen Änderungen und Verbesserungen an den DSN Stationen bewährten sich nochmals. Entsprechend war die wissenschaftliche Ausbeute erfreulich groß. Nicht nur ausgezeichnete Aufnahmen von Triton und Neptun selbst gelangen. Eine Langzeitbelichtung zeigte auch Details der Ringe. Und eine Reihe kleinerer Monde konnte auf den Bildern identifiziert werden. Die fotografische Kampagne lief vom 06.06.1989 bis zum 02.10.1989. Bei der Auswertung der Bilder stieß man u.a. auf Stickstoff-​Geysire auf Triton. Der Mond erwies sich zudem mit 2.760 km Durchmesser als weitaus kleiner, als zuvor angenommen. Auf Neptun hatte man hingegen einen großen Sturm beobachten können. Auch wurden Daten zu seiner Atmosphäre gesammelt und ein sehr schwaches Magnetfeld registriert.
Da Voyager 2 auch die Begegnung mit Neptun unbeschadet überstanden hatte und insgesamt, wie auch Voyager 1, in gutem Zustand war, wollten die Wissenschaftler nicht auf die einmalige Gelegenheit verzichten, mit ihnen weitere Daten zu sammeln. Energie– und Treibstoffvorräte konnten bei sparsamem Einsatz noch für mehrere Jahrzehnte ihren Weiterbetrieb sicherstellen. Und tatsächlich konnte am 01.01.1990 die Voyager Interstellar Mission eingeleitet werden. 1998 wurde die bedeutungslos gewordene Scanplattform von Voyager 2 deaktiviert. Vorrang hatten jetzt ohnehin die Teilchen– und Strahlungsmessungen. Ende August 2007 passierte Voyager 2 den Termination Shock, einen Grenzbereich des Sonnensystems, nach dem der Einfluß des Sonnenwindes zunehmend schwindet. Voyager 1, auf einer anderen und weiterhin schnelleren Bahn unterwegs, hatte bereits im Dezember 2004 diese Grenze passiert. Interessant war bei Voyager 2 die Feststellung, daß sich die Grenze offenbar unter dem Einfluß wechselnder Sonnenaktivität verschob. Und so durchquerte Voyager 2 den Termination Schock gleich fünfmal.

Obwohl den beiden Voyager Sonden inzwischen eine Reihe anderer bedeutender planetarer Missionen gefolgt sind, haben sie sich einen besonderen Platz in der allgemeinen Wahrnehmung erobert. Im Vor-​Internet-​Zeitalter wurden ihre Bilder fremdartiger Welten weitaus intensiver aufgenommen, als dies heute der Fall wäre. Auch qualitativ brauchen viele Bilder einen Vergleich nicht zu scheuen. Dennoch haben die Orbiter-​Sonden Galileo (Jupiter) und Cassini-​Huygens (Saturn) die wissenschaftliche Ausbeute nochmals gewaltig gesteigert. Und selbst das Hubble Space Telescope konnte in Einzelfällen (Uranus) bessere Bilder liefern. Doch als einsame Botschafter unserer Zivilisation spielen sie (neben Pioneer 10/11) eine besondere Rolle. Ausgestattet mit einer Golden-​Record Platte mit Informationen über ihre Erbauer und unseren Heimatplaneten sind sie unterwegs zu fremden Sternensystemen. Das bot sich natürlich an, in der Science-​Fiction aufgenommen zu werden. Bekanntestes Beispiel ist sicherlich „V’ger“, eigentlich „Voyager 6“ aus dem ersten Star-​Trek Kinofilm.
Michael A. Minovitch zu Gast im JPLAuch für den Entdecker des swing-​by Verfahrens, Michael Minovitch, brachte das Voyager-​Programm noch eine wenigstens teilweise Genugtuung. Das Management des JPL hatte jahrzehntelang seinen Anteil an der „Grand Tour“ systematisch heruntergespielt. Erst um die Jahrtausendwende rang man sich zu einem späten Eingeständnis durch. Viele der am Voyager-​Projekt Beteiligten wußten hingegen natürlich, was sie Minovitch verdankten. Und so lud der Chef der Flugbahn-​Projektierungsgruppe, Charles Kohlhase, im August 1989 Minovitch ein, dabeizusein, als im JPL die phantastischen Bilder von Voyagers Neptun-​Passage eintrafen. Mehr als zweieinhalb Jahrzehnte früher, am 04.02.1963, hatte er zu den Ingenieuren gehört, die Minovitchs Vortrag zum Thema „Gravity Propelled Interplanetary Space Travel“ lauschten…

[1] tatsächlich hatten die „Pfadfindermissionen“ von Pioneer 10 und Pioneer 11 bereits einige Jahre zuvor Jupiter und Saturn passiert und dabei auch schon aufsehenerregende Bilder geliefert, ohne jedoch die Fülle und Qualität der Voyager-​Sonden zu erreichen

The Voyager Space Crafts. The Golden Record and Discoveries Voyager II — Rendezvous with Saturn And then there was Voyager
Operation „Sandy“ Operation „Sandy“ Operation „Sandy“