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Start von Voyager 2
Voyager Sonde mit ausgeklapptem Magnetometerausleger
Mond Io vor der Südhalbkugel von Jupiter aufgenommen am 25.06.1979
Jupiters Großer Roter Fleck aufgenommen am 03.07.1979 aus 6 Mio. km Entfernung
Falschfarbaufnahme von Saturn aus 43 Mio. km Entfernung
Aufnahme von Neptun mit dem Großen Dunklen Fleck und weiteren atmosphärischen Phänomenen
Uranus Falschfarbaufnahme aus 2,7 Mio. km Entfernung
Die Voyager Sonden

Eine der großartigsten Wissenschaftsmissionen des 20. Jahrhunderts begann am 20.08.1977 mit dem Start einer Titan-​IIIE Centaur-​D1 T von Cape Canaveral. Die Rakete hatte die erste von zwei Voyager Tiefraumsonden an Bord, die die NASA auf eine einmalige Mission durch unser Planetensystem zu schicken gedachte. Bei der Auseinandersetzung mit der Bahnmechanik für die ersten Raumsonden zum Mars und zur Venus stieß man bei der NASA auf die Möglichkeit, das Schwerefeld einzelner Planeten als „Antriebsquelle“ zu nutzen, indem man eine Sonde durch gezielte Vorbeiflüge beschleunigte, abbremste oder auf einen neuen Kurs brachte. Bald schon zeigte sich, daß in den 1970er Jahren eine einmalige Gelegenheit bestehen würde, alle großen Gasplaneten (Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun) mit einer einzigen Raumsonde zu erkunden, wenn man die Schwerkraft des einen Planeten nutzte, um sie zum jeweils nächsten zu beschleunigen. Die Idee zur „Grand Tour“ war geboren. Nur alle 175 Jahre ergab sich eine derart perfekte Konstellation. Trotz eines engen Budgets kämpfte die NASA um die Chance, diese einmalige Gelegenheit zu nutzen. Aber auch technologisch stellte die Realisierung die NASA vor eine Aufgabe ungeheuren Ausmaßes. Noch nie war eine Raumsonde entworfen worden, die derart weit von der Sonne entfernt operieren sollte und das auch noch über einen so langen Zeitraum. Kommunikation und Navigation in den Tiefen des Raums waren eine weitere Herausforderung. Als die Projektierung einer solchen Mission Mitte der 1960er Jahre aufgenommen wurde, herrschte bei der NASA grenzenloser Optimismus. Das Gemini-​Programm lief auf Hochtouren, das Apollo-​Projekt gewann an Dynamik und die unbemannten Raumsonden sorgten für immer neue aufsehenerregende Erkenntnisse. Also ging man daran, eine gewaltige Tiefraumsonde zum Start mit der Saturn V zu konzipieren. Der Projektname lautete Thermoelectric Outer Planets Spacecraft (TOPS). 1969 schlug die NASA von vier bis fünf der Sonden vor, die auf verschiedenen Routen die Planeten Jupiter, Saturn und Pluto bzw. Jupiter, Uranus und Neptun erkunden sollten. Dazu kam eine Erprobungsmission ausschließlich zum Jupiter. Kostenpunkt etwa 750 Mio. $. Anfang der 1970er Jahre traf die Finanzkrise die NASA dann mit voller Wucht. Die letzten Apollo Missionen mußten gestrichen werden, die Viking Marslandung wurde um zwei Jahre verschoben. Das Outer Planets Grand Tour Project (OPGTP) hatte unter diesen Umständen keine Chance auf eine Realisierung. Dennoch gelang es die Idee als Erweiterung des bewährten Mariner Programms am Leben zu erhalten. Zwei kleinere Sonden sollten nun wenigstens eine Jupiter-​Saturn Mission fliegen. Um Kosten, vor allem auch beim Betrieb, zu sparen, erging die Anweisung, die Sonden strikt für die Erreichung des Minimalziels auszulegen. D.h. die projektierte Lebensdauer wurde künstlich auf 4 Jahre begrenzt, auch wenn der ursprüngliche Entwurf für 10 Jahre ausgelegt gewesen war. So mußte man sich hoffentlich nicht auf Diskussionen mit Wissenschaftlern einlassen, die einen Weiterbetrieb der Sonden bis zum Zusammenbruch ihrer Systeme fordern würden. Da aber schon Jahre an Vorarbeit in das schließlich Voyager genannte Projekt investiert worden waren, hatte die Anweisung wenig praktische Auswirkungen. Vor allem die Energiequelle, die Radioisotopengeneratoren, konnten die Systeme der Sonden wesentlich länger mit Energie versorgen. Im Mai 1972 wurde das Projekt endlich offiziell bestätigt und bis März 1975 waren die Entwürfe abgeschlossen. Bis zum geplanten Start blieben nur noch zweieinhalb Jahre. Nachdem ein letzter Versuch der Projektgruppe beim JPL gescheitert war, doch noch die Finanzierung für eine dritte Sonde zu bekommen (die praktisch in Form eines Testartikels und von Ersatzteilen ohnehin gebaut wurde), erhielt man immerhin das Einverständnis, für eine der Sonden eine Bahn über Saturn hinaus zu Uranus und Neptun zu erarbeiten. Im April und Mai 1977 trafen die beiden flugfähigen Voyager Exemplare schließlich in Cape Canaveral ein. Bei den Startvorbereitungen traten eine ganze Reihe von Problemen auf, so daß man bereits darüber nachdachte, den Start zu verschieben. Bewußt hatte man den Starttermin nicht auf das energetisch eigentlich optimale Startfenster im Herbst 1978 gelegt. Sollten 1977 Probleme auftreten, hatte man 1978 und 1979 Chancen auf einen neuen Versuch. Schließlich bekam man beide Sonden aber doch startklar. Voyager 1 sollte die primären Missionsziele erfüllen, Voyager 2 auf neue Entdeckungen oder etwaige Probleme reagieren und verstärkt die Monde der Planeten erkunden. Da Voyager 2 auf einer langsameren Bahn quasi „hinterherflog“, kam diese Sonde als erste zum Start. Die stärkste verfügbare Rakete im Arsenal der NASA war aufgeboten worden. Bei der Titan-​IIIE wurde auf das Titan „Basispaket“ eine Centaur-​D1 T Oberstufe aufgesetzt. Die Sonde selbst erhielt noch einen integrierten TM-​364 – 4  Feststoffmotor, so daß sich praktisch ein fünfstufiges System ergab. Bereits während des Aufstiegs mußte die künstliche Intelligenz der Voyager Sonde erstmals ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Aufgrund der großen zu überbrückenden Entfernungen mußten die Sonden einen hohen Autonomiegrad aufweisen. Das kam zum Tragen, als beim Aufstieg ein Fehler im Computerprogramm für die Zündung der Voyager Kickstufe erkannt wurde. Automatisch übernahm der Reservecomputer und löste den Einschuß in die interplanetare Bahn aus. Problematischer war, daß der Instrumentenausleger nicht ausgeklappt werden konnte. Erst später zeigte sich, daß dieser tatsächlich ausgeklappt, aber nicht eingerastet war. Voyager war unterwegs zu einer Mission, deren wahres Ausmaß 1977 noch niemand erahnen konnte!
Die umfangreiche Instrumentierung der Sonden gliederte sich in das Imaging Science System (ISS), das Infrared Interferometer Spectrometer (IRIS), das Photopolarimeter System (PPS), das Ultraviolett Spectrometer (UVS), das Cosmic Ray Detector System (CRS), das Plasma Spectrometer (PLS), das Low-​Energy Charged Particles Experiment (LECP), das Plasma Wave System (PWS), das Planetary Radio Astronomy Experiment (PRA), das Triaxial Fluxgate Magnetometer (MAG) und schließlich das Radio Science (RSS). Mit der Fülle der Instrumente konnten vielfältige Messungen unternommen, aber auch nicht zuletzt Bilder in unterschiedlichen Spektralbereichen aufgenommen werden. Dagegen untersuchten die Spektrometer beispielsweise die chemische Zusammensetzung der besuchten Himmelskörper, die Radiometer maßen ihre Oberflächentemperatur, die Magnetometer bestimmten ihre Magnetfelder, Teilchendetektoren erforschten die Strahlungsgürtel und Antennen fingen Radioemissionen auf. Vier der Experimente (ISS, IRIS, PPS und UVS) waren auf einer nachführbaren motorbetriebenen Plattform an einem 2,5 m langen Ausleger montiert. Das ließ die gleichzeitige Erkundung eines Zielobjekts mit mehreren Instrumenten zu, was die Ausbeute und Flexibilität zugleich steigerte.
Am 15.12.1977, beide Raumsonden passierten gerade den Asteroidengürtel, wurde Voyager 2 planmäßig von der Schwestersonde Voyager 1 überholt. Im April 1978 fiel dann der primäre Kommandoempfänger aus. Das Backup-​System erwies sich als fehlerhaft. Da aber das primäre System nicht wieder aktiviert werden konnte, mußte für den Rest der Mission mit dem unzuverlässigen Reservesystem gearbeitet werden. Es sollte nicht das letzte Problem bleiben. Dennoch passierte Voyager 2 im Juli 1979 den Planeten Jupiter (größte Annäherung am 09.07.1979) und im August 1981 Saturn (größte Annäherung am 05.08.1981). Beide Vorbeiflüge wurden zu wissenschaftlichen Meilensteinen und begeisterten Menschen weltweit für die Raumfahrt und Astronomie. Vor allem die rund 18.000 (Jupiter) bzw. 16.000 (Saturn) Fotos trugen dazu bei. Trotz der technischen Probleme wurde die Voyager Mission danach erweitert. Die Vorbeiflüge an Uranus (24.01.1986) und Neptun (25.08.1989) wurden genehmigt. Auf der Erde machte diese Entscheidung erhebliche Investitionen in das Deep Space Network erforderlich. So mußte beispielsweise der Durchmesser einiger Antennen von 64 auf 70 m vergrößert werden. Doch das Ergebnis rechtfertigte den Aufwand. Wieder lieferte Voyager 2 eine ungeheure Fülle an wissenschaftlichen Informationen und einmaligen Bildern. Auch danach gelang es der NASA, die Finanzierung einer Voyager Interstellar Mission (VIM) sicherzustellen. Seither übermittelt Voyager 2 auf dem Weg in den interplanetaren Raum seine Meßwerte zum Magnetfeld, zur Teilchendichte und zum Plasma.