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Sojus 33 (?) gesehen von Saljut 6

Eine weitere internationale Besatzung startete am 10.04.1979 um 17:35 UTC von Baikonur an Bord von Sojus 33 zur Raumstation Saljut 6. Der Start der Sojus-​U 11A511U Rakete hatte sich um zwei Tage verzögert, da in der kasachischen Steppe schwere Stürme tobten. Dann verliefen Aufstieg und Annäherung an Saljut 6 jedoch problemlos. Zwar führten die noch immer heftigen Stürme zu einer deutlichen Kursabweichung beim Einlauf in die Umlaufbahn, doch das ließ sich korrigieren. In 9 km Entfernung zur Raumstation wurde das Annäherungs– und Kopplungssystem „Igla“ in Betrieb genommen. 1.000 m vor der Station zündete planmäßig das Sojus Haupttriebwerk. Doch statt 6 s brannte es nur 3 s. Gleichzeitig spürten die Kosmonauten Nikolai Rukawischnikow und Georgi Iwanow (Bulgarien) eine heftige Erschütterung. Die Instrumente zeigten jedoch keine Ursache für den vorzeitigen Brennschluß des Triebwerks. Daher ordnete die Flugleitung eine Wiederholung des Manövers an. Doch wieder schaltete sich das Triebwerk umgehend ab. Gleichzeitig berichtete Kosmonaut Waleri Rjumin aus Saljut 6, daß ein ungewöhnlicher Lichtschein am Heck von Sojus 33 zu sehen gewesen sei. Offensichtlich gab es ein größeres Problem mit dem Triebwerk (später zeigte sich, daß ein Drucksensor eine Anomalie erkannt und die Abschaltung rechtzeitig vor einer drohenden Explosion vorgenommen hatte). Tatsächlich war wohl die Wand der Brennkammer durchgebrannt. Hastig wurden nun Notfallstrategien entwickelt. Erwogen wurde u.a., Saljut 6 auf 1.000 m anzuähern und Sojus nur mit den Steuertriebwerken anzukoppeln. Dann wären jedoch vier Kosmonauten an Bord gewesen, aber das angekoppelte Sojus 32 Raumschiff konnte nur zwei von ihnen evakuieren. Blieb also als Option die Notlandung, wobei nicht klar war, ob vielleicht auch das Reservetriebwerk beschädigt war. Atemluft und Nahrung reichten an Bord für fünf Tage, die Bahn war aber etwa zehn Tage stabil. Letzte Option war die Einleitung der Landung ausschließlich unter Einsatz der Steuertriebwerke. Wo die Kapsel dann aber niedergehen würde, blieb ungewiß. Und vor allem wußte niemand, wie lange die Batterien die Energieversorgung aufrechterhalten konnten. Rukawischnikow, der als erster Zivil-​Ingenieur das Kommando über eine Sojus Mission erhalten hatte, war sich aufgrund seiner Erfahrung des Ernstes der Lage voll bewußt. Wie er Jahrzehnte später äußerte, hatte er sich bereits darauf eingestellt, im äußersten Notfall das Kabinendruck-​Ausgleichsventil zu öffnen und so einen vergleichsweise schnellen Tod herbeizuführen. Als am 12.04.1979 — dem Tag der Kosmonautik — das Reservetriebwerk zündete, brannte es stabil. Berechnet worden war eine Brenndauer von 188 s. Als die automatische Abschaltung auch nach 213 s noch nicht erfolgt war, intervenierte Rukawischnikow und stellte das Triebwerk manuell ab. Er ging in diesem Augenblick von einer Fehlfunktion des Bordcomputers aus. Tatsächlich hatte dieser aber registriert, daß das Reservetriebwerk nicht den projektierten Schub erreicht hatte und versucht, das mit einer längeren Brenndauer zu kompensieren. Die Kapsel unternahm nun einen ballistischen Abstieg, der für Belastungen bis zu 10 g sorgte. Trotz dieses Mißgeschicks landete Sojus 33 am 12.04.1979 um 16:36 UTC nur 15 km vom geplanten Zielpunkt! Das war allerdings ein glücklicher Zufall, der daraus resultierte, daß das Eingreifen von Rukawischnikow die Verschiebung des Landepunkts durch den ballistischen Abstieg nahezu aufhob. Und zur Erleichterung aller hatte die Besatzung den 47:01 h dauernden Unglücksflug ohne ernste Verletzungen überstanden. Die am Landeort 316 km südöstlich von Dscheskasgan eingetroffenen Ärzte diagnostizierten bei den beiden Kosmonauten, die sich bereits aus eigener Kraft aus der auf der Seite liegenden Kapsel befreit hatten, vor allem einen Blutstau im Kopf, der sich äußerlich in Schwellungen und Hämatomen zeigte.
An Bord von Saljut 6 breitete sich nach dem Ausbleiben der Gastbesatzung eine depressive Stimmung aus. Beide Kosmonauten waren tagelang verstimmt und kappten zeitweise sogar die Funkverbindung zum Boden. Mit Sojus 33 waren auch die sehnsüchtig erwarteten Gastgeschenke und Briefe der Familien ausgeblieben. Auch der nun mögliche Empfang des sowjetischen Fernsehens bot offenbar wenig Ablenkung. Die heftige Reaktion der Kosmonauten floß später in eine Studie über psychiologische Auswirkungen von Langzeitraumflügen ein.