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Bergung des SFU Satelliten
der OAST-Flyer (rechts der Manipulatorarm)
Leroy Chiao bei seiner EVA
Leroy Chiao bei seiner zweiten EVA während STS-72
STS-72 Post Flight Presentation

Die zehnte Mission des Space Shuttle „Endeavour“ diente der Durchführung vielfältiger wissenschaftlicher Experimente auch unter Einsatz einer freifliegenden Forschungsplattform. Eine der zentralen Aufgaben war aber die Bergung des japanischen Mikrogravitationsexperimentes Space Flyer Unit (SFU). Dieses war im März 1995 mit einer H-​II Rakete von Tanegashima gestartet worden. Die Bergung des Satelliten bestimmte das enge Startfenster, welches für die Mission STS-​72  „Endeavour“ F-​10  zur Verfügung stand. Doch es traten während des Countdowns nur unbedeutende Probleme auf, die innerhalb des Zeitpuffers, der im Countdown eingebaut war, leicht behoben werden konnten. Der Start erfolgte also am 11.01.1996 um 09:41 UTC von Cape Canaveral, 23 Minuten nachdem sich das Startfenster geöffnet hatte. An Bord des Shuttle flogen Kommandant Brian Duffy, Pilot Brent Jett sowie die Missionsspezialisten Leroy Chiao, Daniel Barry, Winston Scott und Koichi Wakata. Nachdem die „Endeavour“ nur kurze Zeit nach dem Erreichen des Orbits dem Satelliten MSTI ausweichen mußte, kam Wakata als Vertreter der japanischen NASDA am dritten Flugtag die Aufgabe zu, die SFU mit dem Manipulatorarm einzufangen. Zuvor mußte allerdings noch eine kritische Situation gemeistert werden, als sich die Solarzellenflächen des Satelliten nicht wie vorgesehen einklappen ließen. Für diesen Fall war jedoch die Absprengung per Funkbefehl vorgesehen worden. Das gelang auch wie gewünscht. Die Systeme des Satelliten wurden auf die interne Batterieversorgung geschaltet und auf Kommando des Kontrollzentrums im Abstand von zwölf Minuten die beiden Solarzellenflächen abgesprengt. Die Bergung des Satelliten stellte danach für die gut trainierte Crew kein Problem mehr dar. Am 13.01.1996 um 10:57 UTC „hing“ der Satellit am Greifarm und um 11:39 UTC war er in der Nutzlastbucht gesichert. Am nächsten Tag kam der Manipulatorarm erneut zum Einsatz. Diesmal wurde mit seiner Hilfe die amerikanische Freiflugplattform SPARTAN 206 OAST (Office of Aeronautics and Space Technology) ausgesetzt — am 14.01.1996 um 11:33 UTC. Vier Experimente waren auf dem Satelliten installiert: Reflex (Return Flux Experiment), mit dem die Verunreinigung von Sensoren und Optiken durch Mikropartikel von der Oberfläche des Satelliten erforscht werden sollte, GADACS (GPS Attitude Determination and Control Experiment), mit dem der Versuch unternommen wurde, wichtige Bahnparameter aus GPS-​Daten zu berechnen, SELODE (Solar Exposure to Laser Ordnance Device), mit dem die Zündung von Pyroladungen durch Laser erprobt wurde, um der Gefahr von Fehlzündungen beispielsweise durch elektrostatische Aufladungen vorzubeugen, und schließlich das SPRE (Spartan Packet Radio Experiment), das alternative Möglichkeiten zur Bahnverfolgung mit den Mitteln des Amateurfunks untersuchte. Unterdessen widmeten sich die Missionsspezialisten Chiao, Barry und Scott bei zwei Außenbordmanövern dem Training für den Aufbau der internationalen Raumstation. Zunächst verließen Chiao und Barry am 15.01.1996 für 6:09 h die Kabine der „Endeavour“. Am 17.01.1996 arbeiteten Chiao und Scott für 6:41 h in der Nutzlastbucht. Sie erprobten verschiedene Apparaturen und Hilfsmittel, übten das Herstellen von Kabel– und Rohrleitungsverbindungen und testeten ihre mit neuen Heizelementen versehenen Raumanzüge. Insgesamt verliefen die Arbeiten erfolgversprechend. Auch unter den bewußt gewählten Extrembedingungen hielt das Klimasystem die Temperatur im Raumanzug in erträglichen Grenzen. Am 16.01.1996 um 09:47 UTC war bereits der OAST-​Flyer wieder eingefangen und um 10:13 UTC in der Nutzlastbucht verstaut worden. Diese beherbergte u.a. auch noch das Shuttle Solar Backscatter Ultraviolet Experiment (SSBUV), das bereits seinen achten Einsatz im Shuttle-​Programm erlebte, und in einem der GAS Container ein japanisches Experiment zur Proteinkristallgewinnung. Auch im Mitteldeck der „Endeavour“ liefen neben anderen Experimente zur Kristallzüchtung, darunter das CPCG (Commertial Protein Crystal Growth), das auf der Grundlage kommerzieller Vereinbarungen mitgeführt wurde. Nach einer an Highlights reichen Mission ohne nennenswerte Probleme kehrte die „Endeavour“ am 20.01.1996 planmäßig zur Erde zurück. Die Landung erfolgte nach 214:01 h am 20.01.1996 um 07:42 UTC bei der ersten von mehreren Gelegenheiten an diesem Tag auf Runway 15 von Cape Canaveral. Wie schon der Start fand damit auch die Landung bei Dunkelheit statt.